Neuer Weg für das Gemeinwohl

Pfarrer Alexandru Ioniță: Eine Kulturscheune für die Gemeinde in Hammersdorf

Der engagierte Pfarrer aus Hammersdorf
Foto: privat

Der orthodoxe Pfarrer Alexandru Ioniță ist Universitätslektor an der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt/Sibiu, betreut seit 2017 die Gemeinde im Stadtteil Hammersdorf/Gușterița und findet, abgesehen vom Beitrag zur Erziehung seiner sechs Kinder, auch noch Zeit für ein seit 2018 auf die Beine gestelltes Sozialprojekt, das Roma, Rumänen und die hier noch lebenden Siebenbürger Sachsen einander näherbringen soll. Im Gespräch mit dem ADZ-Redakteur Vlad Popa sprach er über die Entstehung der Hammersdorfer Kulturscheune, den damit verbundenen sozialen und finanziellen Herausforderungen sowie den Zukunftsplänen für die Einrichtung.

Wann und wie entstand die Idee der Kulturscheune, und wie weit ist das Projekt seitdem gekommen?

Das geschah 2019 ganz einfach – aber um es besser zu erklären, muss ich mehr über die Anfänge meines Dienstes als Priester in der Gemeinde in Hammersdorf erzählen: 2017 ging der ehemalige Priester in Rente und mein Bischof schickte mich dorthin an seiner Stelle. Er kannte mich, weil ich als Kantor in der Kathedrale und ein Jahr lang als Bibliothekar an der orthodoxen Fakultät tätig war und 2015 einen Kinderchor gegründet hatte. Seiner Ansicht nach passte ich zu dieser Gemeinde, vor allem, weil auf dem dortigen Kirchhof eine alte Schule der vormaligen rumänischen Minderheit im sächsischen Hammersdorf stand. Die Schule wurde 1909 von Rumänen gebaut, aber schon 1949 von der kommunistischen Partei aufgelöst und geschlossen. 

Leider stand das Gebäude auch nach der Wende leer und der Bischof dachte, es wäre höchste Zeit, dass jemand diese Schule wieder auf die Beine stellt. Das war also meine erste Aufgabe, und das Schulprojekt gelang rasch mithilfe meines Freundes und Kollegen Marius Tofan, denn wir wurden gemeinsam dorthin als Priester entsandt. 2019 konnten wir die Schule renovieren und als „Școala Andreiană“ – eine private Grundschule – anfangen. Damit hatten wir aber unsere Raumkapazitäten außerhalb des liturgischen Raumes ausgeschöpft, sodass wir nun in der Schule eine ganz klare Gruppe von Kindern hatten und für kulturelle, soziale oder Gemeinschaftsaktionen so gut wie kein Platz mehr war.

Die Kulturscheune ist eigentlich die Scheune des Pfarrhauses neben der Kirche und der Schule. Auch sie stand viele Jahrzehnte unbenutzt da, aber es war einfach ein Dach, das verfügbar war. Ich brauchte nicht lange, um das Projekt der Kulturscheune zu entwickeln. Die Schule blieb Schule oder wurde wieder Schule und die Scheune wurde zum Ort für alle anderen Veranstaltungen. Hier könnte ich hinzufügen, dass ich natürlich nicht bloß einen anderen Ort brauchte und fand, sondern ich wünschte mir sehr, dass die Gemeinde tatsächlich zur Gemeinde wird und dass dort nicht nur gelegentlich etwas angeboten wird. 

Darum heißt das Motto der Kulturscheune „Baue eine Gemeinde auf!“ Einerseits wollte ich, dass die Gemeinde einen Gemeindesaal hat, einen gemeinsamen Ort für Treffen, Essen, Spielen, und andererseits wollte ich, dass dieser Ort auch Menschen außerhalb der Gemeinde willkommen heißt.

Welches ist das „Zielpublikum“ der Kulturscheune und welche sind die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit?

Die orthodoxen Gemeinden funktionieren in Rumänien noch nach einem alten „geographischen“ Prinzip oder Jurisdiktion. Ich bin aber Priester in Hammersdorf und bin für das Ganze zuständig, egal ob inzwischen viele Gläubige anderer Konfessionen oder Ethnien auf demselben Gelände leben. Der Priester muss einfach seine Gemeinde gut kennenlernen und mit der Situation bestmöglich umgehen. 

Die Bewohner von Hammersdorf kamen in den letzten vier Jahrzehnten aus allen Ecken des Landes, anstelle der Sachsen, und zogen in deren Häuser ein. Das ehemalige dörfliche und gemeinschaftliche Gefühl ging leider verloren. Die Zahl der Angehörigen der Roma-Minderheit ist in den letzten drei Jahrzehnten rasch gestiegen und steigt immer noch, sodass heute die getauften Kinder meiner Gemeinde ungefähr zu 80 Prozent Romafamilien angehören. Die große Herausforderung ist, Roma und Rumänen zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Das ist sehr schwierig, vor allem wenn die Roma sehr arm sind, wie es in Hammersdorf der Fall ist.

Die Kulturscheune möchte ein inklusiver Raum werden, wo Roma und Rumänen und die wenigen Sachsen, die in Hammersdorf noch leben, zusammenkommen können. Das könnte als Schwerpunkt meiner Tätigkeit dort angesehen werden. Ein weiteres Ziel und Anliegen des Projektes wäre auch, ein reiches kulturelles Angebot für alle anzubieten. Die Scheune ist baulich noch nicht vollständig fertiggestellt, doch Keime dieser großen Wünsche sind schon da. Ich freue mich.

Mit welchen Herausforderungen setzen Sie sich in Ihrer Tätigkeit auseinander?

Die Zeit ist noch nicht so reif, dass ich viel über die Tätigkeit berichten kann, aber zu den Herausforderungen ist immer etwas zu sagen. Anfangs war natürlich das Geld die große Herausforderung. Ich wollte aus einer alten Scheune schnell ein schönes Gemeindezentrum machen, während die Gemeinde, die Pfarrei eigentlich ziemlich machtlos ist. Das geschah aber schon gut über Projekte, die ich geschrieben habe und über viele Kontakte außerhalb der Gemeinde. Inzwischen sind fast drei Jahre vergangen und ich freue mich über die gelungene Baustelle, bewundere, was die Baumeister und Bauarbeiter täglich schaffen, und stelle mir immer wieder Fragen zur anderen, spirituellen Baustelle, die ich vor mir habe. 

Die Wände wurden doch so schnell anders, neues Dach, Fenster, Türen – die Gemeinde um die Kulturscheune lässt sich aber nicht so rasch aufbauen. Mit den Menschen habe ich, wie alle anderen Priester, große Schwierigkeiten. Bei uns Rumänen ist z. B. die Kultur des Ehrenamts nicht so bekannt, beliebt und manchmal nicht so möglich wie in Westeuropa. 

Ich habe vier Jahre lang Erfahrungen im sozialen Bereich in Deutschland sammeln dürfen und dachte, es wird auch hier ähnlich laufen. Dem war aber nicht so und das ist meine größte Schwierigkeit. Damit bei uns eine Aktion oder ein Projekt entwickelt und dann in Gang gebracht werden kann, sind doppelt so viel Energie, Motivation und Arbeit nötig. 

Das ist meine jüngste Schlussfolgerung. Ich dachte, dass es an Geld mangelt. Nein, das Geld ist da. Es mangelt an Vertrauen, Motivation, Zuverlässigkeit, Zielstrebigkeit, institutioneller Unterstützung, an der oben erwähnten Kultur des Ehrenamts, letztendlich an der Liebe für das Stück Welt, das uns anvertraut wurde. Meine Hauptaufgabe ist gleichzeitig einfach und komplex: Immer in jeder Hinsicht vorbildlich vorgehen und den Menschen unermüdlich Ansporn zu einem besseren und schöneren Leben geben. Das geschieht auf vielen Wegen und die Kulturscheune ist einer der wichtigsten.

Was sind einige besondere Projekte, die Sie bislang durchgeführt haben? Sollte hier ein besonderer Höhepunkt hervorgehoben werden?

Als Erstes fällt mir die schöne Kunstausstellung von vergangenem August ein. Das war eine schöne Zusammenarbeit mit dem Verein „Creativ Act“ in Hunedoara, wobei wir viele Künstler aus ganz Rumänien eingeladen haben, der Kulturscheune jeweils ein oder zwei Gemälde zu schenken, die wir dann in einer Ausstellung in der Scheune gezeigt haben. Es war so gedacht, dass die Besucher sich Gemälde aussuchen und mitnehmen und dafür an die Kulturscheune eine Spende für weitere Aktivitäten mit Kindern leisten. Viele Gemälde sind noch da und verschönern die verputzten Wände der Scheune.

Ein anderes Event war Tschechows Theaterstück „Der Heiratsantrag“ mit Schauspielern aus Bukarest im September. Dazu kamen über Hundert Personen aus der ganzen Stadt. Letzten Herbst feierten wir erstmals ein Erntedankfest. Das volle Wochenende mit vielen Workshops, Musikkonzert, Essen und vielen Besuchern trotz Pandemie war eine Freude. Bei diesem Anlass fand ich, unter anderem, den Spender, der für alle Fenster der Scheune aufkam.

Abgesehen von den punktuellen, für das breite Publikum gedachten Events haben wir eine regelmäßige tägliche Aktivität. Ich freue mich über den Instrumentenunterricht (Klarinette, Saxofon, Klavier), über Tanzen, Robotik, Kunst, Theater, Bogenschießen und andere. Bei all diesen Aktivitäten bemühe ich mich, Romakindern und vor allem ärmeren Kindern den Weg zu einer schönen Aktivität zu ermöglichen, indem ich Sponsoren suche, die z. B. ein Kind beim Klavierunterricht unterstützen. Das geht noch nicht so einfach und soll ausgebaut werden. Ich freue mich sehr über den Hermannstädter Internationalen Marathon, wo wir Romakinder mit einbeziehen konnten und wo wir etwas Geld für weitere Aktivitäten an der Schule erwirken konnten.

Gleichzeitig bemühe ich mich, die  Gemeinde nach der Liturgie ab und zu in der Scheune zum gemeinsamen Essen zusammenzubringen.

Welche Projekte planen Sie für das laufende Jahr?

Heuer würde ich gerne eine neue Aktion entwickeln: Das Projekt heißt „Morro Nashu“ (Mein Taufpate). Das Hauptanliegen wäre, dass wir Beziehungen zwischen Romakindern und Rumänen schaffen. Romafamilien finden schwer einen Taufpaten außerhalb ihres sozialen Umfeldes. Ich würde gerne rumänische Familien ermutigen, jeweils ein Kind in der Romagemeinde einfach in die Stadt zu bringen, Pizza essen zu gehen, einen Film zu sehen, persönliche Gespräche zu führen und anderes. Die Hauptsache wäre, dass Romakinder mindestens zwei Mal im Monat ein soziales Leben wie die Rumänen genießen können. 

Gleichzeitig sollte die Patenfamilie für den guten Ablauf in der Schule, für die nötige Kleidung und andere persönliche Nöte einer werdenden Person sorgen. So eine Familie könnte das Kind unterstützen, ein Instrument zu erlernen oder eine andere Aktivität in der Kulturscheune regelmäßig zu besuchen. Ein übergeordnetes Ziel wäre, dass wir eine Art After-School-Programm auf die Beine stellen.

Wie kann die Tätigkeit der Kulturscheune unterstützt werden, wie können das Privatpersonen oder öffentliche Einrichtungen tun?

Wir freuen uns über jede Unterstützung entweder über ehrenamtliche Arbeit oder finanzielle Hilfen. Das Projekt der Kulturscheune wurde in Hammersdorf mithilfe des Vereins Dia.Logos entwickelt, dessen Vorsitzender ich bin. Man kann eine Spende leisten (Asociația Dia.Logos RO51BTRLRONCRT0332170001; Parohia Ortodoxă Gușterița RO80BTRLRONCRT0585118901),  oder man kann auch gerne vorbeikommen, sich alles vor Ort ansehen und im Gespräch mit mir entdecken, wo und wie man helfen könnte.

Ein großes Anliegen hätte ich noch: Dass wir uns leisten können, wenigstens noch eine Person als Projektmanager anzustellen, sodass wir unsere Aktivitäten weiter entwickeln und ausbreiten können. Gerne stehe ich zur Verfügung, falls jemand uns näher kennenlernen möchte.

Vielen Dank für das Gespräch!


Ausführliche Informationen über das Projekt der Kulturscheune sind unter suraculturala.ro oder auf facebook.com/SuraCulturalaGusterita einzusehen.