„Man hat sich zu viele Jahre nicht interessiert“

ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht im Gespräch mit dem moldauischen Journalisten Vitalie Călugăreanu

Seit rund zwei Jahrzehnten ist Vitalie Călugăreanu Journalist in der Republik Moldau. Foto: privat

Von der Șor-Partei organisierte regierungskritische Proteste vor der Staatsanwaltschaft im Zentrum Chișinăus im Herbst 2022. Es gilt als bewiesen, dass die Partei viele Menschen für ihre Teilnahme bezahlt hat. Zusätzliches Geld erhielt, wer in Zelten vor dem Gebäude übernachtete. Foto: Ziarul de Garda (ZdG)

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine machte sich auch in der Republik Moldau die Angst vor einem russischen Angriff breit. Erfahrungen aus der Vergangenheit trieben viele Menschen dazu, die Republik in Richtung Rumänien zu verlassen. Das kleine Land mit etwa zweieinhalb Millionen Einwohnern wird oft als das „Armenhaus“ Europas bezeichnet – ungefähr ein Drittel der Bevölkerung arbeitet im Ausland. Aber warum ändert sich dort nichts? Vitalie Călugăreanu ist seit einundzwanzig Jahren Journalist in der Republik Moldau; seit rund zwei Jahrzehnten arbeitet er auch für die Deutsche Welle. Wie funktioniert der Presse- und Medienbereich in der Republik? Wie weit reicht der russische Einfluss? Welchen Problemen begegnen Journalistinnen und Journalisten in ihrer täglichen Recherche? Unsere Redakteurin Aurelia Brecht sprach mit dem Journalisten über die Medienlandschaft und die Verquickung von Macht, Korruption, Armut und Falschinformationen, die das Land seit dreißig Jahren in die Zange nehmen und destabilisieren.

Wie ist die derzeitige Situation im Land?

Wir haben zwei Wahlperioden hinter uns, in denen Menschen an der Regierung waren, die das Land massiv beklaut und auf unverantwortliche Weise regiert haben. Jetzt haben wir eine Regierung, die versucht, die Situation zu retten und das Land in Richtung Europäische Union zu führen. Trotzdem: Dreißig Jahre lang ist es nicht gelungen, uns im Bereich Energie von Russland unabhängig zu machen. Daraus resultieren die Hauptprobleme, die es in Bezug auf die  Energieversorgung gibt. Es gibt keine Lösungen ohne Erpressungen von russischer Seite.
Bei uns sind 55 Prozent der Bevölkerung proeuropäisch, 45 Prozent prorussisch eingestellt. Politischen Experten zufolge ist das die ideale Ausgangsposition für einen Bürgerkrieg. Russland hat alles dafür getan, dass die Situation so ist – durch seine Anhänger, die es in der Republik hat. Zudem ernten wir derzeit die faulen Früchte derjeniger, die zur Verarmung des Landes beigetragen haben: Im Jahr 2014 wurde eine Milliarde Dollar aus dem Staatshaushalt gestohlen. Als die Verantwortlichen die Macht verloren, flohen sie aus dem Land, um sich nicht vor Gericht verantworten zu müssen. Auch im Bereich Justiz ändern sich die Dinge nur schleppend. Es gibt Verantwortliche im Justizsystem, insbesondere in der Staatsanwaltschaft, die absolut abhängig von gewesenen Oligarchen sind, die die staatlichen Institutionen der Republik kontrolliert haben.

Im November und Dezember fanden von der prorussischen Șor-Partei organisierte Demonstrationen gegen die Regierung statt, bei denen die Partei den Demonstrierenden Geld für ihre Teilnahme gab. Wie sind diese Demos einzuordnen?

Das Land könnte dadurch destabilisiert werden. Diejenigen, die das Land beklaut haben, haben sich in verschiedene Länder abgesetzt: nach Großbritannien, die Türkei, nach Zypern. Die meisten sind in London. Wenn diese Leute vorher hier um die Business-Interessenssphäre gekämpft haben, dann kämpfen sie jetzt nicht mehr gegeneinander, sondern haben einen gemeinsamen Feind: Die jetzige proeuropäische Regierung, die rechtliche Hebel im Ausland in Gang gesetzt hat, die die Unabhängigkeit und Freiheit dieser Leute bedrohen. Das hat dazu geführt, dass sie zusammenstehen, besonders in Bezug auf das gestohlene Geld aus dem Staatshaushalt. Zusätzlich haben sie einen Weg zu politisch-mafiösen Gruppierungen im Kreml gefunden. Das Ergebnis: Russland und diese Oligarchen, die international gesucht werden, haben ein Ziel – nämlich die Macht in der Republik Moldau wieder zu gewinnen. Entweder durch vorgezogene Wahlen oder durch die Erosion der derzeitig regierenden „Partei der Aktion und Solidarität“/„Partidul Acțiune și solidaritate“ (PAS) mit Maia Sandu bis zu den nächsten regulären Wahlen.

Der jetzige proeuropäische Kurs soll zurückgedrängt und eine Anlehnung an Russland erreicht werden. Die Demonstrationen, die durch die [or-Partei organisiert wurden, kalkulieren mit der Armut der Bevölkerung und wollen die Gesellschaft spalten: Manche Menschen müssen mit 100 Euro im Monat auskommen. Im Winter ist das besonders knapp. Sie haben die Leute dazu gebracht, die Regierung zu hassen, indem sie ihnen einimpften, dass sie an den Lebensumständen schuld sei. Verschwiegen wird aber, wer das Land bestohlen hat. Mit dem sozialen Faktor wird gespielt, um möglichst viele Leute auf ihre Seite zu ziehen und im richtigen Moment zum Gegenschlag gegen die Regierung auszuholen. Entweder durch verfassungswidrige Handlungen oder mit Hilfe von Wahlen.

In der Vergangenheit war so Einflussnahme auf Politik möglich?

Im Jahr 2016 gewann Igor Dodon, ein prorussischer Kandidat, die Präsidentschaftswahlen gegen Maia Sandu mit Hilfe von korrupten Parteien, die versucht haben, zu stehlen – unter dem Deckmantel einer angeblichen proeuropäischen Ausrichtung. Der Milliardenraub von 2014 war dramatisch: Die Wirtschaft war paralysiert, die Leute enttäuscht. Da hieß es schnell, dann wählen wir nicht mehr proeuropäisch, sondern wieder prorussisch. Alte Mythen erlebten eine Renaissance: In der Sowjetunion sei es besser gewesen, Russland werde uns vor der NATO beschützen. Der „Familienmensch“ Igor Dodon wurde der kinderlosen, alleinstehenden Maia Sandu gegenübergestellt. In dieser Atmosphäre und auf Basis von Fake-News finden diese Umwälzungen statt.

Es gibt Beispiele, in denen Fake-News ganz direkt Einfluss auf die Politik hatten?

Ja. Es gibt da die Geschichte von den 30.000 Syrern, die im Jahr 2015 auf einer humoristischen Internetseite erschien. Von dort wurde weiterverbreitet, Maia Sandu habe eine Absprache mit Angela Merkel getroffen: Die Syrer sollten im Kontext der Flüchtlingskrise in der Republik aufgenommen werden. Diese Fake-News wurden bereits am selben Abend in Talk-Shows prorussischer Sender thematisiert, so als ob das wirklich passieren würde. Kurz darauf richteten elf Priester, die zur Metropolie von Chișinău und der ganzen Moldau – also kirchenrechtlich zur russisch-orthodoxen Kirche – gehörten, eine Pressekonferenz aus: Sie erklärten öffentlich, Maia Sandu sei als Präsidentin nicht geeignet. Sie habe keine Kinder, sei lesbisch, Gott habe sie bestraft. Alles traditionell russische Narrative, die in vielen Ländern auftauchen. Diese Geschichte war entscheidend: Sie kostete Maia Sandu die Wahl, und Igor Dodon kam an die Macht. Dadurch haben wir vier Jahre verloren. Das verdanken wir den Fake-News.

Wie weit reicht der russische Einfluss im Medienbereich?

Der Prozentsatz an Medien, die russische Propaganda verbreiten, liegt bei 80 Prozent. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben diejenigen Politiker, die an der Regierung waren, alles dafür getan, dass die Presse, die russische Propaganda verbreitet, nicht nur von Russland, sondern auch aus der Republik selbst finanziert wird. Nicht nur durch Parteien, auch durch den Werbebereich. Er wurde monopolisiert und befindet sich in der Hand zweier Werbehäuser. Durch sie wurde exzessiv Werbung platziert, zum Vorteil der propagandistischen Sender und zum Nachteil der Sender, die versuchten, in der Regierungszeit Plahotniuks, Dodons oder Voronins zu überleben. Durch das Chaos, das durch bestimmte Politiker verursacht wurde, haben wir sehr viele Journalisten mit Rückgrat verloren. Sie konnten sich in ihren Redaktionen nicht mehr finanzieren und arbeiten jetzt z.B. als Koch in Rumänien oder als Altenpflegerin in Italien.

Was  sind die berühmtesten Fake-News, die von russischer Seite herüberschwappen?

Erstes Motiv: Die Angst vor der NATO und davor, dass die Republik Moldau sich Transnistrien einverleiben will. Zweites Motiv: die Hoffnung auf eine Vereinigung mit Rumänien. Auch hier ist die Gesellschaft gespalten: Es gibt eine beträchtliche Anzahl an Leuten, die russisch ausgerichtet sind und die sich vor einer Vereinigung mit Rumänien fürchten. Für sie bedeutet das den Verlust des Landes. Ungefähr 30 Prozent wünschen sich eine Vereinigung, hauptsächlich deswegen, weil sich durch die Zugehörigkeit zur Europäischen Union wirtschaftliche Vorteile ergeben. Insgesamt denken 55 Prozent der Bevölkerung proeuropäisch – 45 Prozent sind gegen eine Vereinigung. Das dritte Motiv betrifft die Homosexuellen: In dieser Erzählung wird die Europäische Union mit einer Invasion von Homosexuellen gleichgesetzt.

Es wird also statt Information eher Propaganda verbreitet?

Ja. Wir haben einen „schädlichen“ Medienbereich, der zu viele Medien unterhält, die Propaganda verbreiten. Gleichzeitig senden Radiostationen in Transnistrien ohne jegliche verfassungsrechtliche Grundlage bis nach Chișinău. Und so haben wir nicht nur hier vor Ort propagandistische Medien, wir werden zusätzlich aus Transnistrien mit Propaganda bombardiert.

Sie sagen also, dass dieser Einfluss aus Russland und Transnistrien hier sehr stark ist?

Der russische Einfluss kann hier alles verändern. Jede Regierung zu Fall zu bringen. Wenn jemand das möchte, kann er mit einer konzertierten Aktion diese propagandistischen Medien in Gang setzen und falsche Informationen verbreiten. Das kann Ausmaße annehmen, die man irgendwann nicht mehr steuern kann.

Sie selbst arbeiten für die Deutsche Welle.  Auf welchen Wegen wird bei der Deutschen Welle heute gesendet?

Die deutsche Welle hatte ein Programm auf Rumänisch für die Hörer aus der Republik Moldau und Rumänien, das in Bonn produziert wurde. In der Republik haben 18 Partner das Programm übertragen: Täglich eine Stunde. Dieser Radiosender wurde aufgelöst. Wir sind jetzt auf Rumänisch nur noch online in Textform präsent.

Wenn so etwas wie Radio noch existieren würde, könnten sich die Menschen vielleicht unabhängiger informieren…

Das stimmt. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass in der Republik Moldau nicht alle Menschen Zugriff auf das Internet haben, um Nachrichten vergleichen können und zu unterscheiden: Das ist eine Falschnachricht, dann schaue ich mal was die anderen dazu sagen. Wenn man mit einem Mikrofon in die Dörfer fährt und die Leute befragt, erzählen sie das, was sie im Fernsehen gesehen haben. Und im Fernsehen sind 80 Prozent der Informationen Falschinformationen.

Die Fokussierung auf den Online-Bereich ist aber ein allgemeiner Trend.

Sicherlich. Auch die BBC hatte hier einen Standort und Radiosendungen. Radio Free Europe hatte ein Morgenprogramm. Sie strukturieren im Moment um, konzentrieren sich aber auch auf den Online-Bereich. Dadurch werden weite Teile der Bevölkerung den russischen Nachrichten überlassen – die haben nämlich Lösungen: Die Leerstelle, die auf unserer Seite entsteht, nutzen die russischen Medien und füllen das mit ihrer Propaganda.

Was machen eigentlich die Franzosen?

Die sind noch präsent im Radiobereich. Radio France International sendet noch.

Gibt es in der Republik Probleme mit öffentlichen Stellen bei der He-rausgabe von Informationen?

Bis 2019 haben öffentlichen Stellen nicht auf Anfragen geantwortet. Es gab immer formale Antworten, die so allgemein waren, dass man mit deren Inhalt nichts anfangen konnte.
Unter der jetzigen Regierung erhalten wir Antworten. Die Staatsanwaltschaft ist sehr verschlossen. Probleme gibt es bei Anfragen an die Justiz. Ich schaue immer etwas eifersüchtig in unser Nachbarland Rumänien, wo Journalistinnen und Journalisten Zugang zu den Anklageschriften und Datenbanken haben. Bei uns schützen sich Personen auf Justizebene gegenseitig. Es gibt viele Prozesse, in denen die Presse mit der Justiz über den Zugang zu Informationen streitet, die von Interesse für die Öffentlichkeit sind.

Hat das damit zu tun, dass der Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht gut ausgebaut ist? Man gewinnt den Eindruck, dass die entsprechenden Stellen oft nicht so genau wissen was sie nach außen kommunizieren können und was nicht.

Wir haben im Bereich Justiz keine Leute, die für diesen Bereich zuständig sind. So etwas gibt es nicht. Aus dem einfachen Grund, weil es nicht gut bezahlt ist. Niemand will so etwas machen. Da werden händeringend Leute gesucht, die dazu befähigt sind, in einer professionellen Art und Weise auf Fragen von journalistischer Seite zu antworten.

Nimmt die Politik Einfluss auf die Medien?

Bisher war es immer so, dass die Politiker, die in diesem Land an die Macht gekommen sind, versucht haben, den Medienbereich unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei spielte der Werbebereich eine große Rolle. Früher gab es „Parteizeitungen“, die aber abgeschafft wurden. Stattdessen wurde begonnen, nicht mehr offen, sondern verdeckt Kontrolle auszuüben, indem die Parteien die Medien indirekt finanzierten. Durch Blogger und Trolle wurde der Online-Bereich beeinflusst. Das Spiel lief dann so ab: Am Morgen wurde eine schockierende Nachricht in die Welt gesetzt. Mittags kam die Nachricht im Radiobereich an und am Abend war das Thema in den Talkshows. So haben wir gelebt – mit Themen und Skandalen, die erfunden waren! Es gab keinerlei Handhabe, dagegen vorzugehen, bis wir im Ausland klargemacht haben: Wenn sich nichts ändert, dann gibt es hier bald keine normale Presse mehr.

Durch die Vertretung der Europäischen Union und verschiedene Nichtregierungsorganisationen bekamen wir schließlich finanzielle Unterstützung: So wird zumindest für den interessierten Teil der Bevölkerung eine gute Nachrichtensituation sichergestellt. Wir haben unabhängige Journalisten und Presseinstitutionen – auch wenn man das vielleicht nicht erwartet. Aber das ist nicht irgendwelchen Reformen seitens der Regierenden zu verdanken, sondern geht auf die finanzielle Förderung des Bereichs aus dem Ausland zurück. Kooperationen mit Medien aus dem Ausland ermöglichen es Journalistinnen und Journalisten oft, unabhängigen Journalismus in der Republik Moldau zu gestalten.

Hat sich mit der neuen Regierung etwas im Medienbereich verändert?

Es gibt Veränderungen in Bezug auf den Zugang zu Informationen. Der Werbebereich wird weiter durch zwei Werbehäuser kontrolliert – hier fließt viel Geld. Die Gesetzeslage wurde verändert, aber die Effekte dieser Änderung sehen wir noch nicht. So wie Geld zu propagandistischen Fernsehsendern und in den Werbebereich gelangte, so fließen weiterhin finanzielle Hilfen an diese Stellen. Betreffend Propaganda haben wir ein komplettes Desaster. Die eine Institution, die etwas dagegen tun könnte, erledigt ihre Arbeit nicht: Der „Staatliche Rat für audiovisuelle Medien“. Er steht in der Kritik, weil er zu wenig unternimmt, um die Propaganda einzudämmen – wir beobachten keine Handlungen seitens dieser Institution, um den Bereich „aufzuräumen“. Von staatlicher Seite müsste dort etwas unternommen werden.

Die Mitglieder dieses Rats wurden unter der neuen Regierung zwar durch Personen ersetzt, die die Dinge anders angehen, aber nichts grundlegend ändern – stattdessen beschäftigen sie sich mit Nebenschauplätzen. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Eigentlich müssten sie schnell handeln können. Aber es wird argumentiert, dass die Gesetzeslage es nicht zulässt. Um einen Radio- oder Fernsehsender zu schließen, braucht es drei Abmahnungen, drei Geldbußen. Dann ist es möglich, dem entsprechenden Medium drei Monate lang zu verbieten, Werbung zu senden. Erst danach kann man es schließen lassen. Das Gesetz wurde unter einer früheren Regierung absichtlich so gestaltet, dass die Propaganda nicht aus diesem Land verbannt werden kann. Mit 63 der 101 Stimmen hat man die Mehrheit im Parlament.

Die neue Regierung hätte die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen. Aber eines der Argumente dagegen ist, dass ihnen die Krisen im Weg standen. Der Krieg, die Energiekrise, die Pandemie. Ein anderes ihrer Argumente ist, dass die Entwicklungspartner auf uns schauen. Sie sorgen sich, dass man ein schnelles Vorgehen als Missbrauch der Demokratie werten könnte. Natürlich kann man nicht ohne weiteres einen Radio- oder Fernsehsender schließen. Aber man kann beweisen, dass die entsprechenden Medien Propaganda verbreiten und bestimmte journalistische Grundsätze verletzt wurden.

Gibt es derzeit eine Stimmung der Enttäuschung gegenüber der Regierung?

Eine gewisse Zersetzung macht sich bemerkbar: Mit jeder Regierung ist es so, dass es zunächst eine Aufwärtsbewegung gibt und ab einem bestimmten Punkt kommt die Abwärtsbewegung. Besonders in einem armen Land wie der Republik Moldau macht sich schnell Unzufriedenheit breit. Ein harter Winter ohne Ressourcen in puncto Energie, mit dem Krieg an der Grenze, mit einer [or-Partei und einem Dodon, die die Leute gegen die Regierung aufbringen.

In den Umfragen sind die Preissteigerungen die Hauptsorge der Leute. Das steht noch vor dem Krieg. All das setzt der Regierung zu. Sie kann die Situation retten und Vertrauen wiedergewinnen, indem sie in den zwei verbleibenden Jahren schnelle Änderungen herbeiführt – beispielsweise im Justizbereich. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation mit dem Krieg in unmittelbarer Nähe. Die jetzige Regierung hat eigentlich alle Hebel zur Verfügung, die Dinge schnell zu ändern: Am 24. Februar 2022 wurde der nationale Notstand ausgerufen. Er wurde immer wieder verlängert und gilt nach wie vor. In Bezug auf bestimmte Gelder, die diejenigen weiter kontrollieren, die Geld aus dem Staatshaushalt gestohlen haben und die weiterhin im Land Einfluss nehmen, könnte man durchaus intervenieren.

Haben Sie mit dem Angriff auf die Ukraine gerechnet?

Ja, als Putin die Truppen an der Grenze zur Ukraine konzentriert hat. Wir hatten keine Informationen und haben immer die Informationen der Briten und Amerikaner verfolgt, die darauf hinwiesen, dass ein Angriff bevorsteht. Mir war klar, dass es zum Krieg kommen würde. Aber nicht durch die Berichterstattung, sondern durch die Fakten, die Informationen der Briten und Amerikaner und das Verhalten der Weißrussen: Wenn man die Handlungen Lukaschenkos analysiert, ist das ein sehr guter Gradmesser. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen in Bezug darauf, was Putin vorhat.

Wenn Sie etwas innerhalb des Journalismus in der Republik Moldau ändern könnten, was wäre das?

Eine Lösung, die helfen würde den Medienbereich aufzubauen, ist folgende: Die Hälfte der Medienhäuser in Rumänien engagiert zu rumänischen Konditionen einen Reporter in der Republik und gibt ihm damit die Chance, unabhängigen Journalismus zu machen. Unabhängig von den Parteien oder den Russen. Was das für einen Effekt haben könnte! Möglichst viele Journalisten müssten aus unseriösen Medien herausgezogen werden und für seriöse Medien arbeiten. Aber zu Konditionen, in denen sie finanziell überleben können.

Ist es ein Problem, dass die westlichen Länder sich nicht für Länder wie die Republik Moldau interessieren?

Die Republik ist jetzt interessant geworden. Ich merke das daran, dass es mehr Anfragen, zum Beispiel aus Deutschland, gibt. In der Vergangenheit, als das Land von Oligarchen dominiert wurde, als es noch keinen Krieg gab, die Gefahren nicht so deutlich sichtbar waren, da war das Interesse gering – man hat sich zu viele Jahre nicht interessiert. Mit dem Krieg änderte sich das.
Aber als es nur die Korruption gab, Oligarchen wie einen Wladimir Plahotniuk, war das nicht wichtig. Er wurde in Amerika und Brüssel als jemand empfangen, der die Strippen in der Repu-blik Moldau zieht und mit dem die USA verhandeln können. Er war im Weißen Haus auf Besuch und spazierte im Kongress herum. Niemand hat sich damals gedacht, dass er innerhalb von zwei Jahren zur „Persona non grata“ in den USA erklärt werden würde. Wir haben hier damals laut gerufen, geschrien, gebrüllt: „Hilfe, hier gibt es Korruption! Korruption! Und ihr empfangt den?“ Aber er war eben derjenige, der die Dinge auf Staatsebene entscheiden konnte.