„Lebensfreude kann man nicht mit Geld kaufen“

Der Musiker Klaus-Dieter Untch im Porträt

Der Organist, Komponist und Lehrer Klaus-Dieter Untch.
Foto: Christine Chiriac

Im Burzenland und darüber hinaus kennt man Klaus-Dieter Untch von Orgel- und Kammerkonzerten, festlichen Wiedereinweihungen von restaurierten Instrumenten, Veranstaltungen der evangelischen Kirchengemeinde und des Deutschen Forums. Man begegnet ihm am Dirigentenpult als Chorleiter, auf der Empore der Zeidner und der Schwarzen Kirche als Organist, als Lehrer der deutschen Schulabteilung in Zeiden und des Johannes-Honterus-Lyzeums in Kronstadt, als Autor in Publikationen der deutschen Gemeinschaft und als Blogger. Er beschreibt sich selbst als „weltoffener Lebenskünstler“ – und das trifft zu.

Klaus-Dieter Untch, Jahrgang 1969, ist vor allen Dingen ein begeisterter Musiker und ein engagierter Siebenbürger, der sowohl zur Musik, als auch zur siebenbürgischen Heimat über Umwege zurückgefunden hat – und beides heute umso mehr zu schätzen weiß.

In Elisabethstadt geboren, in Scharosch aufgewachsen, war er nach der politischen Wende von 1989 alt genug, um selbständig auszuwandern und sein Glück zunächst in Deutschland zu versuchen. Im Ballungsgebiet rund um Mainz, Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt entdeckte er zwar „ein äußerst spannendes Kulturleben“, musste jedoch gleichzeitig seinen Lebensunterhalt mit anstrengender Schichtarbeit im Opel-Werk in Rüsselsheim verdienen. „Ich habe es sechs Jahre lang durchgezogen“, sagt er heute im Rückblick, „aber Lebensfreude und Lebensqualität konnte ich mir nicht mit Geld kaufen.“

Deshalb tat er alles, um seiner Leidenschaft für Musik nachzugehen. In Scharosch hatte er bereits erste Erfahrungen auf dem Gebiet der Tonkunst gesammelt, denn nach dem frühen Tod seines Vaters musste er dessen Organistenamt übernehmen. Als Sechzehnjähriger war Klaus-Dieter jedoch musikalisch völlig auf sich gestellt und auf Selbststudium angewiesen. „Ich besuchte nie ein Konzert und besaß zu Hause keine Schallplatten“, erinnert er sich, „also entwickelte ich unter diesen beengenden Umständen einen besessenen Drang nach Improvisation und komponierte ungebremst und wild drauf los.“

Einen Meister fand er erst in der Orgelklasse der Volkshochschule Kelsterbach bei Frankfurt: Kantor Rainer Noll brachte ihm die notwendigen Grundlagen der Spieltechnik bei, regte ihn zu Konzertbesuchen an, empfahl ihm musikwissenschaftliche Lektüren und führte ihn heran an die philosophischen und theologischen Ansichten Albert Schweitzers - sodass sich der Orgelschüler schließlich in seinem Wunsch bekräftigt fühlte, Musik zu seinem Hauptlebensinhalt zu machen.

1996 war es so weit: Untch stürzte sich mit großer Freude ins nächste Abenteuer und sagte spontan zu, als ihn aus Siebenbürgen die Anfrage erreichte, ob er nicht Organist der Evangelischen Kirche A.B. in Fogarasch werden wolle. Ab diesem Zeitpunkt verlief alles wie im Bilderbuch: parallel zu seiner Kantorenarbeit nahm er Unterricht bei den Organisten Erich Türk und Ursula Philippi, besuchte Chorleitungsseminare bei Kurt Philippi, dem damaligen Musikwart der Landeskirche, und belegte am Theologischen Institut in Hermannstadt Kurse für Religionspädagogik. Als es darum ging, sich zwischen Theologie und Musik für einen weiteren Lebensweg zu entscheiden, blieb er bei der Musik, denn „sie hilft weiter, wenn Worte erblassen.“

2000 nahm er das Studium bei Hans-Eckart Schlandt an der Kronstädter Musikhochschule auf und wechselte als Kantor ins Burzenland nach Zeiden, auch weil dort ein historisches Instrument aus dem Jahre 1783 auf ihn wartete: „Die wertvolle barocke Prause-Orgel hatte es mir angetan!“, sagt er heute begeistert.

Einfach war es jedoch nicht: an der Uni musste er mit Kollegen mithalten, die von klein auf in Musikschulen gelernt hatten und eine solide Basis mitbrachten. Doch Hans Eckart Schlandt lehrte ihn, „der Tonkunst gegenüber gewissenhaft und ehrlich zu sein, denn gute Musik entfaltet sich nur, wenn man wahrhaftig bleibt.“ Ebenfalls in der Schwarzen Kirche in Kronstadt lernte der angehende Musiker den Lehrmeister aller Organisten kennen und schätzen: Johann Sebastian Bach, „dessen Kompositionen für jeden komponierenden Musiker eine Bibel sind.“ Heute schreibt Klaus-Dieter Untch selber Musik, und zwar nicht nur für den „regelmäßigen Gebrauch“ - wie er das Musikleben in Zeiden mit den Chören, der Flötengruppe, den Schulkonzerten und den Soloabenden nennt. Seine Werke werden von Musikerkollegen in Rumänien, Deutschland und der Schweiz aufgeführt, außerdem geht er selbst auf Tourneen – manchmal begleitet von Ehefrau Annemarie und Tochter Isabelle. Voriges Jahr beispiels-weise war er erstmals im bekannten Orgelmuseum „Gottfried Silbermann“ in Frauenstein, wo seine Kantate „Erwartung“ für Chor, Orchester und Solostimmen nach Bachs „Actus tragicus“ uraufgeführt wurde.

Den westlichen Lebensstandard vermisst er in Siebenbürgen nicht, aber er wünscht sich, dass sich „Vorzeigestrukturen, die man aus Deutschland kennt – etwa Ordnung, Verlässlichkeit und gut funktionierende Institutionen – trotz gewisser Unzulänglichkeiten auch hierzulande durchsetzen“.

Dazu trägt er selber bei, indem er sich u.a. im Vorstand des Demokratischen Forums der Deutschen in Zeiden engagiert. Wanderungen rund um den Zeidner Berg, Malkurse für Jung und Alt, ein singender Stammtisch bei dem deutsches Liedgut gepflegt wird, Vorträge, Faschingsbälle, Heimattreffen – das alles „schafft eine Plattform für Begegnung und bereichert die Gemeinschaft“, so Klaus-Dieter Untch, der sich außerdem gemeinsam mit den Forumskollegen um eine gute Zusammenarbeit von Forum, Kirche und Schule mit Partnern wie der Stadt, der Heimatortsgemeinschaft, der Deutschen Botschaft und dem Institut für Auslandsbeziehungen bemüht.

Auch die jüngere Generation vergisst er nicht: er unterrichtet Musik, Religion und gelegentlich die Geschichte der deutschen Minderheit an der Zeidner Allgemeinschule, nicht nur um dem Lehrermangel zu begegnen: „Ich lege darauf Wert, dass die Kinder, die an der deutschen Abteilung in Zeiden lernen, die Geschichte Siebenbürgens und der deutschen Minderheit kennen, auch wenn sie keine Siebenbürger Sachsen sind“, so Untch. „Außerdem kann ich die heranwachsende Jugend ins Gemeindeleben einbeziehen, was schließlich den Kindern, der Gemeinschaft und auch mir selbst große Freude bereitet.“