Leckerbissen im Warteraum des EU-Marktes

Traditionelle rumänische Erzeugnisse: Der steinige Weg zum Markennamen

Zum Alltag unserer Märkte gehört weiterhin auch der traditionelle Schafkäse. Meist wird als Ursprungsort der Ware Hermannstadt genannt, wenn es auch oft nicht stimmt. Foto: Zoltán Pázmány

Nicht, wie gewohnt, als Nachzügler und EU-Problemkind sondern von seinen schönsten, den gewürzten Seiten zeigte sich Rumänien dieser Tage auf der Internationalen Grünen Woche in der deutschen Bundeshauptstadt Berlin, der weltweit wichtigsten Messe im Bereich Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau. Unter dem Motto „Erkunde den Karpatischen Garten“ präsentierte unser Land, bei der Auflage 2012 Partnerland dieses Ereignisses, die ganze Bandbreite seiner traditionellen Erzeugnisse, u. a. in allen Herren Länder begehrte Spezialitäten wie Rind in Aspik, Pleşcoi-Trockenwurst, Truthahnsülze, gefüllte Weinblätter, Käse in Tannenrinde, Karpatischer Bär mit Pilzen, Hirschsteak aus dem Ofen, Wildeintopf und traditionelle Apfel-, Kürbis- und Quarkkuchen. Also alles nach dem Geschmack jedes Feinschmeckers oder Schlemmers. Der 100.000 Messebesucher wurde gar mit einem schönen Präsentkorb „made in Romania“ überrascht.

Dem Ereignis entsprechend, war auch eine massive Delegation hochrangiger Vertreter aus der rumänischen Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft, allen voran Landwirtschaftsminister Valeriu Tabără, aber auch der EU-Kommissar für Landwirtschaft Dacian Cioloş, in der Messehalle 10.2 präsent.

Die Marschrichtung ist schon als positiv zu werten: Hauptziel ist doch der, neue Beziehungen und Kontakte in Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner Rumäniens (der Export an Getreide, Obst und Gemüse nach Deutschland erreichte 2010 wertmäßig 92 Millionen Euro), aber auch in der EU und, warum nicht, auf dem großen Weltmarkt zu schaffen. Vor Jahren nur eine Produktions- und Marktnische, hat sich der Bereich der traditionellen Erzeugnisse weltweit, gemäß der steigenden Nachfrage nach natürlichen, traditionellen und Bio-Erzeugnissen, zu einem international boomenden Wirtschafts- und Handelssektor gemausert. In Rumänien, schon seit fünf Jahren EU-Mitglied, würde man also erwarten, dass es sowohl die Produzenten wie auch die traditionellen rumänischen Erzeugnisse wenigstens auf dem EU-Binnenmarkt etwas leichter haben müssten, an die Absatzmärkte und Kunden, an die in unserer Zeit so bitter nötigen Moneten zu kommen.

Es ist dem leider nicht so: Der Weg bis zum Markennamen und -artikel ist schon im Herkunftsland mit vielen nervenden Hürden, bürokratischen Hindernissen und für 90 Prozent der einheimischen Produzenten, zum Großteil Kleinproduzenten, mit hohen und entmutigenden Kosten verbunden.

Petschkaer Hausbrot für Europa?

Bei der Grünen Woche in Berlin 2012 mit dabei ist auch das hierzulande als bestes rumänisches Hausbrot bekannte Brot aus Petschka/Pecica. Es wird derzeit von vier Bäckereien aus der Arader Kleinstadt nach einem uralten lokalen Originalrezept gebacken (dass schon die alten Daker ihr Brot nach diesem Rezept gebacken haben sollen, ist wohl nur eine lokale Mär): Alle Zutaten wie Weizenmehl, Wasser, Hefe, Salz usw. stammen aus der Gegend, vom langen, sorgfältigen Kneten des Teigs bis zu dem Backen in stundenlang mit Holz und Maiskolben erhitzten Ziegelsteinöfen ist alles genau vorgeschrieben und einzuhalten. Selbst der verstorbene Diktator Ceauşescu war schon früh auf den Geschmack dieses Hausbrots gekommen: Bis zur Wende 1989 musste jeden Morgen, um 9 Uhr, erzählen die Einheimischen stolz, ein Spezialflugzeug vom Arader Flughafen, mit Brot für den „beliebtesten Sohn des Volkes“ starten. Jetzt ist das Petschkaer Rundbrot nicht nur im Kreis Arad, in der ganzen Westregion, sondern auch in zahlreichen anderen Gegenden des Landes beliebt und begehrt. Berühmtheit im eigenen Lande genügt bei traditionellen Erzeugnissen nicht. Der Weg dieses Hausbrotes bis zum internationalen Markenartikel, zu einem von der EU geschützten Markennamen ist leider noch ein langwieriger.

Das Gleiche gilt wohl für sämtliche rumänische traditionelle Erzeugnisse, die bei der Grünen Woche in Berlin 2012 gute Fachkritik und viel Anklang und Lob bei der verwöhnten Kund- und Besucherschaft ernteten. Vertreten waren auch die Banater Produzenten mit ihren traditionellen Erzeugnissen. Aus dem Kreis Temesch wurden Weine, Bienenhonig, Öko-Mehl, Apfelsaft, Nuss- und Kürbiskernöl präsentiert. Die Karasch-Severiner Landwirtschaftskammer war durch die Bienenzüchter aus Orawitza und Herkulesbad sowie durch eine Bokschaner HG (Verarbeitung von Gemüse und Pilzen) vertreten. Besser vertreten waren die Arader Produzenten traditioneller Erzeugnisse. Diese, seit einigen Jahren durch den Zusammenschluss zu dem Verein „Arădeanca“ den anderen Produzenten der Westregion in Sachen Werbung und Vermarktung um einige wichtige Schritte voraus, präsentierten in Berlin außer dem genannten Hausbrot noch Salami aus Nadlak, Pflaumenhonig aus Aldeşti, hausgemachte Nudeln aus Arad und Petschka.

Welches dieser traditionellen Produkte wird letztlich das Rennen schaffen bzw. das so begehrte EU-Gemeinschaftszeichen erhalten? Diese Herkunftsbezeichnung von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln ist ein Produktname, der nach genauen EU-Regeln von 1992 eine direkte geografische Zuordnung ermöglicht. Da gibt es nämlich drei Stufen: die geschützte Ursprungsbezeichnung (z. B. Parmaschinken, Champagner aus Frankreich), die geschützte geografische Angabe (Südtiroler Apfel) und die garantiert traditionelle Spezialität (Mozzarella, Serano-Schinken). Seit seiner Einrichtung schätzt dieses EU-System rund 1000 Markennamen aus ganz Europa. Das bekannte Pflaumenmus aus Topoloveni ist das erste rumänische Produkt, das erst vor Kurzem sein Schutzrecht in der EU erhalten hat (eine typische Entwicklung: In den rumänischen Läden verdoppelte sich rasch sein Preis). Auf der Warteliste befinden sich jedoch in Rumänien derzeit insgesamt 3850 traditionelle Erzeugnisse, ganz nahe am Ziel wären schon, heißt es, die Räuberwurst aus Pleşcoi und der geräucherte Fisch aus dem Burzenland sowie einige traditionelle Käsesorten aus der Hermannstädter Gegend.

Obwohl dieser Produktionsbereich in den letzten Jahren einen starken Aufwind verzeichnete – im Vorjahr erhielten 1000 Erzeugnisse mehr als 2010 dieses nationale Gütezeichen – wirkt sich der lange, schwierige Kampf mit der Bürokratie, der Landes- und EU-Konkurrenz für viele der Kleinproduzenten als zermürbend und viel zu kostspielig aus. Ein wichtiger Hemmschuh wäre da auch die schädliche Mentalität unserer Großhändler, die das Experiment gar nicht mehr abwarten möchten und sich schon längst für wahllose Großimporte von Lebensmitteln entschieden haben. Laut der Landesbehörde für Kundenschutz ANPC schaden auch die anwachsende, unlautere Konkurrenz und der Betrug aus den eigenen Reihen der Kleinproduzenten: Es wurden auf unseren Märkten und im Handel viele sogenannte traditionelle Erzeugnisse mit gefälschten Etiketten entdeckt, nahezu drei Viertel der 402 Produzenten, die periodisch bei den traditionellen Lebensmittelmessen und -märkten auftauchen, hätten dreist allerhand wichtige Grundregeln missachtet. Um die Kundschaft, vielleicht nur ein einziges Mal aber dafür kräftig, übers Ohr hauen zu können.