Passion und Auferstehung

In Wildermieming ist eine monumentale Osterkrippe zu bewundern

Das letzte Abendmahl Fotos: Mag. Ignazius Schmid

Jesus wird ans Kreuz genagelt.

Kreuzigungsszene

Auferstehung

Totalansicht der monumentalen Fastenkrippe in Wildermieming

Ob Osterkrippe, Fastenkrippe oder Passionskrippe genannt … Das Wort „Krippe“ hat zur ursprünglichen Bedeutung „Futterkrippe“ noch eine zusätzliche Bedeutung bekommen, nämlich „szenische Darstellungen aus dem Leben Jesu“. Es wurde aber neben der Weihnachtskrippe mit ihrem trotz aller Armut lieblichen Ereignis der Geburt des Jesuskindes die Passionskrippe mit ihren grausamen Szenen von Jesu Leiden und Sterben in der künstlerischen Gestaltung eher vernachlässigt.

Vergessen und wiederentdeckt

Passionskrippen sind in der Barockzeit entstanden, im 18. und 19. Jahrhundert dienten sie dazu, dem meist leseunkundigen Volk das Geschehen in der Karwoche bis hin zum Ostersonntag verständlich zu machen. Die dicht aufeinanderfolgenden Szenen – so sie alle einbezogen werden – benötigen für eine ganze Passionskrippe viel Platz: am Palmsonntag der bejubelte Einzug Jesu in Jerusalem, der Gründonnerstag mit dem letzten Abendmahl, der Verrat durch Judas, Gefangennahme, Verurteilung, Geißelung und die verschiedenen Stationen des Kreuzweges bis hin zur Kreuzigung, die Grabesruhe, die Ratlosigkeit der Frauen vor dem leeren Grab am Karsamstag und die Auferstehung am frühen Ostersonntagmorgen sowie der Emmausgang der Jünger mit dem unerkannten auferstandenen Jesus … Das alles fordert einem Künstler viel an Gestaltungsgeschick ab. Neben den Hauptfiguren wie Jesus und seinen Jüngern, seiner Mutter Maria und Maria Magdalena mit den anderen Frauen gehören noch die römischen Soldaten dazu, Pontius Pilatus und das jüdische Volk … Viele Figuren in vielen Szenen, die eine Passionskrippe auch für einen Schnitzer zu einer sehr aufwendigen Arbeit machen – vermutlich ein weiterer Grund, warum sich nicht allzu viele Künstler an die Arbeit einer gesamten Passionskrippe, sondern eher nur an einzelne Szenen heranwagten.

Passionskrippen waren nie populär, aber sie waren doch in traditionsverbundenen Bauernfamilien zu finden, wo sie der Besinnung auf das Geschehen in der Karwoche dienten. Um 1900 wieder waren in verschiedenen Gegenden Passionskrippen bekannter als Weihnachtskrippen. Mit der Zeit gerieten sie aber in Vergessenheit, waren allenfalls in einem Volkskundemuseum, auf Dachböden oder gelegentlich sogar auf einem Flohmarkt zu finden. Immerhin haben sich in jüngerer Zeit Krippenfreunde des Themas angenommen und in Bamberg, Hirschhaid, München, Jüchen und an anderen Orten Ausstellungen kuratiert.

Wer suchet, der findet … auch Passionskrippen

In Salzburg hat der Leiter des Salzburger Heimatwerkes, Hans Köhl, im Jahr 2000 die Sammlung von Osterkrippen initiiert, die 2006 schon auf 120 Exponate angestiegen war. Im Krippenmuseum Grafendorf in der Oststeiermark sind unter anderem Passionskrippen zu bewundern, und in der niederösterreichischen Stadt Eggenburg kann das namhafte Krahuletzmuseum zu einigen Krippen mit Passionsmotiven aus seinem Bestand sogar mit einer Rarität aufwarten: eine Papier-Fastenkrippe, deren Figuren aus alten Rechnungsbüchern ausgeschnitten und bemalt wurden, einige Figuren sind mit „Rosa Engel 1851“ signiert – über sie wären noch Nachforschungen anzustellen. Bemerkenswerte Sonderausstellungen wurden unter anderem vor wenigen Jahren im Stift Stams in Tirol vom Verband der Tiroler Krippenfreunde sowie im Rathaus und im Stadtmuseum der Stadt Steyr in Oberösterreich aufgebaut.

Am enormen Publikumsandrang zu diesen Ausstellungen ist auch das steigende Interesse am Thema Passionskrippen abzulesen. Vor allem bei Menschen, die sich über Ostereier und Osterhasen hinaus wieder an das biblische Geschehen erinnern und darauf konzen-trieren wollen, ist das Interesse daran wieder lebendig geworden. Auch bei Kunstliebhabern und Volkskundlern sind Krippen beliebte Anschauungsobjekte, sagen sie doch sehr viel darüber aus, wie man in der jeweiligen Gegenwart das damalige Zeitgeschehen und die Lebenswirklichkeit der handelnden Personen gesehen hat.

Tiroler Krippenherberge in Wildermieming

 Als eine Besonderheit darf die Krippenherberge in Wildermieming angesehen werden. Hier hat der langjährige Krippensammler Erwin Auer nach langem Suchen im Soussol des Aktiv-Hotels Traube für seine siebzig historischen Krippen eine Herberge gefunden. Zwei Jahre lang wurde umgebaut und ausgestaltet, bis im Jahr 2015 die Krippenherberge eröffnet werden konnte. Als letztes Exponat beim Krippenrundgang präsentiert sich die monumentale Osterkrippe, ein echtes Sammlerstück. Auf viereinhalb Metern Breite und eineinhalb Metern Tiefe sind über hundert Figuren zum Geschehen des Leidens und der Auferstehung Jesu in siebzehn Bildern zusammengefasst. Die zwölf bis zwanzig Zentimeter großen Figuren sind Einzelstücke und bis 2001 in reiner Handarbeit von der namhaften Künstlerin Angela Tripi aus Palermo in der in Süditalien weit verbreiteten Art aus Terrakotta gestaltet worden. Bekleidet sind sie mit textilen Gewändern und sogar echtem Silberschmuck. Den Krippenberg haben Erwin Auer und Werner Kramer gebaut, den Hintergrund hat Walter Grach aus Innsbruck gemalt. Um das biblische Geschehen besser zu verstehen, nimmt Erwin Auer – sofern nicht seine Partnerin Hermine im Führungseinsatz ist – die Technik zuhilfe. Die siebzehn Szenen sind einzeln per Knopfdruck zu beleuchten, und Ferdinand Reitmaier spricht dazu den erklärenden Text. Im Unterschied zu vielen Weihnachtskrippen, die in die europäische Landschaft und in die Lebenswelt der Krippenbauer versetzt werden, ist die Osterkrippe in Wildermieming mit Landschaft, Gebäuden, Kleidern, Menschentypen, Pflanzen … eine rein orientalische Krippe. Die vielen Details zaubern antikes Brauchtum und die Stimmung des Orients herbei, wie sie damals in Palästina geherrscht haben muss. An der Mimik und der nonverbalen Körpersprache der Figuren kommen die Gefühle von Trauer, Grausamkeit, Schmerz, Mitleid, Angst und Verzweiflung sehr gut zum Ausdruck – bei der Kleinheit der Figuren zusätzlich eine künstlerische Meisterleistung. Wo in dieser Krippe die Menschen in Gruppen zusammenstehen und mit-einander reden, möchte man fast mitreden, so lebensecht sind ihre Gesten und ihr Gesichtsausdruck.

Angesichts des Leidens und der Auferstehung Christi, wie sie in der Wildermieminger Osterkrippe dargestellt sind, werden die Betrachter angeregt, neben der ästhetischen Bewunderung des monumentalen Werkes auch den eigenen Gedanken und Gefühlen zum größten christlichen Ereignis nachzugehen.