Kaputte Spielzeuge können ab jetzt ins Krankenhaus

Die erste Einrichtung ihrer Art in Rumänien

Iuliana Ghiţă erklärt die Unterschiede zwischen älteren und neueren Puppen.

Spielzeugarzt Valentin Dinu bringt die Spielzeuge in Ordnung.
Fotos: Aida Ivan

Das einzigartige Glasschloss inmitten der Hauptstadt findet der Nicht-Bukarester nur schwer. Von außen ist es kein Schloss und bestimmt auch nicht einzigartig, doch von innen betrachtet, wirkt es reizend. Man erkennt das Gebäude gleich an den Fenstern im Untergeschoss: Da ruhen dicht nebeneinander allerlei farbenfrohe Plüschtiere. In der Strada Foişorului 56-58 befindet sich das erste Spielzeugkrankenhaus Rumäniens (vielleicht auch Europas), direkt im Hauptsitz des Bukarester Sozialamtes (DGASMB - Direcţia Generală de Asistenţă Socială a Municipiului Bucureşti). Der relativ große und bunte Raum wirkt paradiesisch auf Farbenliebhaber. Alle Wände sind durch Regale verdeckt, die Regale sind mit Spielzeugen vollgestopft.

Die Patienten werden zuerst sortiert: In einer Ecke werden die Regale markiert, in denen sich Spielzeuge befinden, die „behandelt” werden müssen. Einige brauchen einen Anzug, andere sogar neue Glieder. Dann werden sie nach bestimmten Kriterien klassifiziert – von Puppen der älteren und neueren Generation über moderne ferngelenkte Autos zu Plastikminiaturobjekten, Riesenplüschtieren und Spielen – jedes einzelne Spielzeug hat seinen eigenen Platz. Eine Wand ist beispielsweise nur mit Schachteln verdeckt, in welchen zurzeit Spielzeuge aus Überraschungseiern ruhen. In der Mitte gibt es einen Tisch, an dem Volontäre arbeiten. Hier sind allerlei Schachteln mit verschiedenen Sorten von Spielsachen zu sehen. Eine Trommel teilt sich ihren Platz mit blondem, lockigem Puppenhaar, ein Lastkraftwagen mit bunten Bällen, ein weißes Nashorn mit Scheren, Bindfäden und Desinfektionsmittel.

Hier behandelt der Chefarzt für Spielzeuge, Valentin Dinu, mit seinem Team die Patienten, die nicht nur aus der Hauptstadt, sondern auch aus verschiedenen Ecken des Landes gebracht werden. 400 Säcke wurden seit der Gründung des Spielzeugkrankenhauses Anfang März geliefert. Die Spielzeuge werden gespendet: Manche müssen repariert oder genäht, andere nur gewaschen und desinfiziert werden. Die reparierten Spielzeuge werden Kindern aus ärmlichen Verhältnissen geschenkt. Monatlich findet eine Werkstatt statt, für die sich jeder einschreiben kann. Zu den Teilnehmern zählen manchmal Mütter und ihre Kinder: Die Erwachsenen wollen dadurch ihren Kleinen den liebevollen Umgang mit Sachen beibringen. Oft sind auch ältere Leute dabei, denn sie haben mehr Zeit zur Verfügung. „Außerdem beweisen sie wesentlich mehr Geduld und Geschicklichkeit beim Nähen”, erklärt die Projektleiterin des Spielzeugkrankenhauses, Iuliana Ghiţă.

„Arzt Pluşicu, bitte reparieren Sie mein Spielzeug!”

Das Spielzeugkrankenhaus ist eine Initiative des DGASMB, da sich die Institution mit vielen Kinderheimen beschäftigt. Wo es Kinder gibt, da gibt es selbstverständlich auch viele Spielzeuge, die kaputtgegangen sind. Die Angestellten des DGASMB durften diese nicht wegwerfen, denn sie gehören zum Inventar. „Dann kamen wir auf die Idee, die Spielzeuge zu reparieren”, erzählt Iuliana Ghiţă. Ein nächstes Problem tauchte aber gleich auf: „Wir haben nach Werkstätten gesucht, wo Spielzeuge repariert werden. So was gibt es aber nirgendwo in Rumänien”, erinnert sie sich. Ein eigenes Zentrum für die Reparatur der Spielsachen zu eröffnen, ergab sich als einzige Möglichkeit. Genannt wurde es das „Spielzeugkrankenhaus”. Es wurde zu einem Sammelzentrum für Spielsachen, die den benachteiligten Kindern gespendet werden. Spielzeugarzt Valentin Dinu ist fester Angestellter der Institution, er arbeitet als Spezialinspektor bei der Kinderschutz-Abteilung. An den Spielzeugen arbeitet er zusammen mit den anderen meistens freitags, nachdem die Aufgaben erfüllt wurden. Viel spricht er nicht, er bevorzugt, sich in seine Aktivität zu vertiefen: In Ruhe beschäftigt er sich mit der Sortierung von Spielzeugen, die wie in einer Ausstellung angeordnet sind.

„Spielzeugreparateur als Beruf gibt es nicht”, macht Iuliana Ghiţă weiter klar. „Wir haben die Spielzeuge repariert, so wie wir uns auskannten. Wir haben die Teddybären genäht, die Püppchen haben wir desinfiziert, und zum Waschen in unsere Anlagen geschickt. Das Projekt kostet uns nichts”, verdeutlicht sie. Das Krankenhaus für Spielzeuge hat unerwartet großen Erfolg bei den Kindern gehabt. Die Kleinen haben sich sehr gefreut, ihre Spielsachen reparieren lassen zu können und sie anderen Kindern zu schenken. Dabei gaben manche auch Anweisungen, beispielsweise erinnerte ein Mädchen den Spielzeugarzt daran, dass die Barbiepuppe, die sie ins Krankenhaus gebracht hatte, täglich gekämmt werden soll.
Kinder kamen hierher und sagten zu Valentin: „Arzt Pluşicu, Arzt Pluşicu, reparieren Sie bitte mein Spielzeug!”, erzählt Iuliana Ghiţă. Die Mitwirkenden verstanden damals nicht, wieso Valentin Dinu plötzlich „Pluşicu” wurde. Sie ahnten gar nicht, dass es eine Trickfilmserie gibt, deren Hauptfigur eine Ärztin namens Pluşica (im Englischen Doc McStuffins) ist, die auch Spielzeuge repariert.

Die erste Veranstaltung des Projektes wird am Kindertag, dem 1. Juni, abgehalten: Bedürftigen Kindern zwischen 3 und 14 Jahren werden Spielzeuge geschenkt. Die Spielzeuge, die für Kinder unter 3 Jahren geeignet sind, werden an die Pflegeheime des DGASMB für kleine Kinder weitergegeben.
Spielzeuge gibt es aber überall in Rumänien und in jeder Region gibt es Kinder, die Spielzeuge brauchen. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch die anderen diese Idee übernehmen und noch andere Zentren entstehen. Die Spielzeuge müssen nicht unbedingt nach Bukarest gebracht werden”, erklärt Iuliana Ghiţă.

Das erste rumänische Spielzeugmuseum?

Die Stärke des Sammelzentrums besteht in der Vielfalt der Spielzeuge. Hier bekommt man allerlei Spielsachen zu sehen – angefangen bei denen aus hartem Plastik oder aus Holz bis hin zu Plüschtieren, bekannt aus Trickfilmen. Man kann dabei die Entwicklung des Spielzeugs beobachten. Manche der Spielzeuge, die gebracht werden, sind sehr alt und werden zurzeit nicht mehr hergestellt. Spielzeuge können immer gebracht werden, es gibt keine Frist oder keine Öffnungszeiten: Jeder kann rund um die Uhr Spielzeuge ins Krankenhaus in der Nähe der Vitan-Mall bringen. Ziel des unbefristeten Projektes ist es, eine spezielle Abteilung für das Spielzeugkrankenhaus im Rahmen des DGASMB entstehen zu lassen, um später auch ein Spielzeugmuseum zu gründen, das für Rumänien ebenso ein Novum wäre.