Mit Frauenpower frischen Wind ins Dorf gebracht

ADZ-Gespräch mit Oana Poledna und Diana Schuster-Costea über die Frauennachbarschaft in Keisd

Die Mitglieder der Keisder Frauennachbarschaft engagieren sich mit Herz und Elan für das Wohl der Dorfgemeinschaft.

Oana Poledna und Diana Schuster-Costea Fotos: George Dumitriu

Dank ihnen wird jedes Jahr ein ganzes Dorf gratis durch den Gesundheitscheck geschleust. Ihre Idee war auch das Rhabarberfest, das jährlich viele Besucher anlockt. Der evangelische Pfarrer Johannes Halmen lobt sie in den höchsten Tönen: „Sie werden nicht glauben, wie fein die backen können!“ Und der Trüffelzüchter aus dem nahen Arkeden/Archita freut sich, dass seine Sommertrüffeln, dank ihrer Initiative, bald online bestellt und ausgeliefert werden können, wie auch viele andere Produkte aus der Region. Soziales Engagement, Tourismus, Unterstützung lokaler Produzenten, aber auch Kulturveranstaltungen, Erziehungsmaßnahmen und Schulbildung liegen den 32 Frauen in Keisd/Saschiz am Herzen, die sich regelmäßig zur gemeinnützigen Freiwilligenarbeit zusammenfinden. Die Mitglieder der Frauennachbarschaft in Keisd haben nicht nur eine sächsische Tradition ganz neu belebt, sondern auch frischen Wind ins Dorf gebracht. Warum es diese Nachbarschaft gibt, was sie von der althergebrachten sächsischen Organisation unterscheidet, was die rührigen Keisderinnen bis jetzt alles geschafft und sich für die Zukunft noch vorgenommen haben, darüber plaudern die Gründungsmitglieder Oana Poledna und Diana Schuster-Costea im Nachgang zu ihrer Veranstaltung zur Haferlandwoche in Keisd mit Nina M a y.

Seit wann gibt es diese Frauennachbarschaft und wie kam es zu der Idee?

Oana Poledna: Die Frauennachbarschaft gibt es als NGO seit 2015, aber die Idee ist schon älter. Am Anfang stand ein Unternehmerinnen-Projekt, das eine Finanzierung gewonnen hatte. Wir waren 23 Frauen und da wir uns ohnehin regelmäßig trafen, sagten wir, lasst uns doch etwas Offizielles draus machen, damit wir vor anderen organisiert auftreten können. So haben wir in sächsischer Tradition die Frauennachbarschaft Keisd gegründet.

Warum ausgerechnet eine Nachbarschaft? 

Diana Schuster-Costea: In unserer Region waren die Sachsen traditionell in Nachbarschaften organisiert. Nachdem sie ausgewandert sind, übernahmen die Rumänen. Die Frauennachbarschaften waren ursprünglich nur zur Unterstützung der Männernachbarschaften gedacht. Die Männer hielten Sitzungen ab und brauchten dafür Hilfe.

Mit anderen Worten, die Frauen haben gekocht und gebacken?

O.P.:  Ja. Und da haben wir gedacht, wir wollen etwas Stärkeres für diesen weiblichen Part. Außerdem: Wenn du etwas Soziales oder Kulturelles machen willst, musst du mit Frauen arbeiten, nicht mit Männern, Männer befassen sich mit Geschäften oder Landwirtschaft. Da haben wir überlegt, was können wir?  Wir können kochen, wir wollen uns mit Kindern und Kultur befassen...

Wie viele Mitglieder habt ihr?

D.S-C.: Seit damals sind noch einige beigetreten. Heute sind wir 32. 

Was gehört zu euren wichtigsten Aktivitäten?

D. S-C.: Wir organisieren jedes Jahr das Rhabarberfest, am ersten Samstag im Mai. Da backen wir verschiedene Kuchen mit Rharbarber, aber auch Brioches und Baklava. 
O.P.: Also nicht nur traditionelle Rezepte. Wir sind offen für Innovation. Alle Frauen können mitmachen, nicht nur unsere Mitglieder. Wer Lust hat, backt zuhause und wir servieren die Kuchen dann den Touristen und der Gemeinschaft. Davor machen wir eine große Parade und präsentieren sie mit Blasmusik, damit alle sehen, wer was gebacken hat. Das hat einen starken visuellen Impakt! Es gibt auch immer ein Konzert in der evangelischen Kirche, Aktivitäten für Kinder und einen Markt, wo die lokalen Produzenten ihre Produkte verkaufen. 

Spielen die ausländischen NGOs, die sich in Keisd niedergelassen haben, z.B. Adept oder Pivnița Bunicii, dabei eine Rolle?

O.P.: Wir haben sehr viel Glück, denn wir arbeiten hervorragend mit diesen NGOs zusammen, aber auch mit der Lokalverwaltung. Die Bürgermeisterei unterstützt uns  logistisch, leiht uns Tische und Stühle, wie auch die evangelische Kirche, die uns Raum zur Verfügung stellt. Und sie loben uns vor den Touristen, denn in der Tat, es ist irgendwo schon eine Wiederbelebung der Gemeinschaft. Auch die Adept-Stiftung unterstützt uns logistisch. Und wir haben eine lokale Aktionsgruppe, das ist eine Vereinigung, welche Finanzierungen für unsere ländliche Region garantiert. Dort haben wir auch ein Projekt eingereicht, den „Korb für lokale Produkte“.

Klingt interessant! Was bietet der „Korb für lokale Produkte“?

O.P.: Die Frauennachbarschaft ist eine Partnerschaft mit lokalen Produzenten eingegangen, die Produkte für diesen Korb liefern wollen. Eine Webseite ist gerade in Arbeit, wo man diese auswählen und in einen virtuellen Einkaufskorb legen kann. Dann liefert ein Fahrer die Körbe aus. Ich habe heute eine Testbestellung gemacht und gerade hat mich der Fahrer angerufen. Am Anfang liefern wir nur im Kokelgebiet und rund um Schäßburg, aber in Kürze wollen wir Targu Mureș einbeziehen und langfristig schließen wir auch Bukarest oder entferntere Regionen nicht aus.

Welche Produkte sind das?

D.S-C.: Obst, Gemüse, Trüffeln, Marmeladen, Sirupe, Käsesorten… Wir haben uns vergewissert, dass die Produkte gute Qualität haben und die Produzenten alle Standards erfüllen.

Trüffeln? Etwa aus Arkeden? Dort hab ich gerade jemanden getroffen, der Trüffeln sammelt und sogar züchtet…

O.P.: Ja, der aus Arkeden! Hier in der Region sind wir eigentlich immer die gleichen Leute, die etwas machen… Wir sind eine ziemlich große Gruppe, die immer wieder zusammenarbeitet. 
Zum „Korb für lokale Produkte“: Ein Jahr lang wird uns das Gehalt für den Fahrer bezahlt. Danach hoffen wir, dass es sich von selbst trägt. Doch die ersten Reaktionen sind sehr ermutigend, unsere Face-book-Seite dafür – sie heißt „bucate din vecin²tate“ – hatte eine massive Verbreitung. 

Welche Aktivitäten gibt es noch? 

D.S-C.: Wir gestalten den „Tag des gemeinsamen Lesens“ mit Kindern. Es gibt eine NGO auf nationalem Niveau, die Material zur Verfügung stellt, um das Lesen zu fördern. Damit gehen wir in die Schule und lesen den Kindern vor. Denn Erziehung und Bildung ist ein großes Defizit auf dem Dorf und nicht alles sollen nur die Lehrer machen müssen. Wir sind  keine Pädagogen, wir lesen einfach mit den Kindern, doch für sie ist es ein großes Vergnügen. 
 
Wie finanzieren sich all diese Aktivitäten?

O.P.: Was wichtig ist und was alle wissen sollten: Alles, was wir machen, ist freiwillig! Wir bezahlen selbst einen Mitgliedsbeitrag von zehn Lei im Monat, also wir zahlen sogar ein – und bekommen nichts Weiteres heraus, als die Zufriedenheit, wenn alles gut geklappt hat. Und: Alle Einnahmen aus unseren Aktivitäten kommen wieder der Gemeinschaft zugute! 

Was geschieht konkret mit dem Geld?

O.P.: Wir laden jetzt zum Beispiel eine Theatergruppe ein, die wir bezahlen, und sie machen eine gratis Theatervorstellung für Kinder. Aber die bedeutendste Summe ist für den „Gesundheitsmarkt“ im September/Oktober bestimmt. Dann kaufen wir Analysekits und bieten zusammen mit Hausärzten und lokalen Assistenten gratis Untersuchungen und Laboranalysen für alle Dorfbewohner an. Triglyzeride, Cholesterinspiegel, Blutzucker...  Es gibt hier zwar zwei Hausarztpraxen, aber nicht jeder im Dorf hat das Geld, auch Analysen machen zu lassen. 
Dann gibt es noch den Erntedank-Ball. Das ist eine Veranstaltung für die Mitglieder der Frauennachbarschaft und Freunde. Jedes Mitglied darf zehn Freunde einladen. Das ist ein Dorffest mit rumänischer und sächsischer Musik, da haben wir dann auch Zeit zum Feiern und Tanzen. Bei anderen Veranstaltungen, so wie heute, kommen wir nicht dazu.

Wer kann bei euch Mitglied werden? Sind die meisten Mitglieder Hausfrauen oder berufstätig? 

O.P.: Im Prinzip sind es Frauen aus dem Dorf, also, wer hier wohnt oder arbeitet oder sonst eine Verbindung zur Dorfgemeinschaft hat. Es gibt Hausfrauen sowie berufstätige Mitglieder. Ich selbst arbeite in der lokalen Aktionsgruppe und baue außerdem derzeit eine Pension auf, irgendwie haben wir ja auch mit Tourismus zu tun.
D.S-C.: Ich bin in der Adept-Stiftung angestellt. Die Teilnahme an unseren  Aktivitäten ist natürlich freiwillig. Wir sind ein harter Kern von 15. Nicht jedes Mitglied hat immer Zeit, sich an allen Aktionen zu beteiligen.

Was denken die Leute, wenn sich die Frauennachbarschaft zu einem Termin oder einer Veranstaltung ankündigt? 

O.P.: Oh, letzte Woche passierte etwas Lustiges! Wir nahmen an einer Veranstaltung in einer anderen Gemeinde teil, mit Produkten von uns. Und die Dame, die für uns die Seite ausdruckte, auf der wir präsentiert werden, sagte  lachend: Unter Frauennachbarschaft hätte sie sich ein paar alte Weiblein mit Kopftüchern vorgestellt.
D.S-C.: Ja, man denkt an ein Grüppchen häkelnder alter Mütterchen! Dabei liegt das Durchschnittsalter bei uns unter 40. Wir haben zwei ältere Damen, aber auch Frauen in den Zwanzigern. Und es gibt eine Gruppe Mädchen, die zu unseren Aktivitäten kommen, um uns zu unterstützen, Töchter einiger Mitglieder. Also, die Tradition wird weitergehen!

Hat man die Idee der Nachbarschaft schon an anderen Orten kopiert?

O.P.: Letzten März fragte mich eine Dame aus V²n²tori auf unserer gemeinsamen Feier des Frauentags , wie man so etwas beginnt. Ich sagte: mit dem Willen dazu. Wenn man es will, macht man es einfach, dann trifft man sich mit zehn Frauen. Ob man das auf Papier formalisiert oder nicht, ist egal, das macht man erst, wenn man es braucht. Wir sind zu diesem Schritt gekommen, uns zu formalisieren und Projekte zu machen, denn wenn wir es nicht machen – wer dann? Es gibt hier den Bedarf - und die Leute sind begeistert. 

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?

O.P.: Für die Zukunft wünschen wir uns vor allem, dass der „Korb für lokale Produkte“ gut anläuft. Auch mit Kindern würden wir gerne mehr arbeiten, in Richtung nonformale Bildung. Das ist die Zukunft. Oder: Den Leuten beibringen, wie man den Notruf 112 korrekt absetzt. Solche punktuellen Kleinigkeiten sind wichtig. Dann liegt uns der „Gesundheitsmarkt“ sehr am Herzen, wir wollen eine breitere Palette an Analysen anbieten. Eine Chance zur Erweiterung unserer Pläne erwarten wir durch den Zugang zu EU-Fonds: durch die Möglichkeit, Angestellte zu haben und dann noch mehr Aktivitäten durchführen zu können. Wir haben bereits einen Sitz mit Laptop, Schreibtisch, Stühlen und sind sehr stolz auf unseren ersten – männlichen – Angestellten, den Fahrer für das Produktkorb-Projekt. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg!