Nach dem Festival – die Konzerte gehen intensiv weiter

In Temeswar überraschte ein junger Pianist: Victor Andrei Părău

Temeswar - Der Abschluss der 39. Ausgabe des Festivals „Musikalisches Temeswar“ blieb den Kennern mit dem Auftritt der Pianisten Roxana und Valentin Gheorghiu und des Dirigenten David Crescenzi angenehm im Gedächtnis. Doch die Musikereignisse in Temeswar gingen quasi nahtlos weiter. Und zwar, zuerst, in der Oper. Derselbe David Crescenzi hatte hier eine konzertante Aufführung erarbeitet, an der alle Abteilungen der Institution beteiligt waren, um einen Querschnitt des Werks von Camille Saint-Saëns darzubieten. Grundlage des Konzerts war das Orchester – und also auch der Dirigent – die ständig auf der Bühne waren und die Solisten sowie die Auftritte des Balletts bestimmten, ohne reine Orchesterstücke zu umgehen. So konnte uns der von Lara Mare vorbereitete Chor in seinen zwei Auftritten eine ruhige und ausgewogene Variante der Nr. 10 „Trollite hostias“ aus dem Weihnachtsoratorium Op. 12  bieten und die Einführungsszene aus der Oper „Samson und Dalila“, aufgewühlter und ziemlich anspruchsvoll, wo noch die markante Stimme des Solisten Bogdan Roman hinzukam. Mir machte der Auftritt von Ramona Zaharia (Mezzosopran) einen besonderen Eindruck, die die zwei Hauptarien der Dalila darbot.
Unter der rigorosen Führung von David Crescenzi bot uns das Orchester der Temeswarer Nationaloper den bekannten Danse Macabre, mit den solistischen Teilen durch den bekannten Konzertmeister Ovidiu Rusu, und das Konzert Nr. 3 in a-Moll in der Interpretation der Violinistin Corina Murgu. Zwei Fragmente für das Ballett krönten dann das Konzert, mit dem expressiven „Tod des Schwans“ mit Manuela Ardelean und dem ausdrucksvollen Violoncello-Solo von Cristina Drăgoi und der überschäumenden Baccanale, an der ein guter Teil des Ballettcorps beteiligt war.

In der Philharmonie „Banatul“ hat das darauf folgende Wochenkonzert eine weitere Steigerung des eben zu Ende gegangenen Festivals bedeutet. Die Nelson-Messe von Haydn, ein Klavierkonzert von Bartók und selbst die Präludien von Liszt zogen Aufmerksamkeit auf sich. Der akribisch vorbereitete Chor der Philharmonie (Iosif Todea) bewältigte den schwersten Teil der Haydn-Messe. Ihm stand ein Solistenquartett zur Seite, aus dem Alina Todea (Sopran) hervorstach, gemeinsam mit Mihaela Işpan (die schon bei der im Festival aufgeführten Mozartmesse aufgefallen war), Tony Bardon und Cristian Ardelean. Schade nur, dass der italienische Dirigent Roberto de Maio sich für eine übertrieben starke Lautstärke entschieden hatte, die zeitweilig gar ans Schmerzhafte grenzten. Die Offenbarung des Abends war der junge Pianist Victor Andrei Părău, mit gründlicher Ausbildung und Vorbereitung und einem künstlerischen Schliff, der einer technisch exzellenten Bewältigung des anspruchsvollen Konzerts Nr. 3 in E-Dur von Béla Bartók entgegenkam. Das Publikum feierte Părău ungewöhnlich begeistert und dieser ließ sich nicht lange bitten und bot zwei virtuose Draufgaben aus Prokofjew und Schtschedrin, die neue Facetten dieses aufstrebenden Stars offenbarten. Und die Lust nach Mehr. Zum Abschluss, nicht aber zur Krönung des Konzertabends –  wie wir es erwartet hätten – hörten wir Präludien von Franz Liszt, in einer Variante, die nicht genügend ausgereift war.

Dank der siebenten Nationalen Stradivarius-Tournee, die selbstverständlich auch Temeswar umfasste, hatten wir die Gelegenheit, Zeugen eines außerordentlichen künstlerischen Ereignisses zu werden, das wir dem Violinisten Alexandru Tomescu verdankten, diesmal in Begleitung von Eduard Kunz, die uns die Musik von Sergej Prokofjew näher brachten. Von den Fünf Melodien über die Sonate in D-Dur, die alle markanten Züge einer Komposition von Prokofjew trägt, bis zur tiefgründigen Sonate in f-Moll haben die zwei Protagonisten ihre künstlerische Kraft voll ausgeschöpft und mit viel Souveränität alle technisch anspruchsvollen Passagen gemeistert. Schön war die Idee, auch etwas aus dem Schaffen eines jungen Komponisten zu bringen. Gabriel Gîţan, ein Schüler, ist von den beiden Interpreten aus vielen eingesandten Werken ausgewählt worden zur Bekanntmachung und Förderung im Rahmen dieser Tournee. Die „Woche der Neuen Musik“ bot in Temeswar Gelegenheit zu weiteren musikalischen Ereignissen. Veranstalter war diesmal der Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der Musikzentren Rumäniens – und Temeswar leistete dazu seinen Beitrag. Im Foyer der Philharmonie wurde der zweite Band von „Remus Georgescu – ein Leben für die Musik“ vorgestellt, der Musikchroniken, Dokumente und Interviews enthält, welche die Universitätsdozentinnen V. L. Demenescu und A. R. Carabenciov von der Temeswarer Musikhochschule ausgewählt haben, während im Konzertsaal ein neuerlicher erfolgreicher Auftritt des Klavierduos Manuela Iana-Mihăilescu und Dragoş Mihăilescu mit Gegenwartsmusik zu hören war (Barber, Kurtag, Münch, Lipatti sowie Erstaufführungen des Temeswarers Gabriel Almaşi).

Das Abschlusskonzert des Monats Mai stand bei der Philharmonie im Zeichen der Streichinstrumente. Der Violinist Gabriel Popa, dem der Violinist Dorin Mantea zu Seite stand – beide Produkte der guten Klausenburger Interpretationsschule - brachten die Konzertante Sinfonie in Es-Dur von W. A. Mozart zu Gehör, eine Komposition von hoher expressiver Kraft, an deren Vorlage sich die Solisten streng hielten, was vom Dirigenten aktiv unterstützt wurde. Der Stabführung des holländischen Musikers Arthur Arnold verdanken wir auch die Variante von hoher interpretatorischer Tiefe der V. Sinfonie in d-Moll von Dmitri Schostakowitsch. Arnold hatte Gelegenheit, sich Schostakowitsch im Rahmen seiner zahlreichen Moskauer Auftritte besonders zu nähern. Von den leidgeprägten Gefühlsausbrüchen über den Sarkasmus der Scherzi wurde die Temeswarer Aufführung durch das Largo gekrönt, aber auch von den Schlussakkorden von ungewöhnlicher Klangbreite und Kraft.