Keine Kunst ohne Geduld, Disziplin und Wissenschaftlichkeit

Steinrestaurator am Brukenthalmuseum – und nicht nur – ist mehr als ein Vollzeitjob

Seine Erfahrung hat Mihai Iancovescu Rudeanu 2022 als Dozent der Sommerschulen für Handwerk auf dem Gut der Cantacuzino-Stiftung in Florești (Kreis Prahova) und jenem von Architekt Öerban Sturdza in Țibănești (Kreis Iași) geteilt.
Fotos: Klaus Philippi

„Jede Kultur ist über eine andere gebaut worden. Ganz egal, ob sie besser oder schlechter als ihre Vorgängerkultur war.“ Wenn Leute wie Steinrestaurator Mihai Iancovescu Rudeanu das sagen, geht es um mehr als greifbare Materie. Denn wo Menschen am Werk sind, kommen auch ihre immateriellen Überzeugungen ins Spiel. Steine sind nicht einfach zu formen und bestimmte Sichtweisen noch viel schwerer zu ändern, oder? Dem kann Iancovescu Rudeanu sich nur anschließen. Besonders stolz ist er auf seine Arbeit an der Kirche des orthodoxen Klosters der Heiligen drei Hierarchen in Jassy/Iași, und ohne sein Know-How würden die Gewölberippen, die Standstein-Säulen der Ferula und das Westportal der renovierten evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu dem Huetplatz/Piața Huet sehr unpassend zu Gesicht stehen. Aber Mihai Iancovescu Rudeanu beschäftigt sich nicht nur mit Restaurieren. Packt ihn die Freude am Schöpferischen und gibt es die Zeit her, baut er schon mal von Null auf ganz eigene Kleinstatuen wie beispielsweise die eines griechisch-katholischen Priesters der Vergangenheit, über der in seiner Werkstatt noch ein Tuch liegt.

Ein Jahr nach dem 1998 in Râmnicu Vâlcea bestandenen Abitur hat Mihai Iancovescu Rudeanu sich als Student für Restauration an der Lucian-Blaga-Universität eingeschrieben und noch 2004 die GmbH MIHALI ART gegründet, die ihn landesweit von Sighetu Marmației bis nach Tulcea längst unverzichtbar gemacht hat (mihaliart.com). ADZ-Redakteur Klaus Philippi hat dem Steinrestauratoren des Brukenthalmuseums fünf Fragen gestellt. Im Mittelpunkt der ersten stehen die bröckelnden Finger und Zehen beider steinerner Jungfrauen – in der griechischen Antike „Karyatiden“ genannt – am Eingang des evangelischen Schülerheims in Hermannstadt. Das alte hölzerne Tor zwischen ihnen wurde bereits einwandfrei restauriert. Ziehen ihm irgendwann vielleicht auch die steinernen Jungfrauen nach? Beim hier interviewten Spezialhandwerker wären sie sicher in guten Händen.


Mihai Iancovescu Rudeanu, wie würden Sie vorgehen, wenn man Ihnen den Auftrag gäbe, die beiden steinernen Jungfrauen links und rechts am Tor von Haus Nummer 13 in der Fleischergasse zu restaurieren?

Zuallererst müsste ich ein technisches Spezialprojekt ausarbeiten, weil es sich um ein kulturgeschichtlich geschütztes Viertel handelt, und das betreffende Gebäude meines Wissens nach in die Klasse A der Denkmal-Kategorie gerechnet wird. Für diese Klasse gelten die höchsten und striktesten Kriterien. Dann wäre das Spezialprojekt an die Abteilung für Künstlerische Komponenten der Nationalen Kommission für Baudenkmäler zu senden, der sämtliche Gesuche auf eine Einfassung von Skulpturen, Gestaltung architektonischer Elemente oder Restaurierung von Stuckaturen vorgelegt werden müssen.

Auf keinen Fall dürften die zwei steinernen Jungfrauen für die Zeit der Arbeit daran von ihren Standorten gelöst werden, weil sie trotz des figurativen Charakters die Gebäudestruktur mittragen. Aber es ist gut möglich, sie direkt an ihrem Platz zu restaurieren. Nach der Erteilung der Bewilligung durch die Abteilung für Künstlerische Komponenten der erwähnten Nationalen Kommission könnte mit der tatsächlichen Restaurierungsarbeit begonnen werden, die unter Einhaltung einer gewissen technischen Ordnung zu unternehmen ist: Die beschädigten Anteile der Skulpturen werden abgebaut und der Stand des gut erhaltenen Materials gefestigt, gefolgt von Tests mit Reinigungsmitteln daran. Die Ergebnisse dieser Tests übrigens müssen schon im technischen Spezialprojekt schriftlich enthalten gewesen sein.

Laufen die Arbeiten an, werden die Tests nicht mehr wiederholt, weil man die Reaktion des Steins auf die unterschiedlichen Stoffe bereits kennt und genau weiß, womit restauriert werden soll. Und natürlich gelten auch die Maßstäbe der 1964 beschlossenen Charta von Venedig, die es klar empfiehlt, von der Rekonstruktion eines Armes, Kopfes, Beins oder gesamten Statuen-Körpers abzusehen, wenn über 50 Prozent des ursprünglichen Volumens fehlen. Sonst würde man als Restaurator kreativ intervenieren, was nicht sein darf. Das ist der Grund, weswegen zum Beispiel kopflose Statuen kopflos belassen werden.

Außerdem müssen alle neu verbauten Materialien so beschaffen sein, dass es möglich ist, die Skulptur gegebenenfalls wieder von ihnen zu befreien. Damit nachfolgende Restauratoren auch eine Chance haben, am gleichen statt unwiederbringlich veränderten Original zu arbeiten. Wichtig ist auch die spätere Lesbarkeit des Eingriffs: Alles, was restauriert wurde, muss sich im Farbton vom Original unterscheiden, jedoch ohne es zu stören oder ihm etwa Konkurrenz zu bieten.

Von ganz nah betrachtet soll sichtbar sein, was gearbeitet wurde, von weiter weg aber darf nichts auffallen. Das wären die Kriterien für eine Restaurierung beider steinerner Jungfrauen in Hermannstadt. Sie gelten allgemein für jedes Werk, und doch müssen sie von Fall zu Fall immer wieder neu überlegt werden. Kein Werk gleicht dem anderen, es gibt kein universales Rezept für Restauration.

Und was gehört zu einer richtig guten Dokumentation, ohne die ein Restaurieren undenkbar ist?

Eine gute, eine vollständige Dokumentation läuft interdisziplinär. Jede historische Studie muss sitzen und auf alles hinweisen, was über das zu restaurierende Werk erfahren und entdeckt werden kann. Wenn vorhanden oder irgendwie aufzustöbern, sind alte Fotos, Skizzen oder gar umfassende Projekte besonders nützlich. Auch ist eine historische Studie kunstgeschichtlich einzuordnen, um der Art und Weise, wie bestimmte Personen zu bestimmten Zeiten abgebildet wurden, Rechnung zu tragen. Die Proportionen einzelner Körperteile beim künstlerischen Arbeiten wurden in der Vergangenheit niemals durch Zufall standardisiert. Alles in allem kommt es drauf an, zu wissen, wie weit eingegriffen werden darf. Als Restaurateur bist du halt auf deine eigene Nase angewiesen. Es geht nicht an, einem Werk mehr Volumen zu geben als der Erbauer ihm zugedacht hat.

Wie gehen Sie an Ihren Beruf heran, sobald sich zeigt, dass die im Arbeitsvertrag schriftlich festgelegte Wochenstundenzahl für das Ausführen Ihrer eigentlichen Aufträge als Steinrestaurator nicht ausreicht?

Das Problem beschäftigt mich täglich. Obwohl es jede Menge für diesen Berufszweig zu tun gibt, sind in ganz Rumänien nur noch sehr wenige Steinrestauratoren zu finden. Ihr permanenter Arbeitsplatz ist meist eines der staatlich verwalteten Museen, was sie aber nicht daran hindert, nebenher auch selbstständig aktiv zu sein. Bei mir selbst ist es nicht anders, weil ich mich zum einen in der Arbeit für das Brukenthalmuseum auf meine Zulassung als Spezialist für mobiles Erbe verlassen kann, andererseits aber auch eine Akkreditierung vom Kulturministerium für immobiles Erbe habe. Die wäre mit Bedingung für das Restaurieren der steinernen Jungfrauen.

Am allermeisten sagen mir natürlich Aufträge zu, bei denen mir der Zuschlag für beides erteilt wird, also die Ausarbeitung eines Projekts und seine technische Ausführung.

Trotzdem es zeitlich immer sehr eng ist. Als Angestellter des Brukenthalmuseums bin ich zu acht Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet, und so bleibt mir oft keine andere Möglichkeit, als die Projekte für meine Aufträge, die nichts mit dem Museum zu tun haben, spät abends oder in der Nacht zu schreiben. Wozu es nicht kommt, wenn ich als Delegierter des Museums auf Reise geschickt werde und nur tagsüber auf der jeweiligen Baustelle arbeiten kann, die niemals länger als zehn bis zwölf Stunden offengehalten wird.

Durch welche Ausbildung sind Sie gegangen, und was für eine Bildungserfahrung wünschen Sie Jüngeren, die sich aktuell als Restaurateure schulen lassen oder es noch vorhaben?

Nach meiner Schulzeit am Kunstgymnasium in Râmnicu Vâlcea habe ich an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt (ULBS) studiert. Zu der Zeit, als das Grundstudium noch fünf Jahre dauerte und nicht auf drei Jahre komprimiert worden war. Das bedeutete viel mehr Raum als heutzutage für Praktika in den Laboratorien des Astra-Museums und des Brukenthalmuseums, und dadurch eine Orientierungshilfe für die nach dem Studium folgende Wahl von Beruf und Arbeitsplatz. An der ULBS besteht heute die Option zu nochmal zwei Jahren für den Masterstudiengang, aber leider ist der alternativlos, weil er nur für das Restaurieren von polychrom bemaltem Holz ausbildet.

Ausbildungen für weitere Spezialdisziplinen von Restauration sind vielleicht an anderen Hochschulen in Rumänien wählbar. Aktuelle Informationen dazu habe ich nicht recherchiert. Steinrestaurieren hingegen kann man national nirgendwo mehr studieren, das weiß ich ganz genau. Schlecht und traurig, dass für dieses Handwerk bei uns im Land aus eigener Kraft kein Nachwuchs mehr herangebildet wird.

Überhaupt sind landesweit im Fach Restauration nur kleine Zahlen Studierender zu verzeichnen. Rechnet man hinzu, dass sehr viele Jahre Arbeit geleistet werden müssen, ehe man sich als Spezialist akkreditieren lassen darf, versteht sich auch von selbst, warum in Rumänien wirklich gute Restaurateure so schwer zu finden und stets übervoll ausgebucht sind. Nur wer fünf Jahre Beweisarbeit leistet, kann als Restaurator für mobiles Erbe akkreditiert werden, während für immobiles Erbe sogar zehn Jahre nötig sind. Ziemlich schwer also.

Man muss nicht unbedingt für bildende Kunst brennen, um für das Restaurieren von Kunst gebraucht werden zu können. Im Alltag eines Labors nämlich kommt es eher auf Geduld, Disziplin und wissenschaftliches Arbeiten an. Auf Fähigkeiten also, für die man nicht erst Schüler an einem Kunstgymnasium gewesen sein muss. Auch bei uns in den Laboratorien des Brukenthalmuseums sind Kollegen tätig, die sich das erforderliche Wissen und Können erst nach dem Abitur angeeignet haben, mit großer Ausdauer im Lernen und einer Spur Begabung zum Handwerk – die ist nicht zwingend nötig, aber nützlich.

Das Restaurieren einer Skulptur oder Statue gibt ihr ein besseres, deutlicheres und helleres Aussehen, verändert jedoch nicht ihren Gesichtsausdruck. Wie wichtig ist es dennoch, sich im Weltbild der jeweils in Stein gehauenen Person oder der Philosophie ihrer Zeit auszukennen?

Grundsätzlich ist es wichtig, allgemein so weit wie möglich gebildet zu sein. Nicht nur was die bildende Kunst angeht, sondern auch in der Lyrik, in der visuellen Kunst, in der Musik und der Philosophie. Denn all das brauchen wir für unsere kulturelle Identifikation. Und die ist eben stets Veränderungen unterworfen. In der Kleidermode wie im Musikbetrieb. Hits, die früher vor Jahrzehnten hoch im Kurs standen, waren am Geist ihrer Epoche dran und sind für bestimmte Strömungen und Tendenzen der Vergangenheit charakteristisch.

In der bildenden Kunst ist das genauso: Meist genügt schon ein kurzes Hinschauen, um zu erkennen, wie die Welt damals rings um das zu restaurierende Werk ausgesehen haben kann und muss. Wie waren die Armeen ausgerüstet und aufgestellt, was für eine Musik wurde gespielt und wie überhaupt wurde gesellschaftlich gelebt? Fragen, deren Antworten sich im Kunstwerk widerspiegeln. Deswegen ist es wichtig, zwischen der Antike, dem Mittelalter, dem Barock und der Renaissance zu unterscheiden.