Lächerlichkeit und Fratze

Nachdem eine Parlamentsmehrheit mit Scheuklappen die Nebenumstände der Gesundheitskrise nutzte, um „unter der Hand“ die Sexualerziehung der Option der Elternschaft anheimzustellen und zum Wahlfach zu degradieren, hat dieselbe, der geistigen Dunkelheit fröhnende Mehrheit noch eine problematische „Novellierung“ des Bildungsgesetzes durchgesetzt. Diese verbietet die „Verbreitung“ (original: „răspândirea”) durch schulische Einrichtungen („Schulen, wie Universitäten“) der Theorien über Geschlecht und Gender. Dabei ist die u. a. von Robert Stoller begründete Theorie der binomischen Differenz von Geschlecht und Gender in den universitären Medien um 2000 schon vom viel kompelexeren „queer”-Begriff ersetzt worden, dem Versuch, ganzheitlich die Art und Weise zu verstehen, wie die menschlichen Körper „genormt“ sind, wie sie „kontrolliert“ und „diszipliniert“ werden, um sich einem „oppositionellen und hierarchischen, heteronormativen Binärismus einzugliedern“. „Queer“ vertritt die Meinung, dass es keinerlei Kausalbeziehung zwischen Geschlecht, Gender und Sexualität gäbe, wobei der Sexualiät im Alltag aber unter allen Umständen eine Hauptrolle zufällt. Mit den patriarchalischen Konzepten von Mann (und seiner „Rolle“) und Frau (und deren „Rolle“) hat das alles kaum noch etwas zu tun.

Doch die obige rumänische parlamentarische „Novellierungsinitiative“ des (ohnehin nicht brillant ausgefallenen) Bildungsgesetzes kommt aus denselben patriarchalischen Denkweisen und Zuordnungen, die in dieser Legislativperiode das (glücklicherweise gescheiterte) Referendum zur „Traditionellen Familie“ (wie man heute weiß: mit „Ermutigung“ durch US-amerikanische erzkonservative Sekten) initiiert haben. Sie darf – im Anschluss an den Philosophen und Schriftsteller Andrei Cornea – problemlos als „Gegenaufklärung“ eingestuft werden, wenn man diese so versteht, wie sie Hermann Lübbe nach der 1968er Bewegung um 1972 definiert: „Das wichtigste Element unserer ideologiepolitischen Situation ist die Entfaltung einer Kultur der Gegenaufklärung. Universitäten und Redaktionsstuben wurden zu Zentren politischer Heilsgewissheit, wirklichkeitsüberlegener Besserwisserei, von penetrantem Moralismus und eifernder Intoleranz.“ Und: „Prozesse der Gegenaufklärung sind Prozesse anwachsenden Bekenntniszwangs und sich ausdehnender Kritikverbote.“ Andrei Cornea sagt es einfacher, direkter und allgemeinverständlicher, aufs Parlament Rumäniens bezogen: „Eine starre und ultrakonservative Mentalität unternimmt den Versuch der Einschränkung des Informationsrechts.“

Was soll man zu den Liberalen der PNL von Regierungschef Orban und Präsident Johannis sagen, die sich der Stimme enthielten? Ist in Situationen, wo es um das Informationsrecht künftiger Generationen geht, Stimmenthaltung nicht implizite Zustimmung? Das Ducken vor der Verantwortung gehört zu den schmutzigsten Aktionen der PNL-Volksvertreter. Aber es klärt die Öffentlichkeit auf: So denken sie wirklich, trauen sich aber nicht, es offen zu zeigen! Also stimmen sie weder dafür noch dagegen... In einer Causa, wo Neutralität obsolet ist!

Das ist lächerlich. Dahinter grinst hämisch eine Drohfratze.

Wirklich irritierend am Ganzen: „Volksvertreter” nehmen sich einfach die Freiheit, über den Wert der „Wahrheit“ einer Theorie per Gesetz zu entscheiden. Schaut man sich die „Gesetzesnovellierung” genau an, haben wir es bei den Abstimmenden (unabhängig von Bildungsstand, Kenntnissen und Parteizugehörigkeit) mit Menschen zu tun, die qua Amt (?) beschließen, dass jedwelche Theorie, die zwischen Geschlecht (als biologisch-genetische Determination) und Gender (als kulturelle Determination des Menschen) unterscheidet, einfach falsch ist.

Das ist das gockelhaft Lächerliche.

Vor Falschem wollen die Dunkelmänner die studierende Jugend schützen.

Das ist die bedrohliche Fratze.