Komplette logistische Lösungen aus Zeiden

Gespräch mit Dorin Șaramet, Geschäftsführer „Lingemann Beschaffungssysteme SRL“

Geschäftsführer Dorin Șaramet vor einem in Zeiden hergestellten Warenausgabe-Automaten

In einer angemieteten Werkhalle werden die Ausgabeautomaten hergestellt. Fotos: Ralf Sudrigian

Dorin Șaramet (50) ist Geschäftsführer der vor nun bald zwölf Jahren in Zeiden/Codlea gegründeten Niederlassung der Lingemann GmbH, die in Brühl (Deutschland) ihren zentralen Sitz hat. Er besuchte in seiner Geburtsstadt Zeiden Kindergarten und die Schulklassen I-VIII in deutscher Sprache, war anschließend Schüler des Kronstädter Lyzeums für Mathematik und Physik Nr. 1 (heute Colegiul Național de Informatică „Grigore Moisil“) und hat Mathematik und Informatik studiert. In dem mit dem ADZ-Journalisten Ralf Sudrigian geführtem Interview beschreibt Șaramet das an heutige Standards im Bereich Logistik und Beschaffung angepasste Profil der Zeidner Lingemann-Filiale und geht auch auf die soziale Verantwortungen ein, die solch ein Unternehmen übernehmen sollte.

In welchem Bereich ist Lingemann tätig?

Die Firma Lingemann wurde 1946 in Deutschland gegründet und war damals ein Bosch-Elektrohändler. 1999 hat sie der heutige Geschäftsführer Alexander Pawel übernommen. Heute liefert sie nicht nur Produkte, sondern auch Systeme. Wir nennen uns „Integrated Supplier“, das heißt, wir liefern unseren Kunden alles, was man unter C-Teilen versteht. Das sind Produkte in Bereichen von Reinigung und Bürotik bis Arbeitsschutz und komplexe Ersatzteile – alles was man in einem Werk braucht, was aber nicht auf dem Endprodukt bleibt, also Beschaffung von Non-Production-Teilen.

Welches ist der Unterschied zwischen Einkaufen und Beschaffen?

Es gibt ziemlich große Unterschiede. Der erste ist, dass eine große Firma zunächst alles einkauft, was sie für die Produktion benötigt. Was macht Lingemann? Unsere Firma sichert alle Teile für die Produktion und beweist dann auch, dass unser Einkauf billiger ist. Wir reden mit den Ingenieuren, mit den Verantwortlichen vom technischen Einkauf. Zum Beispiel haben wir für einen Partner von uns aus Arad die Lager übernommen. Die kaufen jetzt zum selben Preis wie früher, aber sie haben Lagerbestände, also müssen sie nun nichts mehr bezahlen, außer dem, was sie auch wirklich verbrauchen. Außerdem haben sie die ehemalige Lagerhalle für die Produktion aufgestellt. Wir liefern komplette logistische Lösungen und, vor allem, wir liefern sehr gute technische Lösungen. Ein weiteres Beispiel: Bei einem anderen Kunden haben wir das Material des Förderbandes ersetzt – statt aus Gummi ist es jetzt aus Metall. Es hat zwar doppelt so viel wie das Gummiband gekostet, aber es wird jetzt wahrscheinlich alle zehn Jahre ersetzt, und nicht, wie bisher, alle zwei Monate.

Sie stellen auch Ausgabe-Automaten her. Um was handelt es sich dabei?

Der Warenausgabe-Automat ist ziemlich einfach. Es handelt sich eigentlich um ein Kleinlager, das kein Bedienungspersonal benötigt und das rund um die Uhr zugänglich ist. Jeder der diesem Automaten etwas entnimmt, muss sich vorher einloggen mit seinem Chip, mit dem er auch Zugang zum Werk hat. So weiß man ganz genau, wann und wo und was diese Person entnommen hat. So kann man in die Buchhaltung per Kostenstelle alle Daten eingeben. Die große Einsparung ist, dass man genau weiß, was verbraucht wurde, wenn man etwas aus dem Automaten entnimmt und verbraucht. Alles wird direkt bei der Kostenstelle verbucht. Dieser ganze Weg, von dem Lager bis zur Verbuchung, wo früher Papiere zwischen vier, fünf Leuten verschickt wurden, der entfällt nun. Der Automat sichert immer eine Mindestmenge und weiß genau, bis wann der Vorrat reicht. Er bestellt rechtzeitig per Internet den neuen Bestand. Geschickt werden verschiedene Listen an verschiedene Leute mit der Mitteilung: „Ich brauche das und das!“ Wenn der Automat die Ware nicht bekommt, merkt er das und teilt einer höheren Stelle mit: „Die Ware steht nicht zur Verfügung!“

Wieso wurde Zeiden als Standort gewählt?

Die rumänische Filiale sollte ursprünglich nach Temeswar/Timișoara kommen, da dort ein Hauptkunde seine Einkaufszentrale für Osteuropa hatte. Ich habe jedoch meinem Vorgesetzten gesagt: „Ich will nicht nach Temeswar. Wenn wir was machen, dann will ich etwas für meine Stadt tun und zum Beispiel die Steuern an Zeiden überführen. Aber nicht nur deswegen. Kronstadt/Brașov ist ja in der Mitte des Landes gelegen. Mittlerweile haben wir Niederlassungen in Temeswar und Arad. Die zentrale Lage war ein wichtiges Argument für Kronstadt oder Hermannstadt/Sibiu. Wir liefern heute aus Rumänien nach Ungarn, Nordmazedonien, Serbien und Moldawien.
Wir verfügen auch über einen eigenen Fuhrpark, den wir nur intern, in Rumänien einsetzen. Bei Auslandslieferungen arbeiten wir hauptsächlich mit Logistikfirmen zusammen, weil es viel billiger ist. 
Die Zeidner Niederlassung wurde im Mai 2008 gegründet. Wir haben mit 300.000 Euro Umsatz und mit fünf Leuten angefangen. 2019 hatten wir einen Umsatz von knapp 11.000.000 Euro; im Bereich Beschaffungssystem sind heute 58 Leute tätig.

Es wäre für Sie viel leichter, wenn Kronstadt an eine Autobahn angebunden wäre…

Was wäre dazu noch zu sagen? Autobahn und Flughafen in Kronstadt würden dazu führen, dass die ganze Region sich viel besser entwickeln würde. Vor Jahren bin ich nach Hermannstadt gefahren und von dort nach Temeswar geflogen. Heute ist es ja viel besser, denn es gibt die Autobahnverbindung Hermannstadt – Temeswar, sodass die Fahrzeit in vier Stunden bewältigt werden kann. Das Fehlen einer entsprechenden Verkehrsinfrastruktur macht uns auch heute noch zu schaffen. Die Autobahn von Hermannstadt nach Kronstadt und von Kronstadt nach Bukarest ist eine absolute Notwendigkeit. Fast überall, wo ich war, sind die Hauptstädte und die Großstädte an Autobahnen angebunden. Ich glaube, Rumänien ist heute das Land, das die meisten Großstädte ohne Autobahnen hat. Ein Grund, warum die Moldau und der Süden des Landes wirtschaftlich nachhinken, ist eben, weil sie keine Autobahnen haben.

Wie sichern Sie sich die notwendigen Arbeitskräfte?

Wir suchen unsere Mitarbeiter via Internet, e-Jobs oder Bekannte. Selbstverständlich schulen wir sie ein. Beim Beschaffungssystem ist die Schulung mehr theoretisch und ist auch nicht so kompliziert. Bei der Produktionsabteilung (dort werden die Ausgabe-Automaten hergestellt) ist es schon etwas problematischer. Wir haben „Glück“, dass die Industrie nicht mehr so gut läuft wie früher und dass man deshalb leichter Fachleute findet. Hinzu kommt, dass wir nicht viele Mitarbeiter brauchen. Mittlerweile ist das Problem der Sicherung von qualifizierten Arbeitskräften so groß, dass manche Firmen gar nicht mehr in unser Gebiet gekommen sind, weil es an Arbeitskräften mangelt.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Behörden?

Was die Steuerabgaben betrifft, gibt es eigentlich in Rumänien nichts zu klagen. Auch die Beziehungen zu anderen Behörden sind besser geworden, was den Mittelstand betrifft, zu dem auch Lingemann gehört. Sie sind nicht mehr so aggressiv wie früher. Das Problem ist, dass man sehr viele Papiere braucht. Du wirst von Papieren überhäuft. In diesem Sinne sind wir gar nicht „grün“, weil wir jeden Monat Unmengen von Papieren produzieren. Vieles sollte elektronisch gehandhabt werden. Aber es wird besser, vieles geht jedoch vielleicht zu langsam voran.

Wie bringen Sie sich im Deutschen Wirtschaftsklub Kronstadt ein?

Ich bin schon seit mehr als acht Jahren Vorstandsmitglied im DWK. Wir wollen beweisen, dass die deutschen Firmen in unserer Region etwas zu sagen haben. Wir haben uns sehr viel auch sozial impliziert, zum Beispiel bei der Gründung der Dualen Berufsschule Kronstadt. Lingemann war von Anfang an mit dabei. Ich selber war ein Jahr als Verantwortlicher für das DWK-Berufswahlprojekt „Fit for future“ eingebunden. Es gab auch die Frage an uns: „Was sucht ihr bei der Berufsschule; ihr braucht ja keine Schüler von hier!“ Wie aber auch ein Vizepräsident eines großen deutschen Konzerns uns anlässlich eines Rumänienbesuchs ermahnte, müssen wir als Führungspersonal wichtiger Unternehmen nicht nur für die Konzerne Geld erwirtschaften, sondern auch für Stadt und Land. Wir müssen etwas zurückgeben. Wir haben schöne Autos, haben dicke Löhne, reisen überall in der Welt umher. Als Unternehmer oder Manager darfst du aber nicht vergessen, auf deine Nachbarn, auf deine Stadt, auf deine Umwelt zu schauen. Wir dürfen nicht nur klagen oder wegschauen, wir müssen eingreifen und auch unsere Kinder in diesem Sinn erziehen. Ich möchte diesbezüglich an ein treffendes Zitat von Edmund Burke erinnern, das wie folgt lautet: „Nichts anderes braucht es zum Triumph des Bösen, als dass gute Menschen gar nichts tun.“

Ich habe auch mit unserem Firmenchef gesprochen und er ist ebenfalls der Meinung, es wäre an der Zeit, dass Zeiden und die Zeidner merken, dass sie durch Lingemann auch etwas für Stadt und Region abbekommen. Ein konkretes Beispiel: Wir haben bei uns Arbeitslose angestellt, rund 15 – 20. Dafür bekommt man vom Staat eine finanzielle Hilfe. Wir haben diese Hilfe nicht angenommen. Deswegen hatten wir sogar eine Kontrolle von dem für Arbeitslose zuständigem Amt, weil es dort zunächst verdächtig schien, auf dieses Geld zu verzichten.
Was die politische Tätigkeit betrifft, so bin ich aus eigener Erfahrung zur Überzeugung gelangt, dass es besser ist, politisch unabhängig zu bleiben, also keiner Partei beizutreten. Unsere Firma ist aber Mitglied in der Gruppe für lokale Initiativen (GAL Codlea). Wir helfen Schulen, beteiligen uns an Spendenkampagnen. Wir tun schon vieles, aber nicht im politischen Sinn.

Vielen Dank für das Gespräch!