Klimaangst!

Der neue Stress der jüngeren Generation

In Rumänien beschränken sich die Diskussionen zu Klimaangst aus sozial-wirtschaftlichen Gründen derzeit eher auf das Milieu der Klimaaktivisten. Hierzulande noch etwas „Exotisches“, sorgt das Thema jedoch in manchen Ländern seit den letzten Jahren immer öfter für Schlagzeilen.  Dies insbesondere wegen der langfristigen Folgen, die Klimaangst auf die Psyche eines immer größeren Bevölkerungsanteils, besonders der Jugend, zu haben scheint. 

Persönliche Erfahrungen mit Unwettern und immer wiederkehrende Medienberichte über ausgedehnte Waldbrände, andauernde Dürren, Tsunamis und sonstige Flutkatastrophen, Tornados in bisher davon nicht betroffenen Gebieten, ungewöhnlich langanhaltende Vulkanausbrüche (natürlicher Ursache, doch selbst belastend fürs Klima), immer wärmere Sommertage und andere extreme und in der Vergangenheit unübliche Naturphänomäne brennen sich zusehend in das Bewußtsein vieler Menschen ein. 

Allein die 565-prozentige Zunahme klimarelevanter Begriffe auf der Suchmaschine Google seit Jahresbeginn verdeutlicht eine erhöhte Aufmerksamkeit gegen-über diesen neuen Gefahren. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich immer mehr Menschen durch lebensbedrohliche umweltbezogene Zukunftsszenarien verunsichert fühlen.

Was ist Klimaangst?

Der Amerikanische Psychologieverband (APA) hat im Jahr 2017 den Begriff „Klimaangst“ - englisch „eco-anxiety“ oder „environmental anxiety“, bzw. rumänisch „eco-anxietate“ – als „chronische Angst vor Umweltkatastrophen, die sich aus der Beobachtung der scheinbar unwiderruflichen Auswirkungen des Klimawandels und der damit verbundenen Sorge um die eigene Zukunft und die der nächsten Generationen ergibt“ definiert.     

Andere Psychologen haben unterschiedliche Begriffe geprägt, die jedoch auf dieselben psychologischen Auswirkungen der Umweltveränderungen zurückgehen. Arktis- und Klimaforscherin Ashlee Cunsolo vom Labrador Institute an der Memorial University in Kanada sprach 2018 über „ökologische Trauer“, der australische Umweltphilosoph Glenn Albrecht prägte 2005 den Terminus „Solastagie“ als erlebte Erfahrung umweltbedingter Veränderungen einer vertrauten heimatlichen Landschaft.  

Psychische Belastung

Aufgrund der immer häufiger und immer heftigeren Umweltkatastrophen greift Klimaangst immer mehr um sich, wie Psychologen allgemein feststellen. „Klimaveränderungen haben deutliche Auswirkungen auf die Psyche“, erklärte im März 2021 Nancy Piotrowski, Vertreterin der Gesellschaft für Umwelt-, Bevölkerungs- und Naturschutzpsychologie innerhalb der APA, bei der Vorstellung der letzten Studie zu den psychischen Auswirkungen der Klimakrise. Sie wiederholt damit, was die Fachzeitschrift „The Lancet” zusammen mit dem Institut für globale Gesundheit innerhalb der Universität London bereits im Jahr 2009 feststellte: Im 21. Jahrhundert stellt der Klimawandel die größte Gefahr für die globale – insbesondere die psyschische – Gesundheit dar.

Obwohl Klimaangst derzeit noch nicht als eigenständiges psychisches Leiden eingestuft wird, wurden ihre Auswirkungen sehr wohl von der Psychologie studiert und beschrieben: Sie äußert sich in Wut, Verzweiflung, Angstgefühlen, Machtlosigkeit, woraus sich Schlaflosigkeit, Stoffwechselstörungen, Essstörungen, Stress und sonstige psychische Leiden entwickeln können. Entsprechend wird Klimaangst wie Depression, Verzweiflung oder generelle Angstgefühle therapiert.

Die Gründe für Klimaangst…

...sind komplex. Einer-seits sind es unmittelbar Betroffene, also Flüchtige vor Vulkanausbrüchen oder Waldbränden, Opfer von Überflutungen oder aber Personen, die in potentiell gefährdeten Gebieten leben, beispielsweise an der Meeresküste, wo ein Anstieg des Wasserpegels auf Grund der globalen Erwärmung in nächster Zukunft ihr Haus überfluten würde. Auch bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel Einsatzkräfte bei Katastrophen, sind der Klimaangst eher ausgesetzt als andere. 

Andererseits sind es interessierte und informierte Personen, die beispielsweise den sechsten IPCC-Sachstandsbericht gelesen haben – wonach die Anzahl der Google-Suchen nach dem Begriff „Was kann ich gegen den Klimawandel tun“ um 2600 Prozent gestiegen ist. 
Hinzu kommen natürlich auch die wiederkehrenden Medienberichte zu den bis vor Kurzem noch unüblichen Klimaveränderungen, die sich im Unterbewusstsein einprägen und zu einer manchmal unbemerkten psychischen Belastung werden.

Das Phänomen wird auch mit der Hilflosigkeit verbunden, nichts gegen die seit Jahren angesprochene Klimakrise tun zu können sowie mit der Wut gegenüber der Politik und globaler Unternehmen, die anscheinend nichts oder sehr wenig gegen den Klimawandel tun. Die Menschen fühlen sich aber auch deswegen hilflos, weil sie keinen konkreten Ansprechpartner haben, bzw. da ihnen niemand zuhört, so der genannte Bericht.

Eine APA-Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass, obwohl 70 Prozent der Teilnehmer sich wünschten, mehr für die Umwelt tun zu können, knapp 50 Prozent nicht wissen, was sie konkret unternehmen können – was wiederum zur Frustration und Depression führt.
Die Frustration steigt weiterhin dadurch, dass der Klimawandel eigentlich vermieden hätte werden können. Das Problem haben wir selbst hervorgerufen und somit können wir die Schuld nicht auf ein natürliches Ereignis schieben, das außerhalb unserer Kontrolle liegt, erklärt Thomas Doherty (APA).

Die jüngere Generation…

...welche die Welt von heute erbt, empfindet die Zukunft als „beängstigend“. Dies ergab die größte internationale Studie zum Thema Klimawandel, mit über 10.000 Teilnehmern zwischen 16 und 25 Jahren, die im Fachblatt „Lancet Planetary Health“ am Anfang des Jahres veröffentlicht wurde. 60 Prozent der Befragten gab an, unter Klimaängsten zu leiden und 45 Prozent erkärten, dass der Klimawandel ihren Alltag wenigstens indirekt beeinträchtigen würde. Knapp zwei Drittel der Befragten meinten, dass die Regierungen nicht genug tun würden, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Die Studie erstelle ein „erschreckendes Bild der weit verbreiteten Klimaangst bei jungen Menschen“, erkärte Caroline Hickman, Co-Leiterin der Studie. 

Hinzu kommen die Schätzungen der UNICEF, gemäß deren jedes zweite Kind weltweit infolge der Klimakrise „extrem gefährdet” sei. 

Des Weiteren zeigte eine Studie des Pew Research Centers in Washington, dass  drei Viertel der 20.000 Befragten aus entwickelten Ländern Angst haben, dass der Klimawandel ihr eigenes Leben negativ beeinflussen wird. Knapp 40 Prozent der Befragten äußerten Bedenken, eigene Kinder in eine derartige Welt zu setzen.

Die Situation in Rumänien .…

... und wahrscheinlich auch in vielen Entwicklungsländern scheint aber noch anders zu sein. „Derzeit ist die wirtschaftliche Entwicklung wichtiger“, erklärte in einem Interview für Europa Libera Tudor Arpad, Lektor an der Fakultät für politische und administrative Studien (SNSPA) und Koordinator des Master-Programms für Umweltstudien und nachhaltige Entwicklung. In einer Studie zur Lebenseinstellung junger Leute stellte Arpad fest, dass 78 Prozent der Befragten die eigene Zukunft eigentlich optimistisch betrachten. Nur knapp die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, dass verpflichtende Vorlesungen zum Klimawandel wichtig seien und nur 30 Prozent hatten jemals an derartigen Vorlesungen oder Aktionen teilgenommen. Gründe für diese unterschiedliche Auffassung zu Klimathemen im Vergleich zu den Bewohnern von klassischen Wohlstandsländern ist die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, sowie die Tatsache, dass noch keine gravierende Klimakatastrophe in Rumänien stattgefunden hat. Die Anzahl der an diesem Thema interessierten Menschen steigt jedoch mit jedem Jahr, auch wenn sie immer noch weit entfernt ist von den entwickelteren Ländern. 

Empfehlungen gegen Klimaangst

Die Psychologengruppe „Psychologists for the Future“ empfiehlt in erster Linie, ein derartiges Angstgefühl anzuerkennen und falls nötig, Hilfe aufzusuchen. Genau wie Depression oder Anxietät kann auch Klimaangst behandelt werden. 

Gleichzeitig sei ein proaktives und verantwortliches Handeln empfehlenswert, um auch langfristig die Umwelt tatsächlich zu erhalten – und zwar von selektiver Mülltrennung bis hin zur Reinigung der Flüsse und Wälder oder zu Gemeinschaftsprojekten zum Umwelt- oder Katastropenschutz, die einen Sinn für Stabilität und Sicherheit vermitteln. 

Es sei wichtig, einen gesünderen Realismus sich selbst und der Umwelt gegenüber zu pflegen. Außerdem sollte ab und zu eine „Nachrichtenpause“ eingelegt werden, empfiehlt Malte Klar, Psychologe und Mitglied der „Psychologists for the Future“.

Auf einer höheren Ebene müssen Politik und Wirtschaftsträger nachhaltiger denken lernen und einen stärkeren Beitrag zur Umweltschonung und somit zur Minderung des klimabezogenen Angstgefühls leisten. Je mehr Bürger dies explizit verlangen und durch ihr Konsumverhalten unterstreichen, umso höher ist der Druck, diesen „unbequemen“ Forderungen von Wählern oder Kunden nachzugeben.