Maskenvielfalt und gute Unterhaltung

Banatschwäbische Faschingstradition lebt in Großsanktnikolaus weiter

Grundschullehrerin Ramona Roosz-Suba kam als Ärztin verkleidet – auch andere ihrer Kolleginnen und Kollegen schlüpften in verschiedene Kostüme.

Team-Arbeit gestärkt: Spielerisch lernten die Kinder, wie wichtig Kooperation ist.

Auch eine Bonbonfee gab es heuer beim Fasching in Großsanktnikolaus. Fotos: Zoltán Pázmány

Ihre langen Haare hat sie zu zwei Zöpfen zusammengeflochten, die Augen verdeckt eine Sonnenbrille und auf dem Kopf trägt Giulia einen blauen Helm. Als Polizistin ist die Neunjährige zum Fasching gekommen – und eigentlich ist sie unter ihren Kolleginnen, die sehr weibliche Kostüme anhaben, eine Ausnahme. Am heutigen Donnerstag, dem 20. Februar, geht es in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, der 11.000-Einwohner-Stadt im Kreis Temesch/Timișoara unweit der Grenze zu Ungarn, sehr lustig zu. Die deutsche Abteilung des Kindergartens und der „Nestor Oprean“-Schule feiern das Faschingsfest, das Kindern und Jugendlichen, aber auch den Erwachsenen viel Freude bereitet.
Im Náko-Schloss haben die „Cerinos“ – zwei beliebte Animateure aus Temeswar/Timișoara – lustige Spiele für Klein und Groß vorbereitet. Angefangen mit dem Kindergarten, über die Grundschulklassen und bis hin zu den Gymnasialklassen machen alle mit, denn Spiel und Spaß ersetzen heute den klassischen Unterricht, der in der Schule abgehalten wird. Dass das Faschingsfest jedes Jahr in Großsanktnikolaus gefeiert wird, dafür sorgt die Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Großsanktnikolaus und Lehrerin für Deutsch und Geschichte der deutschen Minderheit an der „Nestor Oprean“-Schule, Dietlinde Huhn. Für sie ist es wichtig, dass die Schüler der deutschen Abteilung den Sinn dieses Festes begreifen und aktiv mitmachen, in ein Kostüm schlüpfen. Das Faschingsfest bedarf in der Schule keiner großen Werbung, denn bereits kurz nach Schulbeginn fragen die Kinder, wann denn wieder Fasching auf dem Programm steht. 

Sich durch Spiele besser kennenlernen

„Es ist ein typisches Fest der deutschen Gemeinschaft, das immer sehr gerne, vor allem von den Jugendlichen, aber nicht nur, gefeiert worden ist. Ich gehe immer wieder davon aus, dass die deutsche Abteilung aus Großsanktnikolaus ein Profil braucht, das dazu beiträgt, dass die Abteilung attraktiv ist und den Schülern mehr bietet als nur in den Bänken zu sitzen und zu lernen“, erklärt Dietlinde Huhn. Feste, wie zum Beispiel das Faschingsfest, haben immer auch etwas Erzieherisches – und zwar ist es mehr als nur die Tatsache, dass dadurch die jungen Menschen die Traditionen der Deutschen kennenlernen und diese weitergeben, ist Dietlinde Huhn überzeugt. Die Kinder und Jugendlichen lernen sich dadurch klassenübergreifend besser kennen, sie dürfen sich austoben und – ein wichtiger Aspekt – sie überwinden ihre Angst und schlüpfen trotz anfänglicher Hemmungen in ein Kostüm, um anderen eine Freude zu bereiten. 

Amalia und Alexandru tragen Westen, gestreifte Krawatten und runde Brillen. Beide stellen den jungen Zauberer Harry Potter dar. Maria ist mit ihrer grellen, pinkfarbenen Perücke und den vielen bunten Bonbons, die an ihrem rosa Kleid hängen, die Bonbonfee heute. Markus ist ganz schwarz gekleidet – er stellt heute ein Phantom dar. Ganz im Sinne des Oscar-prämierten Schauspielers Joaquin Phoenix ist Dario heute als Joker zum Fasching erschienen. Die dritte und die vierte Klasse der deutschen Schulabteilung dürfen gemeinsam mit „Cerino“ feiern. Ihre Lehrerinnen, Ramona Roosz-Suba und Adina Talpoș, sind auch verkleidet – Ramona Roosz-Suba, die als stellvertretende Schulleiterin auch für die deutsche Abteilung verantwortet, trägt ein Arztkostüm mit Mundschutz, die Grundschullehrerin Adina Talpo{ ist als Robin Hood gekommen. 

„Fasching ist ein buntes, lustiges und schönes Fest, worauf sich die Kinder sehr freuen. Die Kinder lernen sich untereinander kennen und haben gemeinsam viel Spaß“, sagt Ramona Roosz-Suba. Auch die Eltern machen jedes Jahr mit, was die Grundschullehrerin sehr zu schätzen weiß. Die Kreativsten unter ihnen basteln die Kostüme selbst, andere wiederum kaufen diese oder leihen sie aus. „Ohne ihre Hilfe könnten wir das nicht schaffen“, sagt die Lehrerin. 190 Kinder und Jugendliche – vom Kindergarten bis zur achten Klasse – besuchen die deutsche Abteilung in Großsanktnikolaus. Sie alle feiern jedes Jahr, immer im Februar, das Faschingsfest. Ob das nicht etwa die anderen Schüler, jene von den rumänischen Abteilungen, neidisch macht? „Meine Nachbar-klasse ist eine Vorschulklasse der rumänischen Abteilung. Sie waren sehr neugierig heute Morgen, als sie gesehen haben, dass meine Schüler verkleidet gekommen sind. Wir sind dann durch ihre Klasse gezogen und haben den Kleinen erklärt, was eigentlich Fasching bedeutet“, sagt Ramona Roosz-Suba, die in diesem Jahr eine dritte Klasse mit 23 Schülerinnen und Schülern betreut.

Adina Talpoș ist heute als König der Diebe beim Fasching erschienen. Die aus Tschanad/Cenad stammende Lehrerin betreut eine vierte Klasse mit insgesamt 13 Schülerinnen und Schülern und findet das Faschingsfest sehr schön. „Fasching ist ein entspannter Tag in der Schule, an dem sich jeder verkleidet, wie er möchte. Meine Kinder haben verschiedene Ideen gehabt. Wir hatten Prinzessinnen, eine Lehrerin, Ninjas, Joker – alles, was sie so im Fernsehen sehen“, erzählt die Grundschullehrerin. Auch Schulleiter Vasile Istode wohnt dem Faschingstreiben im Náko-Schloss für eine kurze Zeit bei. Seine Schule besuchen insgesamt 700 Schülerinnen und Schüler, davon 145 die Klassen I-VIII der deutschen Abteilung. Deutsch wird auch an der rumänischen Abteilung als zweite Fremdsprache, nach Englisch, unterrichtet. „Die Kinder sind sehr begeistert vom Faschingsfest. Es ist eine gute Gelegenheit, an einem zusätzlichen Tag Spaß zu haben, außerhalb der ´Schule anders´-Woche“, sagt der Sportlehrer und ehemaliger Profi-Handballer.

Viele Ethnien feiern zusammen

Im Náko-Schloss gibt es beim Fasching viel Musik und jede Menge Spiele, die den Team-Geist und die Geschicklichkeit der Kinder fördern. Sie müssen, zum Beispiel, ein Märzchen auf einer Schnur von einem zum anderen gleiten lassen, einen Staffellauf erfolgreich bewältigen oder mit dem Fallschirm Wellenbewegungen machen und dabei keine der vielen Spinnen herunterfallen lassen. Moderne Tänze, wie auch Polka oder Walzer dürfen die jungen Menschen tanzen, zum Genuss derer, die sich vom Rande aus die Feiernden anschauen. Das „Cerino“-Duo, gebildet aus Corina Bu]i und Adorian Jucu, ist eines der beliebtesten Entertainer-Teams aus Temeswar. Kein Wunder also, dass sich ihr guter Ruf bis nach Großsanktnikolaus verbreitet hat. Seit einigen Jahren sind sie es, die die Kinder und Jugendlichen beim Faschingsfest zum Spielen animieren. Sie verwenden dabei auch deutsche Lieder und lassen zunächst alle Klassen aufmarschieren, damit die Eltern, die sich das lustige Treiben ansehen, alle Masken bewundern können. 

Das Faschingsfest, das das Deutsche Forum gemeinsam mit der deutschen Schulabteilung als Forumsprojekt, mit Mitteln vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens umsetzt, soll allen schmackhaft gemacht werden, unabhängig davon, welcher Ethnie sie angehören. Immerhin besuchen die deutsche Abteilung in Großsanktnikolaus nicht nur Deutsche, sondern auch viele Rumänen, Bulgaren, Serben, Roma sowie Vertreter anderer Nationalitäten, die in Großsanktnikolaus und Umgebung zu Hause sind. „Wenn man jeden einzelnen Schüler analysieren würde, dann ist bei jedem Einzelnen schon ein Gemisch von Minderheiten oder auch von der Mehrheitsbevölkerung dabei. Und genauso, wie in den Klassen dieser Unterschied nicht gemacht wird, so sieht man es auch beim Fasching nicht. Es sind mehrheitlich rumänische Kinder, aber auch Kinder aus gemischten Ehen, mit deutschen, serbischen, ungarischen und bulgarischen Wurzeln, die mitmachen. Wir haben aber auch Kinder aus Ländern, in denen ihre Eltern für ein paar Jahre gelebt haben und die zurückgekommen sind. Heute besuchen diese Kinder die deutsche Abteilung in Großsanktnikolaus“, erzählt Dietlinde Huhn. Einer dieser Schüler ist, zum Beispiel, Tjago, der aus Portugal nach Großsanktnikolaus gekommen ist. Der Sechstklässler trägt heute ein Araber-Kostüm. Nachmittags verlagert sich das Geschehen ins Forumshaus, wo die ältere Generation ebenfalls in Faschingsfieber gerät und bei Musik und Krapfen eine angenehme Zeit miteinan-der verbringt.

Wie schön und lustig es beim Fasching in Großsanktnikolaus zugeht, das dürfen Kinder, Jugendliche und Erwachsene jedes Jahr erfahren. Die Tradition lebt dank der deutschen Schule und des deutschen Ortsforums weiter – und wird mit Enthusiasmus von den jungen Vertretern aller Ethnien, die im Banat zu Hause sind, weitergetragen.