Pandemien im „Reener Ländchen“

Der Reener Josph Haltrich Grafik: Hans Ganesch

Die aktuelle Corona-Pandemie lenkt den Blick in die Vergangenheit und damit zur Erkenntnis, dass auch unsere Vorfahren mit solchen Plagen zu kämpfen hatten. Dieser Rückblick gibt auch Aufschluss über die damals ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung dieser Seuchen, die, erstaunlicherweise, auch heute ihre Gültigkeit haben.
Der Lehrer, Pfarrer, Volkskundler und Historiker Joseph Haltrich (1822-1886) berichtet im Rahmen der Generalversammlung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde vom 21. August 1857, abgehalten in Sächsisch-Regen, in seinem Beitrag „Zur Geschichte von Sächsisch-Regen in den letzten hundert Jahren“ über einige Fälle der Pestseuche: „Das Regener Capitelsbuch erwähnt zweimalig die Pest aus den beiden letzten Jahrhunderten. 1661 starb der Regener Pfarrer Paulus Orthius in Görgeny (Gheorgheni) an derselben und wurde im Schlosse begraben. 1719 den 28. Oktober starb an der Pest der Obereidischer Pfarrer Martin Cramer und am 8. November desselben Jahres der Niedereidischer Pfarrer Laurentius Conrad mit vier Kindern. Der nach Niedereidisch zum Pfarrer gewählte Regener Prediger Georg Bogner konnte drei Monate nicht hinübergeführt werden bei dem heftigen Wüten der Seuche; er hielt aber dennoch im Freien aus der Entfernung mit den Eidischern Gottesdienst (Leider wird dieses Vorgehen nicht näher ausgeführt. Heute, im digitalen Zeitalter, ist das Abhalten des Gottesdienstes aus der Ferne kein Problem mehr).

Samuel Lutsch Rektor in Regen, an Bogners Stelle zum Prediger berufen, und Michael Conrad Rektor, in Niedereidisch nach Birk zum Prediger berufen, werden beide nach vorheriger Genehmigung des Superintendanten von dem Regener Pfarrer und damaligen Dechanten Samuel Spellner in der Scheune des Bürgermeisters Johannes Lutsch ordiniert (Hierzu wäre zu bemerken, dass der Abstand eingehalten werden konnte, Frischluft war auch genügend da). Ebenso wird in demselben Jahr Georg Saal zum Substituten ohne Recht der Succession für den altersschwachen Botscher Pfarrer Georg Lani gewählt, von dem Regener Pfarrer unter einem Kelter am „Kurzendal“ ordiniert (wahrscheinlich ist hier der Schuppen – Kelterhaus- für einen Baumkelter gemeint. Ein Baumkelter hatte einen mächtigen, langen Balken, Torkelbaum genannt, der als Hebel zum Pressen, eingesetzt wurde. Diese ganze Konstruktion, von erheblichen Ausmaßen, wurde zum Schutze gegen die Witterung, überdacht). Die Tradition weiß noch mancherlei zu erzählen, welch ein Todesschrecken unter den Leuten geherrscht habe und wie Handel und Verkehr allgemein gestockt sein. Jeder Ort war wie abgesperrt und an den Enden mit Pestwachhäuschen versehen (darin saßen die Wachleute); niemand durfte sich ohne Pass (Passierschein) daraus entfernen.

Eine Art Markttag wurde in Sächsisch-Regen hinter den Gärten gegen den Ziegenwald gehalten (heute steht hier das neue Wohngebiet „Rodna“). Die Regener hingen ihre Waren an die Zäune oder Blanken (ein Zaun aus Brettern, nicht Latten). Die Fremden (Käufer) kamen bis auf zehn Schritt Entfernung heran. Wollte einer z. B. ein Paar Tschismen (Stiefel) kaufen, so fragte er – wie groß ist das erste (zweite oder dritte) Paar. So und so groß antwortete der Schuster. Wenn sie nun handelseinig wurden, ging der Tschismenmacher etwas zurück, der Fremde kam bis an den Blanken und zählte die Geldstücke auf den Boden auf, dann nahm er sich mittels eines langen Steckens sich das erhandelte Paar vom Zaun und ging damit, ohne es zu berühren, nach Hause und erst nach drei Tagen, nachdem die Tschismen gehörig geräuchert wurden, zog er sie an.

Der Schuster machte es ähnlich mit dem Geld; mittels eines langen Steckens schob er die einzelnen Geldstücke in einen linnenen Fetzen (leinenes Tuch), fasste diesen mit den Fingerspitzen an den äußerst Enden, trug es nach Hause, räucherte es und griff dann erst nach einem oder zwei Tagen darauf mit den Fingern die Münzen an.“
Unsere Vorfahren wussten schon damals: Mit Lebenswillen, Erfindergeist und Geschick kann man fast alle Herausforderungen des Lebens meistern.