Niemals wieder Krieg

Gedenken an die Opfer der Russlanddeportation in Sathmar

Kranzniederlegung an der Gedenktafel der Russlanddeportierten im Hof der Kalvarienkirche in Sathmar. Fotos: László Ilyés

Die einzige Schuld der Russlanddeportierten aus Rumänien sei, dass sie Deutsche waren, betonte DFDR-Abgeordneter Ovidiu Ganț

Sathmar - An die Opfer der Russlanddeportation erinnerte das Demokratische Forum der Deutschen in Nordsiebenbürgen vergangenen Samstag und Sonntag im Rahmen einer Veranstaltungsreihe in Sathmar/Satu Mare, die eine Buchpräsentation, ein Festprogramm, einen Gedenkgottesdienst und die Kranzniederlegung bei der Gedenktafel der Russlanddeportierten beinhaltete.

Die zweitägige Veranstaltungsreihe begann am Samstagabend im Wendelin-Fuhrmann-Saal des Kulturtreffpunkts mit der Vorstellung des Buches „Denkmäler und Gedenktafeln für die im Januar 1945 in die Sowjetunion deportierten Rumäniendeutschen” von Friedrich Philippi und Erwin Josef Țigla in Zusammenarbeit mit Crina und Dorin Dărăban. Musikalisch wurde die Präsentation vom Karoler Trio und vom Air-Chor des Stadtforums Sathmar mitgestaltet. Der Chor wurde von Musiklehrerin Maria Schmidt dirigiert und von dem Streichquartett der Dinu-Lipatti-Philharmonie begleitet. Josef Hölzli, Vorsitzender des Regionalforums Nordsiebenbürgen begrüßte zunächst als Gastgeber die Anwesenden, darunter Eugen Schönberger, römisch-katholischer Bischof der Diözese Sathmar, Prof. Friedrich Philippi, Landeskirchenkurator der Evangelischen  Kirche in Rumänien, DFDR-Parlamentarier Ovidiu Ganț, Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen, Benjamin Jozsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und  Erwin-Josef Țigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen. Josef Hölzli erwähnte in seiner Ansprache, dass rund 4000 Kinder von ehemaligen Russlanddeportierten aus Nordsiebenbürgen bereits aufgrund des Gesetzes 130 von 2020, das auf Initiative des DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganț und seiner serbischen und jüdischen Kollegen verabschiedet wurde, Entschädigung erhalten. Benjamin Jozsa, Geschäftsführer des Landesforums erinnerte daran, dass die Vorfahren ihr Schicksal während der Deportation demutsvoll und mit großem Glauben getragen haben und sagte, wenn wir nicht aufpassen, könnten solche Ereignisse leider wieder passieren. Jozsa machte dabei auf die bedauerliche Tatsache aufmerksam, dass in den vergangenen Tagen Mitglieder einer Parlamentspartei die Ruhe des Rathauses einer rumänischen Stadt, die für gutes interethnisches Zusammenleben steht, antideutsche Parolen rufend, störten. Im Namen des Departements der Interethnischen Beziehungen erinnerte Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu die Anwesenden daran, dass die Volkszählung bald vor der Tür stehe. „Ich rufe Sie auf, an der Volkszählung massiv und diszipliniert teilzunehmen. Es ist ein Zeichen, dass wir für unsere Zukunft setzen können und auch zugleich eine Pflicht gegenüber denen, die wegen der Deportation nicht da sein können. „1990 begann ich mich im Reschitza mit der Deportation zu beschäftigen. Mein Großvater, der fünf Jahre in der Deportation lebte, hat nie davon erzählt. Als er von der Deportation zurückkehrte, fragte meine Mutter als kleines Kind meine Großmutter: Wann geht dieser fremde Mann fort? Als ich 1990 mich mit diesem Thema auseinandergesetzt habe, wurde es mir klar, welche Prägung diese für die Familie, für die Gemeinschaft, für alle Rumäniendeutsche hatte“, sagte Erwin Josef Țigla, einer der Autoren einleitend bei der Buchpräsentation. Im Jahr 2010 wurde von ihm bereits der erste Bildband herausgegeben, um die existierenden Gedenktafeln für die Zukunft zu erhalten, als Produkt eines Projekts durch das Departement der Interethnischen Beziehungen. Im Januar 2020 zum 75. Jubiläum der Russlanddeportation der Rumäniendeutschen erschien der zweite Band, in dem die beiden Autoren Friedrich Philippi und Erwin Josef }igla versucht haben, mit Hilfe des Ehepaars Dărăban neben den Gedenktafeln und Denkmälern der Deportierten in Rumänien auch die Monumente im Ausland mit einzuschließen. Die Geschichtslehrerin Crina Dărăban berichtete darüber, dass in Nordsiebenbürgen in drei Kreisen - in Sathmar, Maramuresch und Bihor - Gedenktafeln und Denkmäler errichtet wurden und machte die Anwesenden darauf aufmerksam, dass in Nordsiebenbürgen noch Ortschaften existieren würden, wo keine Denkmäler oder Gedenktafeln an die Verschleppten erinnern. Die Denkmäler der Russlanddeportierten aus Rumänien zu dokumentieren, veranlasste Professor Friedrich Philippi zu einem Besuch in Dobring, wo in der Kirche die Gedenktafel des Ersten Weltkriegs von Vandalen zerschlagen worden war. „Bis 1990 war es verboten, denen, die in der Deportation verstorben sind, ein Denkmal zu setzen. Trotzdem entstanden noch vor der Wende in Siebenbürgen in etlichen Dörfern Denkmäler oder man hat auf die Gedenktafel des Zweiten Weltkriegs die Namen der Deportierten dazugeschrieben. Man muss bedenken, dass die vielen Opfer des Krieges, der Deportation kein Grab hatten und die Angehörigen der Deportierten brauchen statt einem Grab in der Kirche die Gedenktafel“, sagt Professor Philippi. In Siebenbürgen erinnern in vielen Kirchen Gedenktafeln oder Fahnen und mit Bibelsprüchen bestickte Paramente an Opfer der Russlanddeportation. „Die Frauen und die Mütter der Gefallenen oder Vermissten stickten ihr Leid in den Samt hinein“, so Friedrich Philippi. Wichtig sei die Dokumentation der Denkmäler, denn sie würden zeigen, wer hier mal gelebt hat. Auf mehreren Gedenktafeln oder Denkmälern sei ein Aufruf zum Frieden verzeichnet, wie zum Beispiel auf dem Denkmal in Marpod: Niemals wieder Krieg“, sagte Professor Philippi.

Am zweiten Tag der Veranstaltung zelebrierte Jesuitenpater Geza Pakot eine Gedenkmesse für die Opfer der Russlanddeportation. Daran konnte von den wenigen ehemaligen Deportierten, die noch in Sathmar leben, nur noch die in der Deportation geborene Eva Novak teilnehmen. Im Rahmen der Messe lasen Jugendliche Erinnerungen der deportierten Sathmarer Schwaben aus dem Buch „Und keiner weiß wa-rum“ von Helmut Berner und Doru Radosav vor. Während der Lesung wurden als Erinnerung Bilder von den Deportierten gezeigt und jeder konnte eine Kerze für die Opfer der Deportation anzünden. Anschließend an den Gedenkgottesdienst fand die Kranzniederlegung bei der Gedenktafel der Russlanddeportierten im Kirchhof statt. Im Wendelin-Fuhrmann-Saal des Kulturtreffpunkts begrüßte Stefan Kaiser, Vorsitzender des Stadtforums Sathmar die Anwesenden und erinnerte daran, dass die Erinnerung an die Russlanddeportation eine Pflicht sei. DFDR-Abgeordneter Ovidiu Ganț betonte in seiner Ansprache, dass die Russlanddeportation eine von Stalin verordnete Bestrafungsmaßnahme für die Deutschen, egal ob Schwaben aus dem Sathmarland oder aus dem Banat oder Sachsen aus Siebenbürgen, war. Er sei froh, dass Rumänien seine Mitschuld an diesem Verbrechen erkannt habe und dass heute auch die Kinder der Deportierten, die Kinder ohne Kindheit waren, an der materiellen Wiedergutmachung des rumänischen Staates teil haben können. Das Festprogramm wurde vom schwäbischen Männerchor Großkarol-Petrifeld-Sathmar und Schülern des Kölcsey-Ferenc-Nationalkollegs, unter der Leitung des Deutschlehrers Adalbert Csaszar mitgestaltet.