Jenseits der Mauern

Ein Bericht zu Stand und Trends der Kirchenburgenlandschaft

Ein Ausflug in jener Region führte vor einigen Jahren auch in das Dorf Dobring/Dobârca mit seiner mittelalterlichen Kirchenburg. Die Weltgeschichte entwickelte sich für die evangelischen Siebenbürger Sachsen nach über acht Jahrhunderten auch hier völlig ungünstig, und vor allem nach der Wende siedelten viele nach Deutschland aus. Das sah man auf Anhieb auch Dobring an. Dass die alte Kirche gravierendem Vandalismus zum Opfer gefallen ist, war in jenem Ausmaß dennoch ungewöhnlich. Nachfragen ergaben, dass die Kirche in Dobring damals erst im Frühjahr mit Kleinreparaturen hergerichtet worden war. Auf einem Foto war der Einweihungsgottesdienst festgehalten. Ein Monat später war bereits alles zerstört. Auch weitere Maßnahmen in den Folgejahren waren dort nicht von Dauer.

Über dreißig Jahre nach der Wende, dem Massenexodus und der weitgehenden Rückerstattung der von Kommunisten enteigneten Kirchengüter stellt sich erneut die Frage zum Umgang mit den gut 120 bewehrten Kirchen, weiteren 83 jahrhundertealten Sakralbauten und ungezählten Nebengebäuden. Es haben sich inzwischen mehrere Varianten herausgebildet.

Nutzung durch andere Religionsgemeinschaften

Vorrangig in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts übernahmen andere Religionsgemeinschaften Sakralbauten und passten sie – mit wenigen Ausnahmen – ihren Bedürfnissen an, ohne den Gesamtcharakter zu verändern. Beispiele hierfür sind Treppen/Târpiu (nun rumänisch-orthodox), Donnersmarkt/Mănărade (nun griechisch-katholisch), Minarken/Monariu (nun eine Pfingstgemeinde). Inzwischen wird mit der zunehmend verbesserten Wirtschaftslage eher neu gebaut, da sich zudem die Gebäudesubstanz der leerstehenden mittelalterlichen evangelischen Kirchen verschlechtert hat.

Tourismus und Kulturleben

Die touristische und kulturelle Nutzung von mittelalterlichen Ensembles hat nach dem Beitritt Rumäniens zur EU mit deren Fördermöglichkeiten zugenommen. In Kleinschenk/Cinc{or und Schönberg/Țomartin, Malmkrog/Mălâncrav sowie mehreren anderen Kirchenburgen mit angegliederten Pensionen führten teils private, teils gemeinschaftliche Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Kulturguts.

Neuerdings hat für 2023 die 2013 ins Leben gerufene Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche Rumäniens (EKR) nun in Kirtsch/Curciu unter Leitung des Architekturbüros von Tudor Pavelescu „MODUL28“ die touristische Nutzung des Kirchenburgensembles inklusive der Nebengebäude in Vorbereitung. Eine Dachsanierung und Steinmetzarbeiten erfolgten dort bereits vor zehn Jahren.

Engagement der Zivilgesellschaft

Ein Highlight in der Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, lokalen NGOs, dem Deutschen Forum und der EKR zeigt sich in Holzmengen/Hosman: Ob auf dem „Holzstockfestival“ für die junge Generation, dem Weihnachtsmarkt mit nachhaltigen Produkten aus dem Harbachtal oder den Ferienfreizeiten des deutschen Jugendforums: Im Schatten der intakten Kirchenburg mit Fallgitter am Torturm ist breit aufgestelltes Engagement erfolgreich. Unlängst wurde das rund 500-jährige Pfarrhaus saniert – eine Kooperation von Freiwilligen und Facharbeit.

In Deutschland zunehmend wirtschaftlich gefestigt engagieren sich rüstige Rentner, im Urlaub aber auch die mittlere Generation, in ihren angestammten siebenbürgischen Gemeinden: die sogenannten Sommersachsen. In einigen leerstehenden Pfarrhäusern werden, wie in Schönau oder Stein, Gästezimmer eingerichtet. Unter anderem in Felldorf/Filitelnic wurde von Österreichern im Sinne ihrer verstorbenen siebenbürgischen Großeltern die Kirche vor dem Einsturz gerettet und Gästezimmer in Jugendherbergs-Charme hergerichtet.

Stiftungen mit politischem und wirtschaftlichem Hintergrund tragen mit Sanierungsvorhaben, wie in Bulkesch, Deutschkreuz, Deutsch-Weißkirch und im Haferland, zur Sicherung des Kulturguts bei und unterstützen die Entwicklung von traditionellem Kleingewerbe.

Natürlich gehen diese Entwicklungen nicht spurlos an der rumänischen Mehrheitsbevölkerung vorbei. Ausgehend von ihrem interethnischen Museum in Alzen/Al]âna haben beispielsweise Architekt Eugen Vaida sowie sein Bruder, der Restaurator Stefan, mit ihrem Team von der „Ambulan]a pentru Monumente“ enormes Engagement für historische Bauten im ruralen Bereich Siebenbürgens entwickelt. Sie handeln nach dem Motto: Hilfe zur Selbsthilfe. Mit finanzieller Unterstützung des britischen Königs Charles III. werden Freiwilligencamps für Renovierungen organisiert, wobei die Freiwilligen durch Facharbeiter angeleitet werden.

Berücksichtigung finden dabei sowohl alte Bauerngehöfte wie auch Kirchenburgen (z. B. Abtsdorf/}apu), orthodoxe Holzkirchen und befestigte Landwohnsitze (rum.: cule). Ihre beim Verein erarbeiteten Langzeiterfahrungen stellen sie inzwischen landesweit auch artverwandten NGOs zur Verfügung. Neben ihrem interdisziplinären Fachwissen führt die gezielte Zusammenarbeit mit Helfern vor Ort zum Erfolg.

Was tut die Kirche?

Und was tut die Evangelische Kirche Rumäniens mit ihrer Bischofskanzlei in Hermannstadt/Sibiu selber? Parallel zur juristischen Klärung von Rückerstattungen erfolgten Sicherungsmaßnahmen von Kulturgut aus verwaisten Kirchengemeinden und deren Konsolidierung. Archiv und Museum wurden eingerichtet. Über das bereits zeitig aufgelegte Dächerprogramm hinaus wurden von der eigens eingerichteten, aber wegen finanziellen Möglichkeiten gering besetzten Leitstelle auch gesamtheitliche Maßnahmen koordiniert.

Hauptsächlich 2013 wurden von ihr 18 Kirchenburgsanierungen mit öffentlichen Fördermitteln realisiert. Anders als bei der hemdsärmligen Herangehensweise ehrenamtlicher Helfer mit Spendengeldern waren und sind hierfür unvermeidlich Aufmaß, Projektbeschreibung und Ausschreibung gefordert. Das dauert und begrenzt die Wirkmöglichkeiten. Auch Theologen und Verwaltungsangestellte als Projektmanager einzusetzen ist ein Notbehelf.

Einbindung als Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg

Es gibt etliche Projekte mit Leuchtturmcharakter: Seht, es wird gehandelt! Stimmt. Doch im Gesamtverhältnis von über 200 Kirchen und mannigfaltigem Kulturvermächtnis kann all das natürlich nicht ausreichend sein, sodass immer wieder gravierende Schadensmeldungen nicht ausbleiben. Zu einer flächendeckenden systematischen Herangehensweise mit durchgängigem Gebäudekatester und Exposées kam es erst gar nicht – Basis jeder ergebnisorientierten Bewirtschaftung.

Der Vorschlag, mit Handwerkern Kontrollgänge und dabei gegebenenfalls Kleinreparaturen und Datenaufnahme durchführen zu lassen, wurde nicht umgesetzt. Nur acht Jahre später stürzte selbst in Alzen/Al]âna die Kirchendecke ein, obwohl gelegentlich begangen bzw. genutzt. Was über Jahrhunderte eindringende Reiterhorden und fremde Heere nicht zerstört haben, schafft eindringende Feuchtigkeit in menschenleeren Kirchen in drei Jahrzehnten.

Stefan Bichler, Referent für Öffentlichkeitsarbeit am Landeskonsistorium der EKR, berichtete neuerdings online über Resultate in Dobring: „Seit Jahren bereitet uns der Zustand der Dobringer Kirchenburg Kopfzerbrechen. Mehrfach wurde von unterschiedlichen Akteuren versucht, das Gebäude wieder herzurichten oder zumindest zu sichern. Leider ist dies bisher nie dauerhaft gelungen.“

Ein entscheidender Vorteil wird im aktuellen Fall aber die bei der Planung berücksichtigte Einbindung der lokalen Bevölkerung sein, meint Bichler: „Wie wichtig die Rolle dieser Menschen ist, sehen wir auch in anderen Dörfern, gerade auch dort, wo die Rettung der Kirchenburgen funktioniert hat. Ich denke, diese Strategie wird sich als ein wichtiger und entscheidender Schlüssel zur Nachhaltigkeit herausstellen.“ Jenseits der Mauern trägt die Nutzung durch verschiedene Gemeinschaften entscheidend zum Erhalt von Kulturgut im multiethnischen Siebenbürgen bei.