Osteuropäische Literatur durch soziale Medien sichtbarer machen

Tino Schlench schreibt im beliebten „Literaturpalast“-Blog über seine Lieblingsbücher

Tino Schlench am Wiener Yppenplatz | Foto: Michael Marlovics

Eine Auswahl der Bücher, die Tino Schlench zuletzt rezensiert hat, auf der Homepage in Szene gesetzt | Fotos: literaturpalast.at

Seinen Podcast kann man auf der Home-page anhören, aber auch auf dem Traduki-Kanal auf Youtube sowie auf verschiedenen Streaming-Anbietern, etwa Spotify.

Tino Schlench, geboren 1983 in Prenzlau, Brandenburg, eröffnete 2018 den auf osteuropäische Literatur spezialisierten Instagram-Blog „Literaturpalast“, der nun auch die Website literaturpalast.at und den Podcast „Literaturpalast Audiospur – Geschichten aus Südosteuropa“ umfasst. Schlench gehört zu den erfolgreichsten Buchbloggern im deutschsprachigen Raum und hat den Börsenblatt Young Excellence Award 2021 gewonnen. Außerdem ist er Mitarbeiter im Verlag Text/Rahmen in Wien und arbeitet freiberuflich in den Bereichen Moderation, Podcasting und Social-Media-Management.

Seine von Neugier getriebene Beschäftigung mit dem Osten basiert auf seinen Kindheitserlebnissen in der damaligen DDR. Als die Berliner Mauer fiel, war Schlench erst sechs Jahre alt, er erlebte also kaum etwas von dieser Zeit. Die ostdeutsche Literatur gab ihm jedoch die Möglichkeit, etwas über diese Epoche zu erfahren, die er selbst kaum erlebte. Erst als er nach Wien übersiedelte, erweiterte sich sein Blickwinkel weiter auf die osteuropäischen Literaturen.

Die Entstehung des „Literaturpalast“

Näher am Balkan begann er, sich mit osteuropäischen Titeln zu beschäftigen. Mit dem Willen, die von ihm gewählten Bücher sichtbarer zu machen, gründete er auf Instagram den Buchblog „Literaturpalast“. Es gibt bereits viele Blogs und Social-Media-Accounts, die sich der Universalliteratur widmen, aber das war bei der osteuropäischen Literatur nicht der Fall, meint er. Die Bücher und die Sprachen machen Osteuropa zu einem sehr heterogenen Raum, betont Tino Schlench. Bisher hat er im „Literaturpalast“ Bücher aus fast 30 Ländern präsentiert – Romane, Lyrikbände, Essays und Reisereportagen.

Der Name „Literaturpalast“ orientiert sich ironischerweise an der Erinnerung an die alten Kultur- und Wissenschaftspaläste im ehemaligen Ostblock, die heute teilweise ihren Glanz verloren haben. In den Beiträgen von „Literaturpalast“ verrät Schlench nichts über seine Person – „Ich bewohne den Palast, ich bin es aber nicht“, sagt er. Seine persönliche Nuance ist nur im Schreib- und Interpretationsstil sowie in der visuellen Gestaltung seines Instagram-Profils und seiner Website zu erkennen. Bilder bieten einen ersten Eindruck des jeweiligen Kommentars und müssen daher ansprechend sein. Die Bücher, die er präsentiert, sind oft eher unbekannt. Seine Texte sind oft keine Rezensionen, sondern eine besondere Auseinandersetzung mit Inhalt und Stil des jeweiligen Buches. Schlench will kein typischer Kulturredakteur sein, von dem eine klassische Rezension erwartet wird, in der alles inhaltlich dargestellt und dann bewertet wird. Seine Texte unterscheiden sich voneinander. Während er schreibt, ahmt er den Ton des Buches nach. Mal schreibt er in der Ich-Form, mal in der Wir-Form, manchmal verwendet er ein konkretes Du oder greift die Themen des Buches als fiktive Figur auf. Es kann auch bis zu drei Tage dauern, bis ein Text fertig ist.

Tino Schlench schreibt Texte, die man nicht sofort versteht, weil er nicht viele Erklärungen gibt. Er will die Lesenden herausfordern, die Texte zu reflektieren und durch scheinbare Unklarheiten eigene Interpretationen zu finden. Die Texte sollen funktionieren, auch wenn sie das Buch nicht kennen. Letztlich ist es Schlench wichtig, dass seine Texte unterhalten.

Seit 2020 produziert er den monatlichen Podcast für Traduki, das Netzwerk für südosteuropäische Literatur. Im Wiener Literaturkreis ist er Teil der digitalen Lesegruppe in den Büchereien Wien, organisiert zusammen mit der Bloggerin Linda Dreier.

Durch Literatur mit Rumänien verbunden

Seine erste Begegnung mit rumänischer Literatur fand 2007 als Praktikant bei einem Wiener Verlag statt. Dort entdeckte er die Werke der rumänischen Schriftsteller Mircea Cărtărescu und Gabriela Adameșteanu, die auch gute Übersetzungen ins Deutsche haben. Die rumänische Literatur bringt einen besonderen Humor mit, der für Schlench beim Lesen unverzichtbar ist. Deutsche Autorinnen und Autoren aus Rumänien, wie Herta Müller, Eginald Schlattner oder Iris Wolff, die bereits als Kind nach Deutschland gekommen ist, hat Schlench bereits gelesen und noch mehr über die Geschichte Rumäniens erfahren.

„Sonia meldet sich“ von Lavinia Braniște, „Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte“ von Tatiana Țîbuleac, „Handbuch der Zeichen“ von Ștefan Agopian, sind einige von vielen rumänischen Titeln, über die Tino Schlench geschrieben hat.

Für Schlench ist Rumänien aufgrund der romanischen Sprache ein besonderes Land in Südosteuropa. Er erinnert sich gerne an seine Schulzeit und meint, dass er dank seines Französischunterrichts viele rumänische Wörter verstehen kann.