Kulturhauptstadt-Krise „über Rumäniens Grenzen hinausgewachsen“

Vereinsdirektorin Neumann sieht einen einzigen Schuldigen: Bürgermeister Fritz

Temeswar (ADZ) – Die noch amtierende Direktorin des Temeswarer Kulturhauptstadtvereins, Simona Neumann, hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief die Temeswarer Stadtverwaltung und vor allem Bürgermeister Dominic Fritz scharf kritisiert. Schuld an der gesamten Misere des Kulturhauptstadt-Projekts seien die gewesene und die gegenwärtige Stadtexekutive, die sich weiterhin mit ihrem Kleinkrieg beschäftigen würden, auch habe sich Bürgermeister Fritz an keine Absprache gehalten und, obwohl anders vereinbart, die Vereinsdirektorin öffentlich angegriffen. Neumann und Fritz sollen einen Waffenstillstand vereinbart haben, um dem Image der Stadt keinen weiteren Schaden zuzufügen. Fritz habe sie aber auch aufgefordert, ihren Rücktritt einzureichen, weil sie angeblich jedweden konstruktiven Vorschlag blockiere. Diese Aussage würde aber nicht der Wahrheit entsprechen, so dass sie an einen Rücktritt nicht denkt, sagte Neumann. Fritz sei derjenige, der sich nicht an die Absprache gehalten und die Kritik an den Verein und an ihr persönlich fortgesetzt habe.

Die seit Anfang 2018 von allen Beteiligten getadelte Neumann sagte ferner, dass Fritz die Wahrheit verbiege, wenn er immer wieder behaupte, dass er das Kulturhauptstadt-Projekt „im Koma“ oder „im klinischen Tod“ vorgefunden habe. Der Bürgermeister ignoriere vorsätzlich alles, was vor ihm getan wurde; dies sei aber gar nicht wenig. Auch habe die neue Verwaltung das Gesetz gebrochen, als sie eine Beratungsfirma mit der Wiederbelebung des Projekts beauftragt habe. Vor einigen Monaten hatte Fritz die ehemalige Kulturministerin Corina Șuteu und deren Beratungsfirma herangezogen, der Stadtrat hatte die entsprechende Finanzierung abgesegnet. Die Stadtverwaltung und die Beratungsfirma hätten ferner auch EU-Regeln gebrochen und würden sich mehrerer Verfahrensbrüche schuldig machen, schrieb Neumann.
Im Allgemeinen würden Fritz und seine Leute enormen Druck auf den Verein ausüben, dessen Angestellte, allen voran Neumann selbst, würden unter kaum erträglichen Stressbedingungen arbeiten müssen, man sei verunsichert und von Zukunftsängsten geplagt. Jeden Tag sei man dem Druck der neuen Verwaltung ausgesetzt, man bekäme fortwährend den Vorwurf zu hören, bislang sei kaum etwas geschehen oder die gesamte Arbeit des Vereins sei undurchsichtig und suspekt. Auch habe das Team des Bürgermeisters den Verein mit Anfragen überhäuft, so dass deren Abarbeitung einen Aufwand benötigt, der unproduktiv sei. Sie selbst und der Verein fühlten sich aufs Tiefste erniedrigt.

Hinzu käme die Tatsache, dass Ulrich Fuchs, ein deutscher Kulturmanager, der dem Vereinsvorstand angehörte, dieser Tage seinen sofortigen Rücktritt eingereicht habe und dem Vorstand nun kein ausländisches Mitglied mehr angehört. Fuchs hatte bereits im Sommer 2020 mit dem Rücktritt gedroht, damals hatte er sich mit Bürgermeister Nicolae Robu angelegt, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Vereinssatzung abändern und praktisch den Verein entmachten wollte.

Ein Tag vor der Vollversammlung, die heute stattfinden soll, befände sich der Kulturhauptstadt-Verein und das gesamte Projekt für 2023 in einer noch nie dagewesenen Krise, die mittlerweile Rumäniens Grenzen überschritten habe. Schuld allein seien der jetzige Bürgermeister und sein zum Zwecke des Neustarts gebildetes Team, so das Fazit der noch amtierenden Vereinsdirektorin.

Auf die scharfen Worte Neumanns reagierte Fritz eher verhalten. Am Donnerstagmorgen schrieb er, dass er sich auf weitere Auseinandersetzungen nicht mehr einlässt. Jedwede weitere Polemik würde der gemeinsamen Mission und dem Image der Stadt schaden; sowohl die Stadt- als auch die Kreisverwaltung und das Kulturministerium seien sich über ihre Verantwortung im Klaren und stünden im permanenten Dialog zum Zwecke der erfolgreichen Umsetzung des Kulturhauptstadt-Projekts. Der Kulturhauptstadt-Titel gehöre den Bürgern der Stadt und könne nicht von Einzelnen beansprucht werden. Nichts anderes zähle, als Ende 2023 mit Genugtuung auf das Erreichte zu blicken und dass der gemeinsame Erfolg die Stadt und ihre Zukunft bereichere, so der Bürgermeister.