Kulturhauptstadt lockt neue Lehrkraft nach Temeswar

Interview mit Frank Lembke, der seit einem Monat die Spezialabteilung an der Temeswarer Lenauschule leitet

Immer wieder muss Frank Lembke auch während des Interviews lachen und er strahlt, wenn er vom Unterrichten erzählt. Foto: privat

Abschlussfeier an der Lenauschule 2022: Sechs DSA-Schüler schrieben eine glatte Eins, davon erreichte eine Schülerin in allen schriftlichen Prüfungen die maximalen 15 Punkte, der Klassendurchschnitt lag bei 1,39 und keine Note war schlechter als 2. Zwei der Absolventen haben zudem ein DAAD-Vollstipendium für ihr Studium in Deutschland zugesprochen bekommen. Foto: Astrid Weisz

Es gab einige im Banat, die schon vor seiner Ankunft wussten, wer der neue Abteilungsleiter für die Deutsche Spezialabteilung (DSA) sein werde. Grund dafür der Artikel „Mitten in ‚Klein-Wien‘: Sottrumer Lehrer Frank Lembke zieht es mit Familie nach Rumänien“, der online auf kreiszeitung.de Ende Januar erschienen war und vielfach von Banater Landsleuten geteilt wurde. Darin ging es eben um den jungen Lehrer und seine Familie, die sich nun auf das Abenteuer Rumänien einließen. Mittlerweile sind die Lembkes seit anderthalb Monaten in Temeswar. Der 41-jährige Deutsch- und Lateinlehrer hat an den Universitäten Greifswald und Lecce (Italien) Klassische und Deutsche Philologie und Alte Geschichte studiert. Mehr über seine Arbeit an der Nikolaus-Lenau-Schule sowie das Leben in der Europäischen Kulturhauptstadt Temeswar 2023 ist folgendem Gespräch zu entnehmen, das genau einen Monat nach Dienstantritt zwischen ihm und ADZ-Redakteurin Astrid Weisz geführt wurde.

Herr Lembke, wie haben Sie von dieser Stelle erfahren, und warum haben Sie sich dafür beworben? 


Meine Frau und ich wollten schon immer mal ins Ausland gehen, und da gibt es in Deutschland das Auslandsschulwesen, wo man sich als deutscher Lehrer bewerben kann und dann nach einem längeren Auswahlprozess mit etwas Glück angenommen wird. Die Stelle in Temeswar war kurzer-hand ausgeschrieben. Wir haben uns dann informiert, über die Schule und über die Stadt, dann sind wir hier im September angereist und haben uns alles für drei Tage angeguckt. Wir waren schlichtweg so begeistert, dass ich meine Bewerbung auf diese Stelle aufrechterhalten habe.

Was hat Sie denn an Temeswar so begeistert?

Wir sind mit zwei kleineren Kindern unterwegs, und da war es uns besonders wichtig, eine Stadt zu haben, die überschaubar ist, wo es ist nicht so ein großes Gewusel und Gewimmel gibt; eine Stadt, die sicher ist, aber auch eine vernünftige Infrastruktur hat, sowie entsprechende Möglichkeiten für unsere Kinder bietet, wie deutsche Kindergärten und eine deutsche Schule. Das sind alles Faktoren, die mit eine Rolle gespielt haben. Dazu kommt natürlich das Kulturhauptstadtjahr, das uns nochmal eine besondere Motivation gegeben hat, denn diese Stadt ist einfach eine Perle.

Was hat Sie von der Lenauschule überzeugt?

Zwei Dinge: Ich kannte dieses ausgefeilte System einer deutschen Minderheitenschule nicht, wo über 80 Prozent des Unterrichts auf Deutsch läuft. Und das Höchstinteressante ist ja, dass viele der Absolventen der Lenauschule so exzellent sind, wie man sich das an einem mittelständischen deutschen Gymnasium nur wünschen würde, aber nicht davon ausgehen könnte. Diese Kombination aus der Geschichte und dem Potenzial, das die Schule zeigt, ist ausschlaggebend gewesen.

Wo und als was haben Sie bisher gearbeitet? 

Nach meinem ersten Staats-examen war ich für zwei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutsch-Italienischen Zentrum für den europäischen Dialog „Villa Vigoni“ in Loveno di Menaggio (Italien). Die Villa am Comer See ist eine renommierte bilaterale Kultur- und Wissenschaftseinrichtung, deren Träger das Bundesbildungsministerium und das italienische Außenministerium sind. Im Anschluss habe ich für zwei Semester eine Assistenzvertretung in der Latinistik an der Uni Marburg wahrgenommen. Danach bin ich für das Referendariat und mein zweites Staatsexamen nach Hamburg gewechselt. Bis zuletzt war ich dann im niedersächsischen Landesdienst als Latein- und Deutschlehrer und Koordinator für schulfachliche Aufgaben (Studiendirektor) tätig. Insgesamt habe ich bisher also neun Jahre lang Gymnasiasten in Deutsch und Latein (und ein wenig Altgriechisch) unterrichtet.

Sind Sie in diesen wenigen Wochen, seitdem Sie und Ihre Familie in Temeswar leben, auch hier angekommen?

Wir sind aus Scheeßel gekommen, einer kleinen Stadt in Niedersachsen, gebürtig komme ich aus der  Hansestadt Greifswald, an der Ostseeküste. Es ist im Nachhinein betrachtet eigentlich verwunderlich, dass erst vier Wochen seit unserer Ankunft verstrichen sein sollen, denn wir haben schon so viel erlebt, so viele Begegnungen gehabt, unsere Wohnung vollkommen eingerichtet, die Kinder sind jetzt schon in der zweiten Woche im Kindergarten, in der Eingewöhnungsphase, wir haben die Kollegen schon alle näher kennengelernt. Ich würde sagen –  „angekommen“ im Sinne von „alles durchschaut und erfasst“ sind wir nicht, aber doch so, dass wir uns vernünftig in der Stadt bewegen können. Meine Frau ist Erzieherin und ist im Moment noch mit den Kindern beschäftigt, doch hat sie vor, auch demnächst eine Stelle hier  anzutreten.

Wie läuft das Unterrichten rumänischer Schüler für Sie?

Schon in meiner ersten Unterrichtsstunde – das war Deutsch in der 10MI – ist mir aufgefallen, dass unsere Schüler ungemein interessiert und diszipliniert sind. Bislang habe ich nur freundliche und sehr zugewandte Schüler erlebt. Das Unterrichten bereitet mir hier sehr viel Freude. Natürlich bemühe ich mich mehr als in Deutschland, auch während des Fachunterrichts ein besonderes Augenmerk auf den Spracherwerb zu richten. Aufgrund mancher Interferenzen lerne ich dabei selbst in jeder Stunde sehr viel, hoffentlich nicht am meisten (lacht).

Wo steht die Deutsche Spezialabteilung heute und wo wollen Sie sie hinbringen?

Die deutsche Spezialabteilung ist von der Zentralstelle für Auslandsschulwesen eine sehr hochgelobte und anerkannte Institution, und als solche möchte ich sie auch weiterentwickeln und erstmal stabil halten. Es gab vor meiner Ankunft hier eine halbjährige Vakanz, und da ist naturgemäß einiges liegen geblieben, allein schon verwaltungsmäßig, dafür nehme ich mir im Moment die Zeit. 

Dann sind wir schon mitten im Abitur, das die nächste Priorität darstellt, um ordentlich über die Bühne zu gehen. Wir haben das erste Jahr nach längerer Zeit wieder ein zweizügiges Abitur, also zwei Klassen mit insgesamt 45 Kandidaten, die das Abi ablegen. Insgesamt haben wir also acht Klassen ab der 9. in der Spezialabteilung. Das heißt, wir sind schon eine relativ große Abteilung, mit fünf Lehrern, die hauptsächlich die Fächer Deutsch, Geschichte und Mathematik unterrichten (Fächer, die im Abitur nach deutschem System mündlich und schriftlich geprüft werden), wir erwarten noch einen Mathematiklehrer im neuen Schuljahr und haben dann die Größe der DSA des Goethekollegs in Bukarest. 

Ich denke, so in einem halben Jahr, wenn ich mich hier eingefunden und auch mit der   Schulleitung zusammen einen guten Weg gefunden haben werde, dann können wir anfangen, uns über Schulentwicklung Gedanken zu machen.

Wo sehen Sie die Rolle einer Spezialabteilung, zumal an der Lenauschule sowieso auf Deutsch unterrichtet wird?

Da ist zum einen dieser Doppelabschluss, der es unseren Schülern leichter ermöglicht, an einer Hochschule in Deutschland weiterzustudieren, zumal sie als Bildungsinländer gelten. Diese deutsche Hochschulreife ist aber auch eine Prestigesache. Wir bieten aber bis dahin auch einen Einblick in die deutsche Bildungslandschaft. Soweit ich das bisher einschätzen kann, unterscheidet sich der deutsche Unterricht in Teilen sehr von der rumänischen Unterrichtstradition, und dazu gehört auch eine gewisse Lernkultur. 

Ich glaube, dass es besonders schön ist, hier beide Lernkulturen zusammenfügen zu können, denn die Schüler haben ja auch einen erheblichen Anteil ihrer Bildung im rumänischen Unterrichtssystem. Positive Aspekte aus den beiden Lernbereichen zusammenzubekommen, das ist eigentlich ein wunderbares Laboratorium für Bildungs- und Schulpolitik.

Welche außerschulischen Projekte werden bei der DSA (in diesem Schuljahr) durchgeführt? 

Noch bis zum Sommer gibt es eine Reihe von Veranstaltungen und Projekten. Neben den jährlich wiederkehrenden Aufgaben, wie dem Betriebspraktikum der zehnten Klassen, das gerade läuft, der Fahrt des Jahrgangs 11 im Mai nach Berlin, dem Workshop des Stadtschreibers Thomas Perle und – nicht ganz unwichtig – den Abiturprüfungen, steht natürlich das Jubiläum der Lenau-Schule um den 19. Mai besonders im Fokus. 

Es sind drei große Festtage geplant, man erwartet viel und hohen Besuch aus Deutschland und Rumänien, und das wird entsprechend vorbereitet. Ich denke, dass die Öffentlichkeit in diesem Jahr noch das ein oder andere von der Lenau-Schule und der Deutschen Spezialabteilung hören wird.

Was wünschen Sie sich für sich selbst von Ihrer Zeit in Rumänien? Wie lange nehmen Sie sich vor, zu bleiben?

Ganz persönlich hoffe ich, dass meine Familie und ich hier im besten Fall so etwas wie eine zweite Heimat finden. Auf jeden Fall aber wollen wir doch von der Differenzerfahrung profitieren – das ist ja allemal persönlichkeitsbildend. Ich wünsche mir, dass meine Kinder mehrsprachig aufwachsen und sich vorurteilsfrei zwischen den Kulturen bewegen. Und selbstverständlich möchte ich am Ende ein halbwegs verständliches Rumänisch sprechen. Die Stellenbesetzung ist zunächst für drei Jahre vorgesehen. Ob wir verlängern, hängt natürlich von vielen Faktoren ab, die ich noch nicht absehen kann. Grundsätzlich hätte ich nichts dagegen.