Qualifizierungsmankos und diplomatische Pleiten

Randbemerkungen

2022 brachte der rumänischen Außenpolitik zwei schwere Pleiten: Die eine war die Blockierung des von rumänischen Politikern den Bürgern des Landes vorgegaukelten „sicheren Beitritts zum Schengen-Raum“. Die andere war die Annahme der neuen gesetzlichen Regelungen für Minderheiten in der Ukraine, die vom wuseligen und „möchtegern die Weltpolitik diktierenden“ Präsidenten Wolodymyr Selenskyj umgehend unterzeichnet wurden.

Obwohl er vorher in bilateralen Begegnungen mit besorgten rumänischen Politikern versprochen hatte, die Minderheitenregelungen nuancieren zu lassen und die Spitzen derselben (wie es die Novellierung eigentlich beabsichtigt hatte) nur gegen die russische Minderheit der Ukraine zu richten. Tat er nicht. Oder geschah nicht.

Folglich bleibt dem Beobachter in Rumänien nichts anderes übrig, als die neuen ukrainischen Minderheitengesetze, so wie sie vom Parlament in Kiew verabschiedet wurden, als von der rumänischen Diplomatie unbeeindruckt zu sehen. Als ein Scheitern des gesamten diplomatischen Apparats, mit dem zigarilloschmauchenden Außenminister und dem verantwortlichen Außenvertreter Rumäniens, Präsident Johannis, an der Spitze. Selenskyj fand es nicht einmal der Mühe wert, wenigstens eine symbolische Geste zu machen, angesichts der ihm bestimmt zugetragenen Unzufriedenheit der Rumänen im Raum Tschernowitz und in der Bukowina. Im Gegenteil: Der Ex-Schauspieler hatte die Kaltschnäuzigkeit, dieses Gesetz als wichtigen Schritt der Ukraine in Richtung EU-Aufnahme zu preisen. Die „gemeinsame Kommission für bilaterale Konsultationen“ über das ominöse Gesetz, die man dem rumänischen Präsidenten und seinem Außenminister in Kiew zugesagt hat, sind wie die vielzitierte Massage eines Holzfußes.

Die beiden Pleiten offenbaren auch ein Grundübel der rumänischen Politik, das es gleichermaßen auf der Horizontalen wie auf der Vertikalen gibt: Stümperhaftigkeit, Amateurismus. Bockigkeit gegenüber Lehren oder Lernresistenz, Eingebildetsein auf Qualitäten, die man nie besessen hat, Vorgaukeln von Qualifizierungen. So gelangen die Damen und Herren in die Mangel, als Plagiatoren ihrer Doktorarbeiten entlarvt zu werden (man denke bloß an den abgetretenen Bildungsminister Cîmpeanu – aber auch an die im Unfairen vereinigte Schar seiner „Unterstützer“ aus den Reihen der Universitätsrektoren Rumäniens, oder an den amtierenden Innenminister Bode, der die Uni verklagt, die ihn erst zum Doktor gemacht hatte, um danach die Arbeit als wissenschaftlich wertlos und weitgehend abgeschrieben einzuschätzen), so sitzen sie im TV-Talkshows und verheddern sich in der Grammatik des Rumänischen, wie es die Medien der Ex-Präsidialberaterin und amtierenden Bildungsministerin Ligia Deca dauernd nachweisen, deren Hauptsünde aber ist, die Unterfinanzierung des Bildungswesens bei flagranter Übertretung der 6-Prozent-Gesetzesvorschrift in aller Selbstverständlichkeit als „ausreichend“ zu bezeichnen, so tapsen sie von Fettnapf zu Fettnapf wie der Landwirtschaftsminister Daea, der bereits mit der Minister-Witzfigur der ersten Nachkriegsjahre gleichzieht (Romulus Zaroni).

Die notorisch zu werden drohende Unfähigkeit der rumänischen Politik zur Förderung von Fähigen auf dem nationalen und internationalen Parkett, die fehlende Begabtenförderung, die Unfähigkeit, intellektuelle Ressourcen politisch zu binden und zu bündeln ist allen Parteien eigen. Vielleicht, ja wahrscheinlich ist sie aber auch die Antwort auf eine Bevölkerung, die weiterhin bereit ist, ihre Wahlstimme für eine Flasche Speiseöl und ein Kilo Mehl zu verkaufen und die mit nationalem Interesse – abgesehen von begeistert mitgegangenem Hurra-Patriotismus – überhaupt nichts anzufangen weiß.

Mehr Freiheit, Wohlstand und Sicherheit – die „Moral“ – ist allen wurscht, wenn nur das „Fressen“ stimmt.