Justitias Blindheit

Es gibt gute Gründe zur Vermutung, dass die PSD-Eliten Riesenvermögen angehäuft haben, indem sie das Staatsvermögen schröpften. Das erklärt, wieso eine PSD-Größe, ohne mit der Wimper zu zucken, 50 Millionen Dollar rausrückte, um eine amerikanische Wahlberatungsfirma der Extraklasse anzuheuern. Nachlesbar in comisarul.ro. Es muss in den PSD-Eliten mafiöse Verstrickungen und Seilschaften geben, die untereinander die Ressourcen des Landes aufteilen, sich gegenseitig decken und mit hoher Sicherheit auch die juristischen und polizeilichen Führungsstrukturen diskret „mitverdienen” lassen. So schaffen sie in aller Ruhe ihr Scherflein beiseite. Dieser allgemein vermutete Diebstahl am Nationalvermögen (den die Justiz nicht sieht) – der u. a. eine Erklärung sein kann für das Nichtvorhanden-sein einer elementaren Verkehrsinfrastruktur Rumäniens – kann unmöglich ohne die erkaufte Blindheit der Justiz passieren.

Für diesen Kauf gibt es Indizien. Einerseits die provokative Opulenz von Käufern und Gekauften (man lese sich mal durch Beiträge über den „Lebensstil“ hochrangiger politischer Halbgebildeter und Spitzendiebe, aber auch von Spitzenjuristen, die Rise Project – die von politischen Eliten quer durch die Parteienlandschaft gehasste journalistische Investigativplattform – recherchiert hat, oder man verfolge die Einkommenserklärungen und Karrieren mancher Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, wo viel Bedenkenswertes auffällt. Nicht zuletzt ist das Niveau der Steuerhinterziehungen in Rumänien in Betracht zu ziehen (geschätzt: 36 Prozent der Mehrwertsteuer, die dem Staat zustünden, fehlen, aber auch die Steuereinnahmen stehen im teleormanschen Staat der Sumpfdemokratie bei einem historischen Tief von 25,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – bei einem EU-Durchschnitt von 40 Prozent).

Die Klientelwirtschaft rumänischer politischer Eliten hat die Ebene der Spitzenjuristen erreicht. Darüber gibt es zwar nur Vermutungen und Indizien, aber die sind immerhin aussagekräftig und zitierenswürdig genug (z.B. luju.ro/magistrati). Beispiel: die „erstaunliche“ Konsequenz in den pro-Dragnea-Entscheidungen der Präsidentin des Obersten Magistraturrats (CSM). Verfolgt man parallel die Einnahmen ihres Gatten, des Anwalts Gil Vasile, die die 100.000 Euro jährlich überschreiten, obwohl er bloß ein individuelles Rechtsanwaltsbüro betreibt, sind unschwer Schlüsse zu ziehen. Ihm werden jährlich von der längst pleite erklärten Druckerei „Imprimeriile Coresi“, einer „Nationalen Gesellschaft“ (dito ein Staatsunternehmen), 5000 Euro überwiesen. Seit 2013. Ob das in keinem Zusammenhang mit der Tatsache steht, dass die CSM-Chefin den Staatsanwälten die Untersuchung des Korruptionsfalls „Belina“, wo Dragnea bis zur Nasenspitze drinsteckt, untersagt hat? Oder, dass die CSM-Präsidentin schon 2017 Untersuchungen gegen Generalstaatsanwalt Lazăr einleiten wollte, wegen seiner Haltung zur Regierungs-Eilverordnung OUG 13? Blinde Justitia?

Gibt es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den Untersuchungen der Justizinspektion gegen Staatsanwälte und Richter, die gegen die systematische Zerstörung des Rechtsstaats in Rumänien protestiert haben, die von der PSD-ALDE-Koalition mit Unterstützung des Ungarnverbands passiert und der Tatsache, dass zur Justizinspektion jüngst der Ehemann der Richterin G.B., Mitglied des CSM, aufgenommen wurde – eine Richterin, die zu den Lieblingsgästen der regierungs-devoten Schmiere-TV-Sender gehört?
Nicht zuletzt: Ist das Maß der Privilegien, das die PSD/ALDE-Koalition für Richter und Staatsanwälte erhöhte, nicht auch eine Form der Korrumpierung? Frührenten, bis zu zehnmal höhere Renten als Normalverdiener (ohne je einen Bani in die Rentenkasse eingezahlt zu haben), Überbezahlung bei nicht seltenen Urteilen, wo die Justitia ihren Augenverband ein bisserl gelüftet hat – ist das nicht auch Korrumpierung zu nennen?