Kaum Freizeit auch während der Coronavirus-Pandemie

Gespräch mit der Kronstädter Lehrerin und Kirchenkuratorin Ortrun Mahl

Vielseitig beschäftigt ist Ortrun Mahl auch in der Zeit des Notzustandes und der anschließenden Alarmstufe wegen der Coronavirus-Epidemie gewesen. Zwar ist der Unterricht ausgefallen, doch die vielen Aufgaben im gesellschaftlichen und kirchlichen Bereich nahmen sie voll in Anspruch.  Geboren 1962 in Mediasch, ist sie seit 1990 im Unterrichtswesen tätig und arbeitet seit 1996 als Grundschullehrerin am Kronstädter Johannes-Honterus-Kolleg. Die sehr beliebte und gefragte Lehrerin ist am 26. November 2017 auch zur Kuratorin der Evangelischen Kirche A.B. in Kronstadt (Honterusgemeinde) gewählt worden. Zudem leitet sie auch einen Verein, der ihren Namen trägt und als Ziel hat, Kinder und Jugendliche mit siebenbürgisch-sächsischen Traditionen vertraut zu machen. In Kronstadt hatte sie Technologische Ausrüstungen für heiße plastische Verformungen studiert und ist ihrem ursprünglichen Beruf kurz auch nachgegangen. Es folgte eine pädagogische Ausbildung am Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar. Die Mutter und Oma erfüllt vorbildlich auch diese Familienaufgaben. Als Mitarbeiterin des Schulamtes und künftig auch des Bukarester Goethe-Instituts ist sie auch in die Fortbildung der Lehrer impliziert. Der ADZ-Redakteur Dieter Drotleff, dem sie dieses Interview freundlicherweise gewährte, erkundigte sich somit in der ersten Frage nach einer Einschätzung des gerade abgeschlossenen Fortbildungskurses.

Es ist bekannt, dass der Unterricht in deutscher Sprache auch für die Eltern von Schülern, die der rumänischen Mehrheitsbevölkerung oder einer anderen Minderheit angehören, eine große Attraktion darstellt. Doch mangelt es nicht nur an Lehrern, sondern auch an Schulbüchern für den deutschsprachigen Grundschulunterricht, in dem Sie auf viel Erfahrung blicken. Inwieweit sind Sie in die Fortbildungstätigkeit impliziert?
Da ich mit Leib und Seele nicht nur Lehrerin, sondern auch eine Vertreterin der deutschen Minderheit in Rumänien bin, ist es mir sehr wichtig, dass der Unterricht in deutscher Sprache effizient und auf hohem Niveau gestaltet wird. Ich bin der Meinung, dass das deutschsprachige Schulwesen ein Grundpfosten der deutschen Minderheit ist. Mehr noch, es ist ein wichtiger Faktor zur Erhaltung und Sicherung kultureller und sprachlicher Identität der deutschen Minderheit in Rumänien, trägt aber auch zur kontinuierlichen Interaktion mit der rumänischen und ungarischen Kultur bei.
Ich habe es immer schon als eine Aufgabe gesehen, nicht nur für meine Schüler ein einflussreicher Begleiter zu sein, sondern auch für meine Kolleginnen. Ich bin Methodikerin im Schulamt Kronstadt und Mentor im Projekt „Förderung von Lehrkräften im deutschsprachigen Schulwesen Rumäniens“ und habe in diesen Ämtern versucht, meine Werte und Normen an die Lehrerinnen der deutschen Schulen weiterzugeben und zu leben.
Durch die offenen Stunden oder Workshops, die ich im Laufe der Jahre in der Schule, beim Siebenbürgischen Lehrertag, bei den Tagungen des Deutschlehrerverbandes Rumäniens gehalten habe, war ich bemüht, von meinem Wissen, von meinen Sprachkenntnissen und von meinen pädagogischen Erfahrungen viel weiterzugeben.
Fortbildungen habe ich auch mit den Lehrerinnen, die sich zur Definitivatsprüfung oder zur „Titularizare“ (Verbeamtungsprüfung) gestellt haben, durchgeführt.

Wie ist der Unterricht mit den Schülern der Grundstufe in dieser Zeit der Pandemie verlaufen?
Der Unterricht in der Zeit der Pandemie war eine Herausforderung für Lehrer, Eltern, Kinder und Geschwister. Von Anfang an waren alle Grundschullehrerinnen der Honterusschule bemüht, jeden Tag Kontakt aufzunehmen, sowohl mit den Kindern als auch mit den Eltern, sei es über Whatsapp, Zoom, Google Meet oder E-Mails. Man hat neue Methoden, Tools und Links gesucht, um die Kinder zu motivieren.
Die Verbindung zu den Eltern ist enger geworden in dieser Zeit, die „Honterus-Eltern“ haben gut mitgemacht, sie haben dafür gesorgt, dass die Kinder pünktlich in den Meet-Konferenzen waren, haben beim Drucken und Aufladen der Arbeitsblätter und Hausaufgaben geholfen und bei der Aneignung und Erweiterung digitaler Fertigkeiten. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie die Arbeit der Lehrer besser wahrgenommen und noch mehr schätzen gelernt haben.
Einige der Lehrerinnen haben nachmittags oder abends noch mit den Kindern gelesen und erzählt. Ich selbst habe dreimal in der Woche Leseabende organisiert. Ich hatte mir gleich zu Anfang der Pandemie im LeseNest in Deutschland tolle Bilderbücher bestellt, die ich den Kindern dann vorgelesen habe. Meine Schüler haben danach ihre eigenen Bilderbücher präsentiert und ich bin sehr glücklich, dass sie in dieser Zeit viel gelesen haben, weil die Bücher dir die Tore zur Welt öffnen. Mein Prinzip ist es, die Schüler zu lehren, dass sie nicht für die Schule lernen, sondern für ihr eigenes Leben, und ich glaube, das haben sie in dieser Zeitspanne mehr denn je verstanden.

Ist schon bekannt, wie der Unterricht, beginnend mit dem neuen Schuljahr, ab dem Herbst verlaufen wird?
Ich hoffe sehr, dass der Unterricht nach den Sommerferien wieder für alle Schüler normal laufen wird, weil die Kinder Gemeinschaft und Normalität brauchen, um sich gut zu entwickeln und zu bilden. Abstandsgebot ist für die Kinder schwer oder unmöglich einzuhalten, sie brauchen einfach die körperliche Nähe. Der Online-Unterricht kann den Lebensraum Schule nicht ersetzen.
Zurzeit heißt es, dass im Herbst Präsenzlernen und Distanzlernen verknüpft werden, aber ob es bis dahin gute Konzepte geben wird, die das ausreichend unterstützen, wage ich zu bezweifeln.

Als Kirchenkuratorin setzen Sie sich besonders dafür ein, die Verbindung zwischen Pfarramt und der Gemeinde zu festigen. Wie kommen Sie dieser Anforderung nach?
„Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“
Ich baue mein Leben und Handeln auf Gott, ich weiß, er führt mich. Deshalb spielt der Glaube daran, dass man etwas zum Guten verändern kann, eine große Rolle. Wenn ich etwas anpacke, bin ich voll und ganz bei der Sache, ich verliere den Mut nicht, neue Wege und neue Lösungen zu finden. In diesem Sinne habe ich als Kirchenkuratorin versucht, eine gute Verbindungsperson zwischen Pfarramt und Gemeinde zu sein, auf die Menschen zuzugehen, ihnen geduldig zuzuhören, Zeit zu haben, zu helfen, Hoffnung zu vermitteln und Vertrauen aufzubauen.
Das Mitdenken und Mitarbeiten in der Gemeinde ist mir ganz wichtig und ich bemühe mich, die Werte des christlichen Glaubens zu pflegen, zu leben und weiterzugeben. Seelsorge, gute Vorschläge einzubringen, und dafür sorgen, dass Nötiges gut eingerichtet wird, Ausarbeitung klarer Regeln, Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit gehören dazu. Am liebsten bin ich im Gottesdienst, feiere das Abendmahl und helfe gerne bei der Austeilung des Abendmahls. Aus diesem Grunde mache ich auch so gerne bei der Ausbildung zur Lektorin mit.

In dieser ehrenamtlichen Aufgabe nehmen Sie an den Presbyterialsitzungen teil, in denen alle Probleme zur Sprache kommen. Es sind auch viele wirtschaftliche Aufgaben, wie auch die der Instandhaltungs- und Restaurierungsarbeiten. Wie haben Sie sich diesbezüglich dafür vorbereitet?
Kirchenkurator in der Honterusgemeinde Kronstadt zu sein, erfordert sehr, sehr viel Zeit, Kraft und Willen. Das Schöne daran ist, dass die Pfarrer, die Presbyter, die vielen Bereichsverantwortlichen und die Angestellten sehr wertvolle Menschen sind.
Dank ihrer Hilfe und meines Mitwirkens in den verschiedenen Arbeitsgruppen, wie Kindergarten, Immobilien, Wahlausschuss, Schulen, aber auch die Beteiligung an Lektorenfortbildung, Sommerferienlager, Prüfung der Kirchenführer, Feste organisieren, Gemeindeausflug, Gemeindebacken, Frauenweltgebetstag, Verkündigungsrunden u. a. m. ist es mir gelungen, mich einzuarbeiten und Verantwortung zu übernehmen.

Die Pandemie hat auch im kirchlichen Leben für bisher unbekannt gewesene Einschränkungen gesorgt. Wie konnte trotzdem die Verbindung zwischen Kirchenleitung und Kirchengemeinde aufrecht erhalten bleiben?
In der Corona-Zeit stand die Sorge um die Gemeinde und die Sorge um die Angestellten an erster Stelle. Das Presbyterium hat eine intensive Arbeit geleistet, es hat sich jede Woche auf der Zoomplattform getroffen und in langen Gesprächen beraten. Die Kommunikation mit der Gemeinde ist aufrecht erhalten geblieben, durch die Online-Gottesdienste und Andachten, durch die Dringlichkeitstelefonnummer, die für die Gemeindeglieder eingerichtet wurde, durch die Gespräche und Besuche.
Die Pfarrer und die Diakonie haben ein Netzwerk der Fürsorge geschaffen. Es wurden seelsorgliche Gespräche geführt, Pfarrerin Adriana Florea hat Hausabendmahl angeboten, die Diakonie hat mit Einkäufen, Telefonaten und Besuchen geholfen. Der Konfirmandenunterricht und die Jugendstunden wurden online gehalten, die Kinder aus dem Kinderchor haben über Whatsapp mit Gabriela Schlandt gesungen, alle Gemeindeglieder über 65 wurden besucht.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des kirchlichen Lebens, wo einige Erleichterungen eingeführt worden sind, aber trotzdem die Vorsichtmaßnahmen weiter berücksichtigt werden müssen?
Ich glaube, Kirche ist überall dort, wo der Glaube weitergegeben wird, wo Liebe gelebt wird, wo Hoffnung vermittelt wird, und ich hoffe, dass der christliche Glaube auch für die weiteren Generationen eine Lebensquelle sein wird.

Sie haben auf eigene Initiative hin den schon angesprochenen Nichtregierungsverein, der Ihren Namen trägt, gegründet. Welches ist dessen Ziel?
Ich war als Kind immer gern bei meiner Oma auf dem Land und habe dort noch die alten sächsischen Traditionen und Bräuche erlebt, mit all den Feiertagen und Festen, die gemeinsam mit den „Nachbarschaften“ organisiert wurden, mit dem gemeinsamen Backen, Kochen, Gartenarbeit, Lesen, Gedichte aufsagen…
Ein bisschen davon hab ich versucht, den Kindern im Verein zu bieten, nämlich ein Umfeld, wo sie sich „zu Hause fühlen können“, wo Liebe, Glaube, Fröhlichkeit, Geduld und kompetentes Wissen geboten wird.
Zusammen mit meinen Mitarbeitern versuchen wir, die Kinder zu lehren, wie man lernt, wie man positiv und handlungsorientiert an Problemstellungen herangeht, wie man persönliche Verantwortung übernimmt und soziale Kompetenzen aufbaut, Stärken hervorhebt, gemeinsam an den Schwächen arbeitet, Neues erforscht, Gelerntes verarbeitet, vernetzt und anwendet.

Wie verläuft die Tätigkeit des Vereins und bauen Sie auch auf Mitarbeiter?
Der Verein wurde von meiner Tochter Ioana, meinem Sohn und mir vor über sechs Jahren ins Leben gerufen. Das Team besteht aus ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sowohl pädagogische als auch organisatorische Fähigkeiten mitbringen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht immer ein Buch. Liebevolle Geschichten helfen Kindern, ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken, ein positives Gefühl für die Welt zu entwerfen und neue Möglichkeiten, die sie auf Erfolgskurs im Leben bringen, zu entwickeln.
 Die Regale unseres Vereins sind voll mit guten Büchern, Lesen ist das wichtigste. Wir arbeiten mit dem LeseNest bei Hannover seit Jahren zusammen und lassen uns beraten, was die Kinder von dort gerne lesen. Wir bringen immer die neuesten Bücher, die man von uns auch leihen kann.
Rund um das Buch gibt es vielfältige Angebote: Lesegarten, Laternenfest, Adventsfeier, Weihnachtswerkstatt, Das Universum, Immer wieder kommt ein neuer Frühling, Architekturwerkstatt: Meine eigene Stadt, Viking it & liking it, Osterfest mit Eiersuchen im Garten, Gartenarbeit, Kreatives Recycling, Zeitungsredaktion, Märchenwerkstatt. Alle Aktivitäten sind verbunden mit Basteln, Malen, Singen, Backen und viel, viel Spaß.

Frau Mahl, wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Ausdauer in Ihrer vielseitigen Tätigkeit, auch im Namen unserer Leserinnen und Leser!