Lebensfroh und tatkräftig: Rudolf Trost ist mit 90 Jahren als Kirchenkurator aktiv

Einblick in die Geschichte und Gegenwart der evangelischen Kirchengemeinde Lugosch

Rudolf Trost in der kleinen evangelischen Kirche beim Gespräch mit der Verfasserin

Die Gebäude der Evangelischen Kirche Lugosch stehen in der Karansebescher Straße. | Fotos: Zoltán Pázmány

Am 31. Oktober, also vergangenen Montag, war Reformationstag. Er erinnert an den 31. Oktober 1517, als Martin Luther seine Thesen, die zu einer Reformation in der Kirche geführt haben und den Beginn der evangelischen Kirche bedeuten, verkündet haben soll. Knapp 300 Jahre dauerte es anschließend, bis sich auch in Lugosch/Lugoj eine evangelische Gemeinde bildete. Sie und auch ein besonders engagiertes Gemeindeglied stehen heute im „Brennpunkt“.

Rudolf Trost ist für die evangelische Kirchengemeinde von Lugosch/Lugoj mit Herz und Seele und aller Kraft, die er aufbringen kann, aktiv. Der Mann, der am 14. September seinen 90. Geburtstag gefeiert hat, führt durch den Hof in Bethaus/Kirche und Büro der evangelischen Gemeinschaft aus Lugosch im Kreis Temesch/Timiș. Es gibt keinen Sonntag im Jahr, an dem kein Gottesdienst gehalten wird, bekräftigt der Kurator und ehemalige Lektor der evangelischen Kirchengemeinde. 16 Seelen zählt noch die Gemeinschaft in Lugosch, davon leben aber einige gar nicht mehr in der Stadt und kommen nur selten in die Kirche. Das betrübt Trost, der über 45 Jahre lang als Lektor in der kleinen Gemeinde gedient hat. 

Dazu kam er quasi aus der Not heraus: Die damalige Lektorin habe sich immer schwerer getan und man konnte sie kaum noch verstehen, so dass er diese Rolle übernahm und sich regelmäßig an den Rüstzeiten/Fortbildungen der Evangelischen Kirche in Michelsberg und Hermannstadt beteiligte. Nun hat er seit einigen Jahren selbst einen Nachfolger, den er dorthin mitnimmt. Musik erklingt an jedem Sonntag vom Harmonium, das sein Neffe Norbert Popper spielt, bevor er zur reformierten Kirche geht, wo er als Kantor angestellt ist. Die Ország-Orgel aus dem Jahr 1911 funktioniert nicht mehr. Als Kind, erinnert sich Rudolf Trost, sei er jeden Sonntag mit seinem Großvater, Daniel Trost, in die Messe gekommen und habe manchmal den Blasebalg der Orgel getreten, damit Musik gemacht werden konnte. Die Gottesdienste mit Abendmahl seien ihm am schönsten in Erinnerung.

Laut Angaben des evangelischen Pfarrers Walther Sinn, der aus Semlak auch für die Kirchengemeinde in Lugosch zuständig ist, kamen 1838 erste Protestanten Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses nach Lugosch und gründeten eine Gemeinde, die bis 1845 zu Vukova gehörte und danach zu Ebendorf/Știuca. Es wird geschätzt, dass die Gemeinde damals rund 300 Seelen zählte. Kurz vor 1850 kamen weitere Einwanderer aus Württemberg, Bayern und Ungarn hinzu und es wurde ein Wohnraum als Bet- und Schulsaal gemietet. Als erster Pfarrer der Lugoscher Gemeinde wird 1853 Johann Schneeberger eingesetzt, ein Jahr später ist Samuel Ruttkay für Lugosch zuständig, die mittlerweile zur Muttergemeinde wird (Ebendorf wird Tochtergemeinde), bzw. zum Zentrum der Karascher- und Militärgrenze-Diaspora – also für die Evangelischen in Ferdinandsberg/Oțelu Roșu, Karansebesch/Caransebeș, Mehadia, Orschowa/Orșova, Orawitza, Reschitza, Bokschan/Bocșa, Steierdorf und sogar bis nach Fatschet/Făget. In diese Zeit fällt auch der Kauf eines großen Hauses als Bethaus, Pfarrwohnung, Schule und Lehrerwohnung. Auf diesem Grund stehen die heutigen Bauten. Doch nicht nur diese, sondern auch andere Immobilien in der Stadt sowie den Friedhof hat Rudolf Trost zu verwalten. In der Innenstadt sind 24 Wohnungen vermietet, und damit ist viel Verwaltungsarbeit verbunden, sagt er. Allerdings ermöglichen die Einnahmen aus den Mieten der Gemeinde, ihre Kirche und Räume instand zu halten. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Betsaal durch Anbau vergrößert, so dass die jetzige kleine Kirche daraus entstand, Schule und Pfarramtskanzlei im Hof wurden eingerichtet. Mehr als 500 Gläubige zählte die Gemeinde allein in Lugosch, weitere 1000 in den Ortschaften zur Militärgrenze hin. 

In der Schule wurde bis 1892 ausschließlich auf Deutsch unterrichtet, obwohl ein großer Teil der Schüler weder aus deutschen, noch aus evangelischen Familien stammten. Auch der Vater von Rudolf Trost hat hier die deutsche Schule besucht, seine Mutter allerdings konnte nur noch ungarischen Unterricht bekommen, die Schule blieb aber kirchlich. Auch Rudolf Trost selbst hat die deutsche Schule besucht bis 1944, musste aber nach deren Auflösung noch drei Jahre den rumänischsprachigen Unterricht besuchen und ging dann als Wandergeselle nach Temeswar und Kronstadt/Brașov. Dort besuchte er das Abendlyzeum, das er dann nach seiner Rückkehr nach Lugosch im Brediceanu-Lyzeum mit dem Baccalaureat abschloss. Rudolf Trost zur Seite steht schon länger als sein halbes Leben seine Frau Maria, die er liebevoll Marianne nennt. Im Brediceanu-Lyzeum haben sich die beiden kennengelernt. 

Als Rudolf Trost Anfang der 90er Jahre die Stelle des Kurators angenommen habe, seien die Gebäude und der Friedhof nicht einmal im Grundbuch richtig eingetragen gewesen, doch jetzt habe alles seine Ordnung. Und das ist auch im Büro selbst zu sehen: Auf dem Tisch sind verschiedene Akten sortiert, im Schrank stehen Dokumente und Papiere in Ordner verstaut, alles hat seinen Platz. Bis 1859 wurden die Matrikel lateinisch geführt, danach ungarisch, der Konfirmandenunterricht musste in drei Sprachen gehalten werden: Deutsch, Ungarisch und Slowakisch. Die Gottesdienstsprache war ursprünglich ausschließlich Deutsch. Allein an den Hochfesten wurde auch ungarisch und slowakisch gepredigt, im 19. Jahrhundert gab es jeden 4. Sonntag eine ungarische Predigt, während nach dem 1. Weltkrieg nur noch die Hälfte der Gottesdienste in deutscher Sprache gehalten wurden. In den letzten Jahren und bis heute wird der Gottesdienst hauptsächlich auf Deutsch gefeiert, die Schriftlesungen manchmal auch zweisprachig. Rudolf Trost beherrscht sowohl das Deutsche als auch Rumänisch und Ungarisch, was ihm als Lektor ab 1977 sehr zugutekam. 

Ein Fotoalbum steht zur Besichtigung bereit: Es sind größtenteils Bilder vom evangelischen Friedhof, aber auch eine an der Maschine abgetippte Geschichte der Kirchengemeinde. Anhand der Bilder erzählt Rudolf Trost, wo die Priester der Gemeinde beigesetzt wurden, aber auch die größeren Familien, so jene des Moritz (Mór) Asboth, einem der Gründer der evangelischen Kirchengemeinde in Lugosch und erster Kurator der Gemeinde, Lehrer und Kantor. Insgesamt hat Rudolf Trost acht Vorgänger im Amt des Kircheninspektors/Kurators gehabt. Der Friedhof wird sauber instand gehalten, und seit diesem Jahr hat die Familie Trost auch ihre eigene Grabstätte vorbereitet, um einst dort zu liegen, wo so manche Kuratoren und Lektoren ihre letzte Ruhe an der Straße nach Jabăr gefunden haben. 

Die Inschriften sind meist Ungarisch und Deutsch. Die Zahl der evangelischen Gläubigen aus Lugosch begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts durch Neugründung einiger Pfarreien in der Dias-pora zu schrumpfen. Als jedoch am 8. November 1903 die Union zwischen Lutheranern und Calvinisten aufgelöst wurde, blieben es nur noch 437 Evangelische Augsburgischen Bekenntnisses in Lugosch. Die Statistik belegt des Weiteren 1930 eine 342 Seelen starke evangelische Gemeinschaft und 39 Schulkinder. Anfang der 90er Jahre gab es noch rund 70 Gemeindeglieder in Lugosch, eine Gemeinde, die bis 1996 auch einen eigenen Pfarrer hatte. Heute reichen die Finger an zwei Händen aus, um die Zahl der Gläubigen abzuzählen. Aber Rudolf Trost ist ein optimistischer Banater Schwabe, ein Handwerker, der voller Tatendrang dort Hand anlegt, wo Not an Mann ist, der Jahr für Jahr zusieht, dass die kleine evangelische Kirche schön aussieht. Die Gebäude sind außen frisch gestrichen und im einstigen Pfarrhaus auch innen, der Hof und alles andere ist gepflegt. Seit der Wende pflegt man Partnerschaften mit der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena-Lobeda und der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Bobritzsch-Hilbersdorf in Deutschland. 

Maria und Rudolf Trost haben zwei Kinder, Brigitte (56 Jahre), die zusammen mit der Enkelin Elise aus Heilbronn auf Besuch zum runden Geburtstag gekommen ist (Enkel Felix konnte leider nicht mitreisen), und einen Sohn, Richard (54 Jahre), der ihm weitere drei Enkelkinder (Sofia, Erich und Karl) geschenkt hat, über die er sehr gerne und anekdotisch erzählt. Genauso begeistert berichtet er aber auch über seine Wagner-Werkstatt und das Handwerk, das er von seinem Vater und Großvater geerbt hat, die Kirche, die Verwaltungsarbeit, die sie und die Immobilien der evangelischen Kirchengemeinde mit sich bringen... und alles mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einem Lachen in der Stimme.

Auf die Frage hin, was man sich zum 90. Geburtstag denn wünsche, sagt er: „Nur meine Gesundheit.“ Und erinnert sich an einen lustigen Spruch, den als Wandtafel sein Vater aus Stuttgart mitgebracht hat, wo er seinen Wagnermeisterbrief gemacht hat: „Wir Schwowe werden mit 40 kscheit, die anderen nicht in Ewigkeit“.