Kuratorin setzt sich für Journalistenverein ein

Interview mit der neuen ifa-Kulturmanagerin beim Medienverein Funkforum, Teodora Talhoș

Teodora Talhoș arbeitet derzeit noch viel online aus dem Rundfunkstudio mit den Schülern und Studenten, freut sich aber schon auf erste Live-Begegnungen und Workshops im Banat – und nicht nur. | Foto: Adrian Ardelean

Mit einem breiten Lächeln empfängt Teodora Talhoș den Besucher im Büro 407 im zweiten Stock des Rundfunkgebäudes in der Pestalozzi-Straße 14A. Sie ist Jahrgang 1997 und kam im rumänischen Großwardein/Oradea zur Welt, hat Kunstgeschichte an der Universität Wien studiert und ihr Masterstudium in Kuratorischen Studien an der Hochschule für Bildende Künste Städelschule und Goethe-Universität in Frankfurt am Main absolviert. Die 25-jährige energische Frau hat bereits mehrere Ausstellungen in Rumänien und Deutschland kuratiert und arbeitet seit September 2022 als Entsandte des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) beim grenzüberschreitenden deutschsprachigen Journalistenverein FunkForum in Temeswar mit. Beim Erzählen birst sie von Zuversicht und positiver Energie. Als Kulturmanagerin setzt sie im Verein die Arbeit von Enkeloeda Eickhoff fort, bringt aber selbst viele neue Projektideen und ganz andere Talente mit ins Boot bei der Förderung von Jungjournalisten und medialer Vernetzung. Mehr über sie und ihre Arbeit erfuhr ADZ-Redakteurin Astrid Weisz.

Was hat Sie angesprochen, dass Sie sich im Sommer für die Stelle des ifa-Kulturmanagers beim Funkforum in Temeswar beworben haben?
Ich verfolge die Aktivitäten des ifa, vor allem im künstlerischen und kulturellen Bereich, schon seit Langem. Als ich meinen Masterabschluss in Kuratorischen Studien anstrebte stolperte ich über die Ausschreibung des ifa, in der Kulturmanagerinnen und -Manager in Osteuropa gesucht wurden. Ich interessiere mich schon lange für diese Region, nicht nur aus persönlicher Sicht, da ich aus Rumänien komme, sondern auch aus theoretischer Perspektive. 
Für mich ist Temeswar ein kultureller Schmelztiegel, der seit Jahrhunderten dank dieses Multikulturalismus und des gegenseitigen Verständnisses zwischen den verschiedenen Minderheiten vorankommt. 
Radio Temeswar, in dessen Gebäude sich mein Büro befindet, sendet in 10 verschiedenen Sprachen und ist eines der besten Beispiele für die oben erwähnte lokale Multikulturalität. Im selben Geist fungiert das FunkForum als Plattform für deutschsprachige Medien aus Südosteuropäischen Ländern. Da mich das Radio als eines der demokratischsten Medien für die Übermittlung von Informationen und Ideen faszinierte, ich aber auch von dem lebendigen kulturellen Leben in Temeswar begeistert war, schien mir die Bewerbung um diese Stelle die naheliegendste Entscheidung.

Welche sind Ihre Aufgaben im Rahmen dieses internationalen Medienvereins?
Meine Aufgaben sind ziemlich vielfältig und abwechslungsreich. Prinzipiell geht es darum, Jugendarbeit mit deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler sowie  Studentinnen und Studenten im journalistischen Bereich zu leisten, aber auch die Präsenz des Funkforums in der Region zu stärken und unser Netzwerk national und international zu erweitern. Dazu gehört beispielsweise, dass das Internetportal funkforum.net etwas peppiger werden soll, denn dort findet sich ja die Arbeit der rund zwanzig Journalisten wieder, die fast täglich in Rundfunk, Zeitung oder Fernsehen in deutscher Sprache aus ihrem Land oder ihrer Region berichten. 
Ich freue mich schon darauf, mehr als nur die Journalisten aus Temeswar beim Funkforumtreffen in Hermannstadt, voraussichtlich im November, persönlich (nicht nur online) kennenzulernen. Dabei soll es auch ein Netzwerktreffen verschiedener kultureller und wirtschaftlicher deutschsprachiger Akteure aus der Region geben. 
Auch auf Social Media könnte der Verein sichtbarer werden. Und dann wollen wir interessierten jungen Menschen aus dem In- und Ausland die Vorteile eines Praktikums in den jeweiligen Redaktionen aufzeigen. 

Wie gefällt es Ihnen, mit Jugendlichen zu arbeiten und Nachwuchsjournalisten zu fördern?
Es gefällt mir sehr gut! Ich habe bereits Erfahrung mit der Kunstvermittlung für Kinder in Kunstmuseen und Galerien gemacht, aber in diesem aktuellen Fall ist die Arbeit mit Jugendlichen dynamischer und langfristiger. Ich bin sehr gespannt auf die Ideen und Meinungen der Jugendlichen, was wir als Nächstes tun sollten, worüber wir im Rahmen unserer Sendung, der Jugendwelle, sprechen und berichten sollten. 
Es ist auch eine bereichernde Erfahrung, verschiedene Perspektiven zu hören, aber auch zu sehen, wie neugierig und offen junge Leute für diese Welt sind.

Welche Projekte haben Sie bereits geplant oder unterstützen Sie im Rahmen des Funkforums?
Da Temeswar im nächsten Jahr Europäische Kulturhauptstadt sein wird, plane ich einige kollaborative Projekte in diesem einmaligen Kontext. Ich möchte gleich nach der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres einen journalistischen Workshop mit Jugendlichen aus Rumänien, Ungarn und der Slowakei organisieren, bei dem sie lernen werden, wie man kritische journalistische Texte verfasst. Gleichzeitig werden sie die Stadt aus der Perspektive verschiedener Minderheiten entdecken, durch Gespräche, Spaziergänge und kulturelle Veranstaltungen. 
Ebenfalls für das nächste Jahr plane ich eine Zusammenarbeit zwischen deutschsprachigen Jugendlichen und Jugendlichen aus der Roma-Minderheit. In diesem Fall werden die Jugendlichen lernen, wie man gemeinschaftsbezogenen Journalismus macht und seine unmittelbare Umgebung besser beobachtet.

Welche Ihrer Qualitäten, glauben Sie, werden Ihnen in ihrem Entsandtenjahr besonders behilflich sein?
Ich denke, eine der hilfreichsten Eigenschaften wird meine Mehrsprachigkeit sein, aber auch mein gutes Verständnis für beide Kulturen, Rumänisch und Deutsch. Gleichzeitig denke ich, dass meine große Energie und Neugierde hilfreich sein werden, um neue Wege zu finden, Jugendliche in unsere journalistischen Aktivitäten einzubeziehen und sie dafür zu begeistern.

Wo sehen Sie die Herausforderungen an der Arbeit mit deutschsprachigen, teils angehenden Journalisten?
Ich denke, eine der größten Herausforderungen ist das rumänische Bildungssystem, das die Kinder mit Hausaufgaben und Prüfungen überlastet, anstatt ihre Kreativität und ihr kritisches Denken zu fördern. Ich wünschte, die Jugendlichen wären nicht so gestresst wegen ihrer schulischen Pflichten und hätten mehr Zeit, sich mit ihren Interessen und Leidenschaften zu beschäftigen. Ich denke, da könnte die Jugendwelle behilflich sein, denn wir versuchen, medien- und journalismusinteressierte junge Menschen auszubilden und ihnen gleichzeitig völlige Freiheit bei der Wahl ihrer Themen und Formate zu geben.

Welche Rolle spielt es in Ihrer Planung und Arbeit, dass Temeswar 2023 europäische Kulturhauptstadt sein wird?
Die Veranstaltung spielt eine wichtige, wenn nicht sogar die Hauptrolle bei der Planung für das nächste Jahr. Wie ich schon sagte, werde ich kollaborative kulturelle und journalistische Projekte initiieren, die einem der Schlüsselwörter der Europäischen Kulturhauptstadt entsprechen, nämlich „Zusammenhalt“ (cohesion im engl. Original). 
In solch schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade erleben, die von verschiedenen schweren Krisen geprägt sind, ist es wichtig zu verstehen, dass das Leben in einer Gemeinschaft und die gegenseitige Hilfe die einzige Möglichkeit sind, durchzukommen. Deshalb werden sich die Projekte, die ich für das nächste Jahr plane, auf die interkulturelle Zusammenarbeit fokussieren, um voneinander zu lernen und konstruktive Neugier auf unterschiedliche soziokulturelle Hintergründe zu fördern.

Sie konnten durch die Vermittlung des ifa-Regionalkoordinators und Funkforum-Mitglieds Florian Kerzel in den ersten Wochen in Temeswar bereits einige Vertreter der deutschen Minderheit und Community kennenlernen. Welche Eindrücke haben Sie gesammelt? War Ihnen die deutsche Minderheit in Rumänien schon vor der Entsendung ein Begriff?
Durch Florian Kerzel habe ich verschiedene politische und kulturelle Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheit kennengelernt, die mir über ihre Pläne und Schwierigkeiten erzählt haben. Die deutsche Minderheit kommt mir als sehr aktiv und offen, aber auch gut vertreten vor. Das war nichts Neues für mich, denn ich wusste schon seit meiner Kindheit von der deutschen Minderheit in Temeswar und in Rumänien insgesamt. Meine Mutter wurde in Temeswar geboren und besuchte das Nikolaus-Lenau-Lyzeum. Ihr zufolge war das Lenau-Lyzeum während des kommunistischen Regimes eine der aufgeschlossensten und liberalsten Ausbildungseinrichtungen der Stadt, und ich bin sicher, das ist auch so geblieben! Von ihr und meinen Großeltern erfuhr ich auch etwas über die Geschichte der deutschen Gemeinschaft und über ihre Anstrengungen im 20. Jahrhundert. Übrigens bin ich ein langjähriger Fan des Temeswarer Deutschen Staatstheaters und ich würde sagen, dass die dort gezeigten Stücke mir die Augen für die Realität dieser Minderheit weiter geöffnet haben.

Danke für das Gespräch und gutes Gelingen bei den Medienprojekten!


Das Medienprojekt FunkForum wurde 2001 gestartet: Es ist ein Verein von Medien der deutschsprachigen Minderheiten in  Rumänien, Serbien und Kroatien. Die Inhalte der verschiedenen Redaktionen – Radio, Print, TV und Online – werden auf einer Homepage präsentiert, diese bietet dadurch in deutscher Sprache Informationen zu den Entwicklungen innerhalb der Gemeinschaft, aber auch zu verschiedenen anderen Themengebieten. Ziel ist auch, die Sichtbarkeit der deutschen Minderheiten zu fördern. Monatlich werden außerdem Gemeinschaftssendungen erstellt, zudem werden besondere Sendungen für Schüler und Schülerinnen gemacht sowie Workshops organisiert.