Kommuniqué-Duell um Karpatenwälder

WWF reichte beim Österreichischen Bundesamt für Wald gegen Holzindustrie Schweighofer Beschwerde ein

Symbolfoto: freeimages.com

Mit einem Kommuniqué, das sie mit „Wien/Washington D.C./Bukarest“ lokalisieren, meldeten sich vergangene Woche drei Nichtregierungsorganisationen im Umweltschutzbereich in der Öffentlichkeit zu Wort. Sie resümieren darin eine Pressekonferenz, die sie in Wien einberufen hatten und wo die amerikanische Environmental Investigation Agency (EIA), die rumänische AGENT GREEN und der global agierende World Wide Fund for Nature (WWF) in Berichten und visuellem Dokumentationsmaterial den Raubbau an den rumänischen Karpatenwäldern anprangerten. Einen Tag darauf hatten die drei NGOs, zusammen mit weiteren rumänischen Umweltschutzorganisationen, eine Pressekonferenz in Bukarest einberufen. In erster Linie ging es der EIA „um neue Beweise zu den Geschäftspraktiken des österreichischen Unternehmens `Holzindustrie Schweighofer´ in Rumänien.“ Schweighofer wird beschuldigt, „große Mengen von illegal geschlagenem Holz aus Rumäniens Wäldern hauptsächlich zu Schnittplatten und anderen Halbfertigprodukten sowie zu Heizmaterial zu verarbeiten und in der EU zu verkaufen.“ Dazu Alexander von Bismarck, Direktor der Environmental Investigation Agency, wörtlich: „Schweighofer ist einer der größten Holzkonzerne Europas und dabei leider auch einer der größten Treiber für illegalen Holzeinschlag in Rumänien“. Dem österreichischen Konzern werfen die drei NGOs die Übertretung der Europäischen Holzhandelsverordnung (EUTR) vor und fordern vom österreichischen Bundesamt für Wald „die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gegen Schweighofer“.

Gründliche Nachforschungen und Überprüfungen

Im Frühjahr dieses Jahres machten zwei Video-Aufnahmen weltweit die Runde, die von EIA und AGENT GREEN gedreht und verbreitet wurden. Die Amerikaner zeigen zwei mit versteckter Kamera gefilmte Manager von Schweighofer Rumänien, wie sie sich bereit erklären, „illegales Holz“ zu übernehmen und dafür sogar Bonuszahlungen anbieten. AGENT GREEN filmte, ebenfalls mit versteckter Kamera, in einem Nationalpark in Westrumänien einen vollbeladenen Holzlaster, der bis zum Tor von Holzindustrie Schweighofer verfolgt wurde, wo er die ohne Papiere geschlagene „Ware“ ablieferte. Das Unternehmen behauptete umgehend, nie aus Nationalparks geschlagenes Holz übernommen zu haben. In den darauf folgenden Monaten hat AGENT GREEN eine ganze Reihe von Fällen von illegalem Holzschlag in Nationalparks oder anderen geschützten Gebieten und die Lieferung des Holzes an `Holzindustrie Schweighofer´ dokumentiert.

Währenddessen hat EIA binnen „zwei Jahre(n) Nachforschungen“ seinen in Wien erstveröffentlichten Bericht über den Raubbau in den rumänischen Wäldern verfasst. Aufgezeigt werden darin „die enormen Ausmaße der Zerstörung“ des rumänischen Waldbestands sowie „die gewaltigen Mengen an illegalem Holz“ beschrieben, „die in Schweighofers rumänischen Sägewerken“ landen. Laut EIA sind in den vergangenen Jahren 50 Prozent des rumänischen Holzeinschlags illegal gewesen, darunter gab es „Einschläge in Nationalparks, Kahlschläge, Überschreitungen der Mengen, den Gebrauch gefälschter Papiere, und geschlagenes Holz auf Land, das nicht rechtmäßig restituiert wurde“. Selbst die Regierung Rumäniens gebe zu, heißt es im EIA-Bericht, dass „20 Prozent von den öffentlichen Waldflächen nach der Wende illegal restituiert“ wurden, „anstatt sie den rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben.“ Zudem rekonstruiert EIA den Weg mehrerer Ladungen frisch geschlagenen illegalen Holzes, das „entweder auf dem Weg zu Schweighofers Verarbeitungsfabriken war, oder dort endete.“

Profitmaximierung statt Nachhaltigkeit

Gabriel Păun, Direktor von AGENT GREEN, eine rumänische Umweltschutzorganisation, die eng mit den Amerikanern von EIA und dem WWF zusammenarbeitet, leitete seine Stellungnahme mit folgendem Satz ein: „Meiner Meinung nach erleichtern Strukturen der organisierten Kriminalität den Fluss von illegal gefälltem Holz zu den europäischen und globalen Märkten.“ Weiters sagte der AGENT GREEN-Direktor in Wien: „Bisher waren weder die EU-Vorschriften noch die nationalen Gesetze imstande, diese illegalen Aktivitäten zu verhindern. Daher besteht ein hohes Risiko beim Kauf von Holzprodukten aus vielen rumänischen Regionen. Europas letzte intakte Waldflächen stehen auf dem Spiel, darunter auch zwei Drittel der Urwälder, in denen heute noch die größten europäischen Populationen von Braunbären, Wölfen und Luchsen in freier Wildbahn leben.“

EIA warf Schweighofer in Wien auch vor, die Möbelindustrie in Rumänien kaputtgemacht, die Preise in die Höhe getrieben und die Holzvorräte aufgekauft zu haben. Solche Vorwürfe hat die ADZ wiederholt mit Berichten untermauert, mit Beispielen, etwa, dass ein Banater Hersteller von Holzbau-Unikaten sich außerstande erklärt hat, in Rumänien zu vernünftigen Preisen seinen Holz-Rohstoff ankaufen zu können und deshalb sein Holz aus Österreich importiert...
Ex-Umweltministerin Doina Pană sprach vom Verlust von 50.000 Arbeitsplätzen in der Möbel- und Holzverarbeitungsindustrie, seit Schweighofer in Rumänien tätig ist.

Urwälder in Heizöfen

„Es liegt auf der Hand, dass nur höherwertige Holzprodukte weitere Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum für die Kommunen und ein erhöhtes Steueraufkommen für den Staat schaffen können“, sagte Csibi Magor, WWF-Direktor für Rumänien. „Stattdessen wurde der Markt von großen Unternehmen übernommen, die die Gesetzeslücken im Land ausnützten und ein Wirtschaftsmodell etablierten, das sich nur auf die Profitmaximierung konzentriert. Nachhaltigkeitskriterien zur Erhaltung der Wald-Ökosysteme wurden einfach ignoriert.“ Zur Erhaltung des „Systems Schweighofer“ in Rumänien habe die Firma versucht, ein neues Forstgesetz zu verhindern. Es hat hauptsächlich vor, den Einfluss einzelner Unternehmen auf dem rumänischen Holzmarkt zu beschränken. Geschäftsführer Gerald Schweighofer hatte in einem Brief an Premierminister Ponta gedroht, den Staat vor internationalen Gerichtshöfen zu verklagen und alle 2900 Schweighofer-Beschäftigten zu entlassen, wenn dieses Gesetz nicht zurückgezogen wird.

Csibi Magor: „Der WWF kämpft seit vielen Jahren für die Erhaltung der Urwälder in den Karpaten, mit ihrer einzigartigen Artenvielfalt, und fordert z. B., dass 25.000 Hektar der letzten Urwälder zum UNESCO-Welterbe erklärt werden.“ Und an das Österreichische Bundesamt für Wald gewandt, in Anbetracht des Vorwurfs der Übertretung der Europäischen Holzhandels-Verordnung (EUTR) durch Schweighofer, sagte Andrea Johanides, die WWF-Geschäftsführerin: „Heute aber fordern wir die rasche und lückenlose Aufklärung aller in unserem Bericht erhobenen Vorwürfe. Sonst gehen die letzten Urwälder Südeuropas in wenigen Jahren für die Profite multinationaler Unternehmen als Pellets im Rauch der Heizöfen auf.“ Der WWF unterstreicht auch, dass die EUTR nachbesserungsbedürftig ist, zumindest im Bereich der Strafen für Übertretungen, die noch nicht wirklich abschreckend seien.

Umweltschützer sind ignorante Laien

Rumänien besitzt heute noch, nach Schätzungen der Naturschützer, rund 218.000 Hektar wertvolle Naturwälder. Laut einer Studie der rumänischen Regierung, die zu Zeiten von Umweltministerin Doina Pană ausgearbeitet wurde, hat Rumänien in den letzten 20 Jahren durch illegalen Holzeinschlag 80 Millionen Kubikmeter Holz im Wert von rund fünf Milliarden Euro verloren. Dazu die NGOs: „Die Firma ´Holzindustrie Schweighofer` ist natürlich nicht der einzige Marktteilnehmer in Rumänien, aber sie ist bei Weitem der größte Player am Markt. Sie muss daher nicht nur gesetzliche Regelungen einhalten, sondern sollten auch eine moralische Verantwortung tragen.“ Unter Federführung von Theresa Willmann (Schweighofer-Gruppe) und Jürgen H. Gangoly (The Skills Group) kam umgehend eine Replik der beschuldigten Firma. Man spricht von einem „Bericht über Missstände im Forstwesen in Rumänien“ und verallgemeinert damit sofort die Angriffsfront der NGOs. Der Bericht versuche, „eine Verstrickung von ´Holzindustrie Schweighofer` in ungesetzliche Handlungen darzustellen, wo es bei Sachkenntnis und genauer Betrachtungsweise der Fakten gar keine solchen Handlungen und Ungesetzlichkeiten gibt“.

Damit sind die gewohnten Weichen gestellt im Verteidigungsplädoyer der Holzindustrie und des (rumänischen) Forstwesens im allgemeinen. Kurz und radikal ausgedrückt: Die Umweltschützer wissen nicht, was sie behaupten (fehlende „Sachkenntnis“), haben keine Ahnung von dem, was sie sehen und konstatieren („genaueres Betrachten“) und im Forstwesen und in der Holzindustrie sei eigentlich alles ganz anders und völlig legal (keine „solchen Handlungen und Ungesetzlichkeiten“). Das sind auch die Argumente der rumänischen Forstleute, wenn sie an ihre Verantwortung erinnert werden: Sie tun nur ihre Pflicht, und was die Umweltschützer vor Ort sehen, sei einfach ohne jede Bedeutung. Vielleicht ist gerade diese (Schutz)Haltung von Holzverarbeitern und Forstleuten die Basis für die von Gabriel P²un eingangs erwähnten „Strukturen der organisierten Kriminalität“? Nur: Die Wälder Rumäniens verschwinden in rasantem Tempo, legal und illegal. Und das kann nicht weggeredet werden.

„Sachlich und inhaltlich unrichtig“

Den Umweltschützern wird vorgeworfen, dass bei Transporten von Rundhölzern „die gesetzlich gar nicht vorgeschriebenen Transportstempel“ fehlen, dass aber die Hölzer vor Ankunft bei „Holzindustrie“ von 12-Meter-Stämmen auf Vier-Meter-Stücke zerlegt werden, wobei die Schnittflächen nicht neu gestempelt werden. Fotos, wo Markierungen der Baumstämme fehlen, zeigen diese angeblich bloß von der falschen Seite. Videomaterial sei „zusammengeschnitten“. Alles in allem handle es sich „somit um sachlich und inhaltlich“ unrichtige Vorwürfe der Umweltschützer „und eine Desinformation der Medien und Öffentlichkeit.“ „Wir sind uns der Problematik bewusst, dass es in Rumänien illegale Schläge gibt“, gesteht die Firma, man kaufe „jedoch nur Holz aus legalen Quellen.“ Herkunftsdokumente werden mit den staatlichen Datenbanken abgeglichen und an den Werkstoren herrsche „strenge Kontrolle“. Zudem: die „rumänische Restitutionsthematik“ sei kein „Schweighofer-Problem“.

Bezüglich der „anerkannten Umweltschutzorganisationen“ räumt „Schweighofer“ ein, dass die Quellen angeblicher Desinformation auf „nicht immer seriös arbeitende Einzelaktivisten“ zurückzuführen wären, die sie „medial instrumentalisieren, ohne vorab die tatsächliche Fakten- und Gesetzeslage zu überprüfen.“ Zu Dialog und Kooperation sei „Schweighofer“ bereit mit „allen Umweltschutzorganisationen“, die ein Interesse an der „Umsetzung von Projekten zur Verbesserung der Situation des Waldes in Rumänien haben.“ Eine alte Forderung von „Schweighofer“ sei, „eine Verbesserung der behördlichen Kontrollmaßnahmen, um schwarze Schafe und Systemfehler aufzudecken und bekämpfen zu können.“

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„Holzindustrie Schweighofer“
ist Teil der Schweighofer-Gruppe und hat seine Wurzeln in einem österreichischen Familienbetrieb mit mehr als 400 Jahren Erfahrung in der Holzverarbeitung. Heute ist die Gruppe in der Holzindustrie tätig, in der Zellstoffproduktion, Forstwirtschaft, Bioenergiegewinnung und im Immobilienbereich. „Holzindustrie Schweighofer“ nahm das erste Sägewerk in Rumänien 2003 in Betrieb. Inzwischen ist die Firma führend in der europäischen holzverarbeitenden Industrie und hat rund 2880 Mitarbeiter in den Werken in Rumänien – drei Sägewerke, ein Tischlerplattenwerk und ein Leimholzplattenwerk. Im dritten Quartal 2015 ging das sechste Schweighofer-Werk in Rumänien in Betrieb, das Sägewerk in Reci. Im Oktober wurde der Kauf eines modernen Sägewerks in Deutschland (Kobersdorf, Sachsen) abgeschlossen. Das Unternehmen ist auch in Tschechien, Bulgarien und der Ukraine aktiv.