„Man muss schauen, dass man die Begriffe so übersetzt, dass die tiefere Bedeutung deutlich wird“

Gespräch mit Pfarrer Dr. Jürgen Henkel über seine fünf jüngsten Publikationen

Pfr. Dr. Jürgen Henkel präsentierte seine jüngsten Publikationen im Bukarester Schillerhaus. | Foto: Sorin Roșu

Am 12. Oktober war das Bukarester Kulturhaus „Friedrich Schiller“ nach Temeswar und Hermannstadt die letzte Station auf der Buchvorstellungstour des lutherischen Pfarrers Dr. Jürgen Henkel, langjähriger Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, wobei er dem hauptstädtischen Publikum in einer intimen, vertrauten Atmosphäre im Beisein evangelischer und orthodoxer Theologen sowie begeisterter Laien fünf jüngst erschienene Bücher vorstellte, die er geschrieben, übersetzt oder herausgegeben hat. 
Erstere drei sind Teil der von Dr. Henkel initiierten Buchreihe „Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek“ und dank der Förderung des Deutsch-Rumänischen Instituts für Theologie, Wissenschaft, Kultur und Dialog „Ex fide lux“ veröffentlicht worden. Zum Auftakt seiner Präsentation sprach Dr. Jügen Henkel über die zweisprachige, von ihm herausgegebene Neuerscheinung „Christentum und kirchliches Leben im Banat in Geschichte und Gegenwart/Creștinismul și viața bisericească în Banat în trecut și prezent“ (Schiller-Verlag 2022, Hermannstadt), deren Herausgeber außerdem S.E. Ioan Selejan, Metropolit des Banats; S.E. József-Csaba Pál, Bischof von Temeswar; und Hermann Schönauer, Vorsitzender von „Ex fide lux“, sind. Das Buch enthält Beiträge zur Landeskunde, Religions- und Kulturgeschichte des Banats und porträtiert in Einzelstudien die Rumänische Orthodoxe Kirche, die katholische und protestantischen Kirchen der Region in Geschichte und Gegenwart. Zudem bietet es eine Studie über die Banater Schwaben und zwei historische Beiträge zu den orthodoxen Bistümern in Arad und Karansebesch sowie zur evangelischen Kirchengemeinde in Arad. Was Dr. Henkel bei der Forschung und interkonfessionellen Zusammenarbeit beobachtet hat, ist, dass hierzulande sowie im benachbarten Serbien die Volksangehörigkeit enger mit der Konfession verbunden ist als in anderen Ländern. Nichtsdestotrotz gilt das Banat als ein Vorbild für gelingendes multiethnisches und multikonfessionelles Zusammenleben in Rumänien und als Beispiel für Europa.
Dann präsentierte er „Die Orthodoxie zwischen Tradition und Moderne“ mit Beiträgen und Studien des rumänisch-orthodoxen Metropoliten von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, Serafim Joantă. Der Autor des 2020 ebenfalls beim Hermannstädter Schiller-Verlag anlässlich seines 25. Amtsjubiläums erschienenen Bandes setzt sich mit den zentralen Leitmotiven der orthodoxen Theologie und Spiritualität auseinander und schafft einen Querschnitt durch das orthodoxe geistliche Leben seiner Kirche in Geschichte und Gegenwart, der zum besseren Verständnis der ostkirchlichen Frömmigkeit und Praxis hilft. Beim selben Verlag ist das dritte präsentierte Buch „Beichte und Kommunion. Seelsorge und Lebensbegleitung durch Geistliche Väter in der orthodoxen Glaubenspraxis“ des Metropoliten Andrei von Klausenburg, Maramuresch und Sălaj veröffentlicht worden. 
Über seine Beiträge zu diesen Büchern, seine Forschungs- und Herausgeberarbeit, sowie über die beiden 2019 beziehungsweise 2021 erschienenen Kunstführer durch Hermannstadt und Schäßburg hat sich Pfr. Henkel anschließend mit Redakteurin Cristiana Scărlătescu unterhalten. 

Herr Henkel, Sie haben die fünf Bücher hervorragend auf Rumänisch präsentiert. Wie lässt sich Ihr hohes rumänisches Sprachniveau erklären?
Ich stamme aus Bad Windsheim, Deutschland, und bin erstmals 1991/1992 mit klassischen Hilfsgütertransporten hierher gekommen, war aber sofort fasziniert von dem Land, von den Menschen, auch von den unterschiedlichen kirchlichen Kulturen, die ich hier entdeckt hatte. Das hat in mir das Interesse geweckt, Rumänisch zu lernen, was mir durch viele Jahre intensiven Latein- und Französischunterricht und auch ein Jahr Spanisch an einem neusprachlichen Gymnasium erleichtert wurde. 
Danach habe ich vier Semester am Protestantisch-Theologischen Institut in Hermannstadt studiert. Es war eine wunderschöne Zeit. Dann war ich für meine Doktorarbeit über Dumitru Stăniloaie hier, von 1998 bis 2001. Ich habe die Arbeit in Erlangen, Deutschland, eingereicht, aber eben hier in Rumänien geforscht. Dann war ich von 2003 bis 2008 als Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen tätig. Vor allem für die Doktorarbeit und die Arbeit an der EAS war Rumänisch unverzichtbar.

Dass Sie der Autor beziehungsweise Herausgeber zahlreicher Bücher sind, ist unserer Leserschaft längst bekannt. Wie war es im Fall von „Christentum und kirchliches Leben im Banat in Geschichte und Gegenwart“? Haben Sie den zweisprachigen Band herausgegeben oder auch mitgeschrieben?
Wir vier, also der orthodoxe Metropolit des Banats Ioan Selejan, der katholische Bischof József-Csaba Pál, Herr Rektor Hermann Schönauer, unser Vorsitzender vom Institut „Ex fide lux“, und ich haben das Buch gemeinsam herausgegeben. Ich selber bin auch Koautor, weil ich eine kleine Studie über die Banater Schwaben veröffentlicht habe. Das ist mein Beitrag im Buch, aber ansonsten bin ich Herausgeber. 

Welches war Ihr Beitrag zu den anderen beiden heute vorgestellten Büchern, „Beichte und Kommunion“ und „Die Orthodoxie zwischen Tradition und Moderne“, der orthodoxen Metropoliten Andrei von Klausenburg beziehungsweise Serafim von Deutschland?
Ich habe diese beiden Bücher übersetzt und dann mit einer Einleitung, einer theologischen Einführung herausgegeben. Alle drei theologischen Bücher sind in unserer Deutsch-Rumänischen Theologischen Bibliothek als Buchreihe erschienen. Die ist mittlerweile zwölf Bände stark. Wir hätten diese auch schon länger vorstellen wollen, es ist jedoch eben an dieser Pandemie gescheitert. Jetzt kümmern wir uns wieder darum. (lacht) 

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den beiden Metropoliten abgelaufen?
Es ist bei beiden eine wunderbare Zusammenarbeit gewesen. Bei Metropolit Serafim bin ich sowieso seit vielen Jahren, seit ‘96, auch ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Metropolie. Gerade wenn es um Textübersetzungen geht, bin ich da immer schon eingebunden gewesen. Wir haben auch gemeinsam viele Projekte schon gemacht. Es war eine hervorragende Zusammenarbeit. Ich übersetze dann die Texte und der Metropolit bekommt sie zur Korrektur – er kann ja mittlerweile nach 28 Jahren selber auch sehr gut Deutsch. Genauso hervorragend war auch die Zusammenarbeit mit Metropolit Andrei von Klausenburg. Ihn kenne ich persönlich seit 1998, als er noch Erzbischof in Karlsburg/Alba Iulia war. Damals, bei meinem allerersten Besuch, als ich als Journalist da war um eine Reportage über das Verhältnis zwischen den Orthodoxen und den Griechisch-Katholischen in der Region Siebenbürgen zu schreiben, hat er mir dieses Buch geschenkt. Ich habe es mit solcher Begeisterung gelesen, nachdem ich Rumänisch zwischenzeitlich gelernt habe, dass ich mir noch damals vorgenommen hatte: „Das muss ich unbedingt übersetzen“. Ich habe dann 2008 angefangen und es hat tatsächlich bis 2019 gedauert, bis ich fertig war, weil diese ganzen Projekte natürlich alle neben meiner normalen Tätigkeit, meiner derzeitigen Haupttätigkeit als Gemeindepfarrer in Selb, Deutschland, laufen. 
In der Zwischenzeit habe ich Kontakt mit ihm gehalten. Er kann sehr gut Französisch, aber nicht Deutsch. Ich habe natürlich den Kontakt auch mit Theologen von der Universität Klausenburg/Cluj-Napoca gehalten, die haben das Buch auch mal korrekturgelesen. Das hat sich dann hervorragend gefügt. Wir hatten von dem Institut „Ex fide lux“ her und ich persönlich mit Klausenburg eine genauso gute Zusammenarbeit wie mit Metropolit Serafim in Deutschland, auch mit Erzbischof Teodosie in Konstanza, auch dem Metropolit Laurențiu von Siebenbürgen und Pfr. Daniel Buda, dem Dekan der Theologischen Fakultät in Hermannstadt.   

Was waren die Schwierigkeiten bei der Übersetzungsarbeit? Wie kommen Sie mit der orthodoxen Terminologie zurecht?
Das ist eine echte Herausforderung, denn gerade ältere Kirchen- und Wüstenvätertexte, die in solchen Büchern von orthodoxen Theologen zitiert werden, verwenden einen Wortschatz, den man in keinem Lexikon findet. Oft habe ich mit diesem rumänischen begriffsetymologischen Wörterbuch „DEX“ online gearbeitet, das hat mir viel geholfen. Manches muss man sich dann auch erschließen, oder einfach mal anrufen bei orthodoxen Freunden, die auch sehr gut helfen können. Der Text muss ja nicht nur ins Deutsche übersetzt werden, sondern er muss auch stimmig sein. Wenn ich manche Termini wörtlich übersetzen würde, wären sie im Deutschen sogar missverständlich. Man muss schauen, dass man die Begriffe so übersetzt, dass die tiefere Bedeutung deutlich wird. Das ist natürlich bei jeder Übersetzung die Herausforderung, auch wenn man einen Roman übersetzt. Theologie zu übersetzen ist kompliziert, aber man kommt schon rein.

Haben Sie alle fünf Bücher beim selben Verlag herausgegeben, bzw. veröffentlicht?
Das Schiller-Verlag in Hermannstadt ist unser Partner bei der Buchreihe „Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek“, und dabei haben wir selber die Initiative und können selber als Herausgeberkreis entscheiden, was wir veröffentlichen und was nicht. Der Kunstverlag Josef Fink aus Lindenberg im Allgäu ist ein sehr  renommierter Kunstverlag in Deutschland, der mich konkret anfragt, ob ich Reiseführer schreiben könnte. 

Sie sind der Autor zweier Kunstführer über Schäßburg und Hermannstadt. Stammen die darin enthaltenen Fotos auch von Ihnen?
Einige ja, die meisten stammen aber von Martin Eichler. Er ist ein sehr guter Profifotograf, hat einen eigenen Bildverlag in München. Ich selber habe auch eine journalistische und eine Pressefotografie-Ausbildung. Seit über 30 Jahren mache ich Journalismus und eben auch sehr viele Pressefotos, und habe einige von ihnen auch selbst beisteuern können. Jetzt zum Beispiel habe ich aktuelle Fotos in Temeswar gemacht. Ich habe auch eine Reise nach Sofia, Bulgarien, unternommen. Dort habe ich über 3000 Fotos für einen weiteren Kunstführer geschossen. 
Das Problem ist eigentlich immer die Finanzierung, denn solche Dinge sind nicht sofort auf dem Markt wirtschaftlich erfolgreich, weil leider Osteuropa, Südosteuropa für deutsche Touristen keine bevorzugten Ziele sind. Ich war damals mit einem Journalistenkollegen und Freund unterwegs und wir haben in Sofia viele Engländer und Franzosen als Reisende getroffen, aber kaum Deutsche. Das wollen wir eigentlich auch verändern, weil das sind ja spannende, sehr schöne Reiseziele.    

Dürfen wir bald mit einem neuen Kunstführer über Temeswar rechnen?
Das wäre mein nächster Wunsch und Traum – passend natürlich zur europäischen Kulturhauptstadt 2023. Dies wäre schon sinnvoll. Er muss nicht unbedingt so ausführlich sein wie der Hermannstadt- und der Schäßburg-Führer, die jeweils 80 Seiten lang sind. Aber dass zumindest für das deutsche Reisepublikum im nächsten Jahr handlich, kompakt das wichtigste, was man sich in Temeswar anschauen sollte, einfach in einem solchen Band vorliegt, das wäre mein Wunsch. Vielleicht schaffen wir es, dass der bis Frühjahr dem Druck vorliegt, bevor die Reisezeit beginnt.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!