Mit satirischer Feder

Karikaturen-Ausstellung im Bukarester Stadtmuseum

Im Palais Suțu am Bukarester Universitätsplatz ist derzeit und noch bis Ende März dieses Jahres eine Ausstellung mit satirischen, parodistischen und humorvollen Karikaturen aus eigenen Beständen des Bukarester Stadtmuseums zu genießen. Die in der Ausstellung gezeigten Werke stammen aus dem Zeitraum eines Säkulums: von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Am Anfang dieser zehn Dekaden karikaturistischen Schaffens stehen die satirischen Zeitschriften „Nichipercea“ und „Ghimpele“, an deren Ende, über das die Ausstellung selbstredend hinausweist, die Zeitschriften „Pițigoiul“ und „Urzica“.

Die Exponate der Ausstellung im Erdgeschoss des Palais Suțu sind zweisprachig (in rumänischer und englischer Sprache) beschriftet ebenso wie die dort aufgestellten Informationstafeln, von denen es durchaus noch mehr hätte geben können, zumal Karikaturen per se historisches Wissen voraussetzen, das, je eher die karikierten Personen der Vergangenheit angehören und je weiter die satirisch geschilderten geschichtlichen Vorgänge zurückliegen, umso mehr der Erklärung bedarf. Aber auch ohne Detailkenntnis der in Rede stehenden historischen Epochen kann man sich an den Werken der Zeichner und Illustratoren erfreuen und die Erzeugnisse ihrer spitzen Federn und ihrer scharfen Bleistifte genießen.

Sofort nach dem Betreten des Ausstellungsraums im Bukarester Stadtmuseum fällt der Blick auf eine satirische Karte Europas aus der Zeit um 1850, auf der die europäischen Staaten und Länder in diesem Jahrhundert des Nationalismus auf je eigene Weise charakterisiert werden. Während im skandinavischen Norden Jesus mit Heiligenschein auf einem Esel daher reitet, richtet Frankreich eine Kanone gen Osten, wo der Deutsche als Amtmann und Bürokrat an einem Tisch sitzt und Schriftsätze verfertigt. Österreich-Ungarn wird durch zwei skurrile Zeichnungen repräsentiert: einen am Galgen hängenden Hasen und ein am Kreuz hängendes Kind. Die rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei sind durch einen knienden Hirten wiedergegeben; es bleibt dahingestellt, ob das neben ihm grasende Schaf als Lamm Gottes seinen christlichen Glauben unterstreichen soll oder ob es auf die berühmte rumänische Volksballade „Miorița“ verweist. Das Osmanische Reich, der „kranke Mann am Bosporus“, liegt hier bereits im Sarg, während ein kochender Kessel in Griechenland und gekreuzte Schwerter auf dem Balkan auf politischen Druck und kriegerische Auseinandersetzungen hinweisen. Abgeklärt und davon unberührt betrachtet sich auf der Iberischen Halbinsel eine kokette Dame in ihrem Handspiegel.

Nicht nur Staaten, sondern auch gekrönte Häupter sowie Politiker entgehen der spitzen Feder der Karikaturisten nicht. König Ferdinand von Rumänien wird dabei genauso aufs Korn genommen wie Ion Constantin Brătianu, der als rumänischer Ministerpräsident unter König Carol I. diente. Virgil Arion, der Bruder des Ministers, erscheint in der Gestalt eines Marabus oder eines Vogels Strauß, während der Bukarester Polizeipräfekt Dimitrie Moruzzi, ein russisch-rumänischer Aristokrat, der für seine Trinkgelage bekannt war, als Kasatschok tanzender Kosak mit einem Becher Wodka in der Hand abkonterfeit ist. Nicolae Iorga reitet als Don Quijote durch die politische Landschaft, der rumänische Ministerpräsident Iuliu Maniu spannt statt Ochsen Bauern vor seinen Pflug, und der Schriftsteller Barbu Ștefănescu Delavrancea, der auch Bürgermeister von Bukarest und Minister war, wird als Troubadour porträtiert, der einen Esel unter den einen Arm geklemmt hat und eine Dampflok unter den anderen.

Auch antisemitische Karikaturen sind in der Ausstellung zu sehen, leider kommentarlos, wie etwa die Karikatur „Hora robirii neamului“ (Reigentanz der Versklavung des Volkes), in der antisemitische Klischees bedient werden, die dann während der Regierungszeit des rumänischen Ministerpräsidenten Octavian Goga ihre traurigen Früchte trugen. Eine weitere Karikatur teilt die politische Klasse Rumäniens in drei Gruppen ein: erstens eine große Gruppe von Männern in festlicher Abendgarderobe, die nur auf Unterhaltung und Amüsement erpicht sind; zweitens eine kleinere Gruppe von Künstlern und Literaten, die nur mit sich selbst beschäftigt sind; und schließlich drittens das Exemplar eines Möchtegernregenten, der auf einem Thronsessel Platz genommen hat und sich mit folgendem decouvrierenden Titel schmückt: „Griguță de Valois, Prens de Olt“. Die Barone und Plagiatoren aus der Politikerkaste unserer heutigen Gegenwart lassen grüßen! Auch das Thema der Korruption wird in der Karikaturen-Ausstellung angesprochen, sei es in der Justiz oder in der Verwaltung. Einem Bürger, der auf dem Amt einen Antrag stellen möchte, wird beschieden: „De la una mie în sus!“ (Ab eintausend aufwärts!)

Neben satirischen und karikaturistischen Blättern gibt es in der Ausstellung auch ganze Bücher zu sehen, bei denen man jeweils eine aufgeschlagene Seite betrachten kann, etwa eine Karikatur zur Frage der öffentlichen Meinung, die Menschen mit Vorhängeschlössern vor ihren Mündern zeigt. Zeitungsblätter aus dem Jahre 1904 geben Straßenszenen mit satirischem Bezug wieder („Târgul Moșilor“, „Calea Moșilor“), weitere Zeitungsblätter aus den Jahren 1948 und 1965 kritisieren Gesellschaft und Erziehungswesen. Ein Monitor mit digitaler Diashow erweitert den Horizont der Ausstellung um eine Vielzahl permanent projizierter virtueller Exponate. Fotografische Aufnahmen von Schauspielern in karikaturistischen Posen, etwa von Constantin Tănase oder Casimir Belcot, werden in der Ausstellung im Palais Suțu ebenso gezeigt wie eine Vitrine mit satirischen Briefmarken, mit auf Blech gemalten Karikaturen und mit einem Nussknacker aus Holz, der mit dem geschnitzten Porträtkopf von C. A. Rosetti geschmückt ist.

Neun Keramikteller warten mit satirischen Szenen auf. Einer zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Kunstausstellung“ und um es herum eine Herde von Schweinen. Ein anderer trägt die Überschrift „Kunstbewegung bei uns“ und gibt eine Szene mit Hunden wieder, die einen Kadaver zerfleischen. Ein dritter „In Baltschik“ überschriebener Teller präsentiert die berühmte Künstlerkolonie an der Schwarzmeerküste, die sich dort vor rund hundert Jahren um die rumänische Königin Maria scharte, in verfremdeter Perspektive: An den Staffeleien auf den Klippen hoch über der Küste stehen keine Maler, sondern Hunde. Und ein vierter Teller zeigt einen an einem Ast aufgeknüpften Mann mit der Widmung: „Dem ehrlichsten Taschendieb!“ Weitere Gesellschafts- und Politikerkarikaturen runden den Reigen dieser sehenswerten Ausstellung im Palais Suțu am Bukarester Universitätsplatz ab.