Lucian Blagas philosophisches Werk im deutschen Sprachraum zugänglich machen

Gespräch mit dem Hon.-Prof. Dr. Rainer Schubert: „Lucian Blaga ist ein Philiosoph internationaler Bedeutung“

Hon.-Prof. Dr. Rainer Schubert stellte seine neue Blaga-Übersetzung vor.

Das Titelblatt von Lucian Blagas Doktorarbeit

Eigenhändige Korrektur in Blagas Doktorarbeit

Der Wiener Hon.-Prof. Dr. Rainer Schubert lehrt Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule „Benedikt XVI“. in Heiligenkreuz bei Wien. Er war auch Lektor für Philosophie und Deutsche Sprache an der West-Universität in Temeswar, nachher langjähriger Leiter des Österreichischen Kulturforums in Bukarest und anschließend Philosophieprofessor an der deutschsprachigen Abteilung der Babeş-Bólyai-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca. Vor Kurzem war er mit Hilfe des Österreichischen Kulturforums und der Österreichischen Botschaft in Bukarest. Die Abteilung der literarischen Übersetzer, Bukarest, des Rumänischen Schriftstellerverbands hat ihn eingeladen, seine Übersetzung des Werkes „Eonul dogmatic“ (Das dogmatische Weltalter, LIT-Verlag, Wien, 2014) von Lucian Blaga ins Deutsche zu präsentieren. Der Schriftsteller Peter Sragher, Präsident der Abteilung Literarischer Übersetzer, Bukarest, des Rumänischen Schriftstellerverbandes hat Hon.-Prof. Dr. Rainer Schubert einige Fragen gestellt.

Vor fast sieben Jahren, als Sie noch Leiter des Österreichischen Kulturforums Bukarest waren, haben Sie sich vorgenommen – und in einem Interview im September 2007 für die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien ausgesagt –, dass Sie sich der Lucian Blaga-Forschung widmen werden…

Ich kann die erfreuliche Mitteilung machen, dass mittlerweile einiges auf diesem Gebiet geschehen ist. Der Schwerpunkt liegt auf Übersetzungen der philosophischen Werke Lucian Blagas. Ich habe schon die ersten beiden Bände der „Trilogie der Erkenntnis“ (Trilogia cunoaşterii) ins Deutsche übersetzt, wobei der letzte Teil, „Die transzentente Zensur“ (Cenzura transcendentă) nächstes Jahr erscheinen wird.

Es ist das erste Mal in fast hundert Jahren, dass ein philosophisches Werk von Blaga in deutscher Sprache erscheint, eine Pionierleistung …

In diesem Zusammenhang muss man erwähnen, dass Blaga 1920 an der Wiener Universität eine in deutscher Sprache geschriebene Doktorarbeit verteidigt hat. Sie trägt den Titel „Kultur und Erkenntnis. Beiträge zu einer Erkenntnislehre vom kulturhistorischen Standpunkte“. Aber diese Doktorarbeit gibt es nur als Scriptum auf der Wiener Universitätsbibliothek. Also stand sie nur einem kleinen Publikum zur Verfügung. Seitdem gibt es keine seiner philosophischen Werke im deutschen Sprachraum, bis ich die ersten beiden schon erwähnten Bände der „Trilogie der Erkenntnis“ in den Jahren 2012 und 2014 im Wiener LIT-Verlag übertragen habe.

Sie haben erwähnt, dass die Metaphysik, mit der sich Lucian Blaga in seinen philosophischen Werken auseinandersetzt, nicht mehr so in Mode ist?

Um so wichtiger ist es, wiederum auf die Bedeutung metaphysischer Positionen in der Philosophie hinzuweisen. Und hier spielt Blaga eine zentrale Rolle. Beispielsweise fragt Blaga danach, warum der Mensch nur ausschnittweise erkennen kann, nie das Ganze, daher kann er sich nur indirekt und nie direkt ausdrücken. Die verschiedenen Kulturen sind nach Blaga indirekte Darstellungen „des großen Unbekannten“ (Marele anonim). Deshalb spielt die Metapher eine so eminente Rolle überhaupt. Blaga ist ein Philosoph internationaler Bedeutung.

Gab es Schwierigkeiten bei der Übersetzung des philosophischen Werkes von Blaga ins Deutsche?

Man muss bei Blaga zwei Aspekte trennen: den poetischen und den philosophischen Aspekt. Ich habe seine Dichtung nicht ins Deutsche übertragen, sondern nur seine philosophischen Arbeiten. Meiner Auffassung nach ist seine Dichtung viel schwerer zu übersetzen als seine Philosophie. Blaga ist ein sehr systematischer und nüchterner Philosoph und hat selber auch diese Trennung eingehalten. Selbstverständlich gibt es in der Philosophie auch sehr schwierige Stellen zu übersetzen und manchmal muss man lange nachdenken, um die beste Lösung zu finden. Eine wichtige Aufgabe besteht auch darin, Blaga in ein zeitgemäßes Deutsch zu übertragen, um dem Leser optimal entgegenzukommen. Manchmal steht man hier als Übersetzer vor großen Hindernissen, denn Blaga bildet gelegentlich sehr lange Sätze, die eine ganz andere Wortstellung im Deutschen erfordern.

Was könnte man tun, damit Lucian Blaga – da es diese Übersetzungen gibt – jetzt im deutschen Sprachraum als Philosoph bekannter wird?

Es besteht der Plan, Veranstaltungen, Symposien und Seminare im deutschen Sprachraum zu organisieren, um seine Philosophie in den Diskurs mit anderen Philosophen zu bringen, damit eine Debatte über das Problem des Zusammenhanges von Metaphysik und Erkenntnis in Schwung kommt. Denkbar wäre auch, dass man mit den zur Verfügung stehenden Materialien junge Leute aus dem Philosophiebereich für Magister- und Doktorarbeiten anwirbt.

Welche sind Ihre Zukunftsprojekte, was Blaga betrifft?

Geplant ist auf jeden Fall, jene Schriften zu übersetzen, die thematisch zusammengehören. Außer der „Trilogie der Erkenntnis“ ist zu denken z. B. an „Ştiinţă şi creaţie“ (Wissenschaft und kreatives Denken), „Geneza metaforei şi sensul culturii“ (Der Ursprung der Metapher und der Sinn von Kultur) und noch weitere kulturphilosophische Schriften. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung zweier namhafter Institutionen, und zwar das Rumänische Kulturinstitut in Bukarest und die Österreichisch-Rumänische Gesellschaft aus Wien. Nicht nur in Bukarest wurde das Buch präsentiert und das philosophische Werk von Lucian Blaga besprochen: Das Rumänische Kulturinstitut und der Wiener Salon haben es im Frühling in Wien vorgestellt; im Monat Oktober folgt eine Präsentation von Blagas Werk „Das dogmatische Weltalter“ in Deutschland, die vom Rumänischen Kulturinstitut in Berlin organisiert wird.

Blaga ist in einem bestimmten Sinne auch geografisch in Ihrer Nähe …

… ja, das ist ein besonderer Zufall, dass das Haus, wo Blaga als Diplomat in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in seiner Wiener Zeit gewohnt hat, ziemlich nahe von meiner Wohnung liegt. In den Tagebüchern seiner Frau, Cornelia Brediceanu, ist von dieser Gegend auch die Rede, wobei ich besonders berührt bin davon, weil es sich um einen Bezirk handelt, in dem ich aufgewachsen bin. Sehr erfreulich ist, dass wiederum eine Gedenktafel am Haus, wo Blaga damals gewohnt hat, wieder angebracht wird, nachdem die alte durch einen Umbau des Hauses verschwunden war.

Würden Sie einen besonderen Gedanken hervorheben, der Sie in Blagas Philosophie beeindruckt hat?

Blaga hat sowohl im Werk „Das dogmatische Weltalter“ aber auch in der Schrift „Die luziferische Erkenntnis“ viel Wesentliches gesagt; z. B. dass es in der Religion und auch in der Wissenschaft Widersprüche gibt, die nach einem ähnlichen Denkmuster gelöst werden. Das ist besonders wichtig hervorzuheben, weil üblicherweise die Wissenschaft glaubt, eine andere Methode zu verfolgen als es in der Religion geschieht.