Neue Charlottenburg-Präsentation zum Jubiläum

Die Dörfer der Bergs-Au wurden vor 250 Jahren gegründet / Erhard A. Berwanger dokumentiert in Bild und Text

Eine Luftaufnahme aus dem Jahr 2004 von Erhard A. Berwanger aus Ludwigsburg. Außer dem zentralen ursprünglichen „Rundling“ mit der Kirche als Mittelpunkt ist später an der Ausfallstraße die im Volksmund sogenannte „Vorstadt“ entstanden.

Die Rundsiedlung als Anhang in der frühen Beschreibung des Temeswarer Banates von Francesco Griselini (1780).

Der letzte Deutsche in Charlottenburg Foto: Berwanger

Seit 20 Jahren steht Interessierten eine knappe, aber vielseitige Internet-Präsentation des kleinen, besonderen Dorfes Charlottenburg – rumänisch heute Charlotenburg, früher hießen Dorf und Bahnhof Șarlota – auf der Homepage sarlota.de zur Verfügung. Nur ganz wenige Banater Ortschaften können auf eine so lange Präsenz in diesem Medium zurückblicken. Für das Jubiläumsjahr 2021 – 250 Jahre seit der Ortsgründung – hat Autor Dipl.-Ing. Erhard A. Berwanger, geboren 1954 in Temeswar/Timișoara, eine neue, überarbeitete, bereicherte und technisch sowie vom Design ausgewogene Bild-Karten-Text-Darstellung eingerichtet.

Weil es zu dieser Ortschaft – die einzige kreisförmig angelegte Banater Siedlung – und die Nachbarorte noch keine Monographie gibt, kommt dem Internet-Auftritt besondere Bedeutung zu. Hoffentlich führt der junge Rentner, Softwareentwickler und begeisterte Fotograf – im Vorjahr war er mit einer besonderen Charlottenburg-Schau in Stuttgart bei einer großen Gruppenausstellung vertreten – diese Vorarbeit zu einer Monographie oder zu einem Heimatbuch über die Gegend, in der er seine Kindheit und später viele Ferien verbracht hat. Wichtig ist desgleichen, dass die Präsentation auf Deutsch, Rumänisch und Englisch zur Verfügung steht.

Über die Anfänge: Dokumentation zum Jubiläum

Unter dem von Wien ernannten Banater Gebietspräsidenten Graf von Clary und Altringen (von 1768 bis 1774 im Amt), dessen Doppelnamen in die Banater Ortsnamensgeschichte eingegangen sind, und unter der Aufsicht des oft kritisierten Lippaer Verwalters Carl Samuel Neumann, später geadelt Edler von Buchholt, wurden „im Tal Perexova unter der Pfarre Charlottenburg“ für 32 Familien aus der Habsburger Gefürsteten Grafschaft Tirol, mit je 32 Häusern der Hauptort Charlottenburg sowie Neuhof, Altringen und Buchberg, dann mit 42 Häusern Lichtenwald erbaut.

Charlottenburg war anscheinend als Zentralort angedacht, nicht nur kirchenverwaltungsmäßig. Das Dorf erhielt später (1898) auch den Bahnhof, der für alle benachbarten Dörfer des Gebietes im Umkreis von unter 40 Kilometern Verkehrsknotenpunkt wurde.

Wir können uns heute aber schwer vorstellen, wie bzw. wie weit in dem einen Jahr 1771 alle fünf Siedlungen aufgebaut wurden. Dass für Altringen beispiels-weise als Gründungsjahr in manchen Quellen auch 1770 angeführt wird, dürfte Hinweis sein, dass sich die Bauarbeiten über ein Jahr hinaus erstreckt hatten, wenn auch Verwalter und Aufseher Neumann viele Erfahrungen im Flachland-Bau hatte und die Häuserzahl hier im Hügelland nur je 32 bzw. 42 in Lichtenwald betrug, dem heutigen kleinen Comeat. Neumann bekam zudem von Wien die Weisung, billiger und schneller zu bauen und die Siedler gegen Entgelt in die Wald- und Bauarbeiten einzubinden.

Viele Ortschaften, wie beispielsweise die nahen größeren Gemeinden Jarmatha (Jahrmarkt) und das benachbarte Bruckenau waren seit Jahren durch Einquartierungen überfüllt. Im Banat wurden Ende 1770 rund 2300 „unbehauste“, also einquartierte Familien gezählt. Der Zustrom von Neusiedlern war im gleichen Jahr mit nahezu 14.000 Seelen stark angewachsen, davon etwa 6400 „Köpfe“ Lothringer (nach Franz Stanglica). Der von Thronfolger Josef II. nach seinem 2. Banat-Besuch 1770 geforderten Volkszählung nach soll im neu erworbenen Gesamtgebiet die Zahl der Siedler – Deutsche, Franzosen, Luxemburger, Italiener und Spanier – rund 43.200 betragen haben.

Mit dem beabsichtigten und wohl mit dem Bistum abgesprochenen Pfarrzentrum Charlottenburg (ab 1796 wurden Kirchenbücher geführt) hat es über die Jahre nicht immer geklappt, denn schon um 1810 wurde die Pfarrgemeinde mit ihren 301 Seelen vom Pfarrer Stephan Bede aus dem benachbarten Königshof betreut. Kaum ein Jahrzehnt später war die Pfarre aufgelöst und Charlottenburg mit seinen 272 Katholiken und 14 Orthodoxen zur Tochtergemeinde von Königshof zurückgestuft worden. Der hohe Beamte Johann Jakob Ehrler vermerkte nämlich in seinem Bericht, vom Historiker Dr. Costin Fenesan veröffentlicht, dass es im ganzen Lippaer Verwaltungsdistrikt im Jahr 1774 nur zehn katholische Seelsorger gab. Weltlicher Kirchenpatron war nach der Güterverlizitierung Gutsherr Anton Rakarits. Zur Pfarrei Königshof gehörte als Filiale auch noch das kleine rumänische Buzad, wo 1814 sechs Katholiken lebten.

Fünf Dörfer der Bergs-Au

Die früheste katholische Pfarrei in dieser Hügelland-Ecke war in der Siedlung „Neuhoff“ (rum. Bogda) eingerichtet worden, und zwar schon 1772, als sogleich die Matrikelführung für die ganze Gegend eingeführt wurde (216 Einwohner im Jahr 1810). Beide Sprengel gehörten wie Königshof zum Neu-Arader Kirchendistrikt. Die Pfarre Neuhof hatte lange Zeit keinen weltlichen Seelsorger, ab 1810 etwa wirkte ein Franziskaner-Pater der Bulgarischen Ordensprovinz, Demetrius Kossut, als Administrator in den deutschen Dörfern der Umgebung, weil Altringen (in einigen Quellen auch als Klein Altringen geführt, in Anlehnung an die ungarische Bezeichnung Klein Rekasch) mit seinen 197 Katholiken, Buchberg (160) und „Lichtenvald“ (14) als Filialen zur Pfarre gehörten. Die Entfernung zum Mutterort war mit etwa je einer halben Stunde angegeben, wahrscheinlich mit dem Pferdewagen berechnet. Weltlicher Kirchenpatron war ab 1782 der neue Gutsbesitzer Thomas Pottyondi (auch Potyondy). Nach dessen Tod übernahm seine Witwe Anna die Patronatsrechte und -pflichten.

Aber auch hier war es mit der Seelsorge immer wieder schlecht bestellt, ab 1825 war die Pfarrstelle nicht besetzt, obschon zu den oben erwähnten noch vier kleine Filialen hinzugelegt worden waren, darunter als entfernteste Brestowatz mit 212 Katholiken. Um 1850 war die Pfarrstelle erneut unbesetzt.

In Lichtenwald waren damals nur noch fünf Deutsche, die Zusiedler waren Banater Rumänen. Buchberg (auch Puchberg, rumänisch Sintar) zählte im Jahr 1828 rund 180 Katholiken, Altringen 221. Insgesamt zählte die Pfarrei Neuhof um 1830 fast 1000 Seelen.

In Altringen soll laut Banater Schulgeschichte von Dimitrie Onciulescu schon 1770 (!) die Schule zusammen mit dem Ort gegründet worden sein. Korabinsky vermerkt in seinem „Geographisch-historisches und Producten-Lexikon von Ungarn“ zu Altringen jedoch: „Altringen, ein 1771 für deutsche Ansiedler errichtetes Dorf im Banat im Lippaer Bezirk“, eine Meile von Lippa entfernt.

Zu Charlottenburg führt Autor Onciulescu in seiner Dokumentation aus dem Jahr 1978 die Dorfgründung auch für 1770 an, die der Schule aber erst ab 1771. Zu Neuhof heißt es: „Deutsche Siedlung und Schule ab 1771, erste Lehrer Johannes Martin und (danach) Andreas Binder.“

Das Dorf Buchberg (heute rum. Sintar, in der Zwischenkriegszeit zeitweilig auch [intar; ungarisch übersetzt Bükhegy) erhielt seinen Namen nach dem Sekretär des damaligen Banater Präsidenten, Eduard Buchberg. Johann Jakob Ehrler erwähnt den Ort als eines der 17 deutschen Dörfer im Lippaer Distrikt. In dem erwähnten frühen Nachschlagewerk von Johann Mathias Korabinsky aus dem Jahr 1786 wird „Buchberg, im Banat“ eine Meile nordwestlich von Lippa und zwei Meilen von „Temeschwar“ verortet.

Bei Lichtenwald/Comeat, dem entferntesten Dorf zu den späteren Hauptorten Neuhof und Charlottenburg – 12-13 km waren es bis zum späteren Bahnhof Sarlota -, entspringt der Bach, der dem Tal und diesem Buchenwald-Revier im Lippaer Hügelland den Namen gab: Beregsău, im Oberlauf von den Bewohner deutsch Bergsau genannt. Laut Volkszählung des Jahres 2002 war die Bevölkerung auf 33 Personen geschrumpft. Wie es dazu kam, dass diese Neugründung mit der anfangs größten Häuserzahl in dieser Gegend dann wie oben erwähnt mehrheitlich rumänischen Siedlern zugeteilt wurde, ist nicht genau geklärt. Von den Deutschen wird vermutet, dass sie in die Nachbarorte abgewandert sind, wahrscheinlich weil es die abgelegenste Siedlung war. Zehn Jahre nach der Ortsgründung wurde das Gut verkauft, erworben hatte es 1782 der schon oben genannte Thomas Pottyondi. Im Jahr 1850 beispielsweise lebten im Dorf 300 Rumänen und 18 Deutsche. Bevölkerungsmäßig entwickelte sich Comeat am stärksten mit knapp 500 Bewohner im Jahr 1930, aber auch wirtschaftlich, denn kurz nach dem Ersten Weltkrieg gab es nur in diesem Ort zwei Dreschmaschinen, Eigentum von Trifu Iovi bzw. Eugen Winternitz, der im Ort der größte Feldbesitzer war.
Hier sei auch eine interessante Anmerkung von Korabinsky festgehalten: „Lichtenwald, im Banat… ohnweit von einem Buchenberg. Die Einwohner, welche deutsche sind, nähren sich vom Fruchthandel.“ (S. 379). In dieser Dokumentation über die Ortschaften im damaligen Ungarn werden unter Neuhof (S. 441) alle Siedlungen erwähnt, in Verbindung mit ihrem Verkauf durch Wien zu einem Gesamtpreis von 37.000 Gulden. Eine Aufschlüsselung gibt es leider nicht, die neuen Grundbesitzer seit 1782 sind namentlich und mit ihren hohen Ämtern aufgeführt. 1771 und 1772 endete praktisch die zahlenmäßig große „theresianische Siedlungswelle“.