Landwirte zur Agrarreform der Europäischen Union

Ein Stimmungsbild aus Sanktandreas im Banat

Der Mann hat sich viel vorgenommen: Ökologischer, gerechter und wirkungsvoller soll sie werden – die Reform der EU-Agrarpolitik. So jedenfalls die Konzeption, die EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos entworfen hat. Der parteilose Ciolos ist Rumäne und war bereits Landwirtschaftsminister. Er hat nach seinem Studium in Montpellier promoviert und gilt als exzellenter Agrarexperte. 

Ciolos will zwar an der bisherigen Zwei-Säulen-Struktur festhalten, die aus der Sicherung eines Grundeinkommens für die Bauern und produktionsabhängigen Direktzahlungen besteht. Allerdings sollen dabei ökologische Komponenten viel stärker als bisher berücksichtigt werden. Und: Die bislang bestehenden Förderunterschiede zwischen den alten und den neuen EU-Ländern in West- und Osteuropa werden, wenn es nach Ciolos geht, im Laufe der Jahre abgebaut. Was aber halten die rumänischen Bauern von den Ideen des EU-Agrarkommissars? Der Autor hat sich in Sanktandreas/Sânandrei, unweit Temeswar/Timisoara, umgehört.
 

Super-Bioware aus dem Hausgarten

Glühende Hitze über der Banater Ebene. Weil es seit Tagen nicht geregnet hat, steht Raul Chitu, ein kräftig gebauter Mann um die 50, mit dem Wasserschlauch in seinem Gemüsefeld: „Hier baue ich Knoblauch an, rumänischen Knoblauch. Das ist, wenn Sie so wollen, ‘Super-Bioware’. Und die hat einen sensationellen Geschmack, glauben Sie mir.“

Wenn Raul Chitu mit seinen Besuchern über das Feld hinter seinem Haus spaziert, zeigt er stolz auf die saftig grünen Pflanzen und Bäume: Marillen, Zwetschgen, Weinreben, Karotten – all das, versichert er, gedeiht ohne Kunstdünger, ohne Pflanzenschutzmittel. 

Raul Chitu, Gemüsegärtner aus dem 3000-Einwohner-Dorf Sanktandreas hat sich auf Bio-Anbau spezialisiert. Das ist so recht nach dem Geschmack seines Landmanns Dacian Ciolos. Der EU-Agrarkommissar hat in seinen Entwurf zur EU-Agrarreform eine „Ökologisierungskomponente“ hineingeschrieben: Produktbezogene Prämien sollen nur noch dann gezahlt werden, wenn ein Landwirt ökologisch wichtige Leistungen erbringt. 

Davon könnten viele rumänische Bauern profitieren, glaubt Raul Chitu. Denn Anfang der 90er Jahre ließ die rumänische Regierung die riesigen staatseigenen Agrarbetriebe in viele kleine Parzellen aufteilen – insgesamt waren es ursprünglich rund 3,5 Millionen, heute dürften es immer noch über zwei Millionen Kleinparzellen sein – und an die Landbevölkerung und ans Agrarproletariat, das der Kommunismus sich herangezogen hatte, verteilen. Etliche, keineswegs wenige Parzellen liegen heute im Banat brach, weil sich die Bewirtschaftung nicht mehr lohnt oder weil die Besitzer als Pendler ein immer noch bequemeres Leben bei abgesichertem Auskommen führen können.
 

Umschmiedung von Nachteilen

Doch der Nachteil der Aufsplitterung des Grundbesitzes nach tiefverankerten kommunistischen Gleichstellungskriterien von gestern könnte nun der Vorteil von morgen werden, glaubt Gemüsebauer Raul Chitu: „Dieses Landstück wurde seit der Zeit von Ceausescu nicht mehr bewirtschaftet. Es ist, wenn man so will, jungfräulich. Denn da wurde seit 20 Jahren weder gedüngt noch irgendwie Chemie gespritzt. Deswegen eignet sich dieses Land vorzüglich, um Bioprodukte anzubauen“.

Und auch die Idee des Agrarkommissars aus Osteuropa, die Agrarförderung in West- und Osteuropa anzugleichen, hält Raul Chitu für sinnvoll: Das könnte, glaubt er, für viele Bauern ein zusätzliches Motiv sein, brachliegende Felder wieder zu bewirtschaften. Davon würde die gesamte Bevölkerung profitieren: „Das ist ja wirklich paradox: Bürger in Rumänien, die oftmals nur 150 bis 200 Euro im Monat verdienen, essen Import-Kartoffeln, die zwei-dreimal so teuer sind wie in Deutschland. Aber wir sind doch auch ein Teil Europas. Und produzieren können wir selber auch.“
 

Dauerhafte Frischegarantie

Besuch in einem modernen gläsernen Gewächshaus, am Ortsrand von Sanktandreas: Überall sieht man Aufkleber: „Gebaut und finanziert mit Unterstützung aus dem Sapard-Programm der Europäischen Union.“ Übrigens ist eine Pflichtauflage bei jedem EU-finanzierten Projekt, keine einfache Reverenz dem Geldgeber gegenüber.

„Drüben haben wir Paprika, Gurken. Und wir haben noch ein kleines Glashaus, wo wir Sellerie produzieren.“ Ela Ghilezan ist Produktionsleiterin der neugegründeten „Phoenix Srl“ – ein Unternehmen, das sich auf die Aufzucht von Blumen und Gemüse spezialisiert hat. Die Europäische Union hat die 800.000 Euro teuere Investition zur Hälfte über ihr Sapard-Programm bezuschusst. Deshalb konnten die Gewächshäuser mit moderner Tempatur- und Bewässerungstechnik ausgestattet werden; die Phoenix-Produkte finden sich in vielen rumänischen Supermärkten wieder. Doch dort stehen sie in ständiger Konkurrenz zu den Import-Produkten. Deshalb hegt Ela Ghilezan einen großen Wunsch an die Politik des rumänischen EU-Agrarkommissars:
„Zu fördern, dass wir unsere Lebensmittel benutzen, nicht immer so viel von draußen hierher bringen.“

Das müsse, sagt sie, nicht gleichbedeutend mit Protektionismus sein. Das könne auch durch die gezielte Förderung von verbrauchernaher Produktion geschehen, was im Sinne der von Ciolos angestrebten Ökologisierung liege. Und eine dauerhafte Frischegarantie wäre.

Zuschüsse unmittelbar an Bauern

Doch trotz der Zustimmung zu den Reformplänen ihres Landsmannes schimmert bei den rumänischen Klein- und Subsistenzbauern Skepsis durch: Viele sind bis heute nicht in den Genuss von Zuschüssen gekommen – die ihnen schon im vergangenen Herbst hätten ausgezahlt werden müssen; die Rumänien zugewiesenen EU-Agrarmittel wurden in den vergangenen Jahren nicht einmal ansatzweise umfassend abgerufen; es fehlt an den entsprechenden Strukturen in der rumänischen Verwaltung. 

Oder sie sind zu aufgebauscht und verbrauchen selber viel zu viel von diesen Zuschüssen. Oder – und da dürfte des Pudels Kern liegen, denn nachprüfbar ist die EU ihrer Verpflichtung nachgekommen und hat die Zuschussgelder zeitgerecht an Rumänien überwiesen! – das EU-Bezuschussungs-Geld wird bis zur Weitergabe über die rumänischen Institutionen an die rechtmäßigen Adressaten allem Anschein nach noch ausgiebig von den rumänischen Regierungsbehörden genutzt, um Löcher zu stopfen. Hier hegt Raul Chitu, der Gemüsebauer aus Sanktandreas, einen klaren Wunsch: Der EU-Agrarkommissar möge endlich einmal Klartext reden mit der Regierung in Bukarest, am besten in der Muttersprache.

„Er muss sie alle überzeugen, die Parlamentarier und die von der Regierung. Er und die in Bukarest, sie sprechen ja die gleiche Sprache, Rumänisch. Dacian Ciolos muss ihnen ins Gewissen reden, dass sie die Gesetze viel schneller als bisher umsetzen und, was uns Landwirte betrifft, die Probleme viel direkter und unmittelbarer als bisher lösen.“