Namenstage

Symbolfoto: sxc.hu

Wer mit Vornamen Maria oder Ioan heißt, hat gleich mehrere Namenstage im Jahr – nämlich immer dann, wenn die Muttergottes oder der heilige Johannes der Täufer gefeiert werden, sei es zu ihrer Geburt, ihrer Himmelfahrt oder zum Gedenken an den Verlust seines Kopfes, der ihm durch Abschneiden abhanden gekommen sein soll. An solchen Tagen forscht mein Mann dann akribisch die Telefonagenda rauf und runter, welchen Marias, Marianas, Marilenas, Măriucas oder welchen Ions, Ioans, Ionels, Ionuzzen oder Ionicăs – und ihren entsprechenden gegengeschlechtlichen Pendants – wir unbedingt gratulieren müssen. Wie hieß noch gleich mal der Nachbar mit Vornamen, wird dann fieberhaft überlegt? Nicht etwa Marian? Denn Bobby ist nur sein Spitzname. Am besten wär eine neutral und allumfassend formulierte Sammelmail an sämtliche Kontakte, denn in diesem Land heißt ohnehin fast jeder so, und sei es mit zweitem Vornamen – oder er hat zumindest Sohn, Tochter, Neffen, Nichten oder Enkel, für die man ihm, so die hiesige Etikette, ebenfalls gratulieren muss: „La mulţi ani, să vă trăiască“, lang sollen sie Ihnen am Leben erhalten bleiben, der ganze Haufen an anverwandten Maria- und Ioan-Variationen.

Ja, und dann gibt es als typisch rumänische Kuriosität auch noch die Blümchentage (floriile) vor Ostern! Da beglückwünscht man alle, die einen botanisch inspirierten Vornamen tragen – was eine ungleich größere intellektuelle Herausforderung als die Identifikation kreativer Ioan- und Maria-Versionen darstellt. Den Florin also und die Florina, Florica, Flora, Florentina... Den Crin (Lilie), den Narcis (Narzisse) und den Viorel (Veilchen) mitsamt ihren weiblichen Pendants – und den Trandafir (Rose), denn so heißen in Rumänien im Gegensatz zum Rest der Welt Mannsbilder. Natürlich auch den Mugurel – den Kerl, der übersetzt Blattknöspchen heißt! Oder den Bobocel, das Blütenknöspchen. Letztere waren wohl als Baby besonders niedlich, andernfalls lässt sich die Namenswahl schwer nachvollziehen...
Ob man hier auch dem Brad Pitt gratulieren würde, weil er doch auf rumänisch Tanne (brad) mit Vornamen heißt? Oder der Gerlinde, wegen der Linde? Und dem Waldemar, der gleich einen ganzen Forst für sich beansprucht? Im deutschen Sprachgebrauch gibt es so etwas Gott sei Dank nicht – obwohl man es im Sinne des gerechten Ausgleichs glatt einführen müsste! Botanisch inspirierte Namen haben wir zwar nicht so viele, aber wie wär‘s statt dessen mit zoologischen? Mit dem Wolf-gang oder der Wal-traut? Dem Horst, dem Leo-pold, der Made-leine oder der Bär-bel? Da würden die Rumänen auch ins Schwitzen kommen, nicht wahr?