Quo vadis, deutsche Minderheit?

Volkszählung und Minderheiten: Ein Blick auf Sprache und Bildung (Teil 2)

Quelle der Zahlen: ensse.ro/recensământul-populației-și-locuințelor-runda-2021-provizorii/ Grafik: die Verfasserin

Wieviele Deutsche in Rumänien sprechen noch Deutsch als Muttersprache? Und wie sieht es aus mit der deutschen Bildungskultur? Reflektiert sich die Mühe, die in die Aufrechterhaltung des deutschsprachigen Schulsystems gesteckt wird, in den vorläufigen Zahlen der letzten Volkszählung über die Bildung der Deutschen?

Was sprechen die Deutschen, wer spricht noch Deutsch?


Aus den vorläufigen Zahlen der Volksbefragung geht hervor, dass es noch 22.907 erfasste ethnisch Deutsche gibt (Anm. d. Red.: das DFDR zweifelt diese Zahlen an), aber nur 15.943 Personen Deutsch als Muttersprache angeben – und das sind nicht alles Deutsche!

Von den ethnisch Deutschen betrachten sich noch 13.710 als Muttersprachler, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Rest kein Deutsch mehr spricht. Die übrigen geben Rumänisch (5201 Personen) als Muttersprache an, gefolgt von Ungarisch (3841), Romani (23), Bulgarisch (8), Russisch (7), Serbisch (6), je 4 Jiddisch, Polnisch, Ukrainisch bzw. Slowakisch und 50 eine andere Sprache. 38 Deutsche machten keine Angaben zur Muttersprache. Leider gibt es (noch) keine Auskunft, in welchen Regionen die Deutsch-Muttersprachler leben und in welchen sich Deutsch als Muttersprache verliert...

Andererseits gibt es 2209 Angehörige anderer Ethnien, die Deutsch als Muttersprache angaben: 1429 Rumänen, 191 Ungarn, 183 Roma, 93 Serben, 19 Juden, neun Slowaken, sieben Italiener, sechs Kroaten, drei Bulgaren und 269 Angehöriger anderer Ethnien. Wo leben die Nichtdeutschen mit Muttersprache Deutsch? In den Städten mit deutschen Schulen?

Während sich bei den ethnischen Deutschen die Anzahl Männer/Frauen zahlenmäßig ungefähr die Waage hält (11.421/11.487), gibt es unter den Deutsch-Muttersprachlern deutlich mehr Frauen (8239) als Männer (7704).

Starke Sprache, starker Schwund

Unter allen in Rumänien gesprochenen Sprachen nimmt die deutsche Sprache als Muttersprache gemäß Zensus 2022 den 6. Platz ein – 2011 war es noch der 5. Platz. Sie gehört aber, wenn die Zahlen stimmen, mit fast 40 Prozent Rückgang seit der letzten Zählung (von 26.557 Muttersprachlern auf 15.943) auch zu den Sprachen mit dem stärksten Schwund.

Die Statistik zeigt, dass die Muttersprache etwas stärker schwindet als die Zahl der ethnisch Deutschen. Dies mag erstaunen in Anbetracht der Beliebtheit deutscher Schulen auch bei der übrigen Bevölkerung, doch muss man sich vor Augen führen, dass die Volkszählung nur nach der Muttersprache fragte, nicht nach Sprachkenntnissen – und nur eine Angabe möglich war! Nachkommen gemischter Eltern, die vielleicht beide Sprachen sprechen, mussten sich also entscheiden. Möglich, dass es eine Dunkelziffer an Personen gibt, die Deutsch trotzdem auf Muttersprachniveau beherrschen.

Die Reihung der offiziellen Muttersprachen nach Anzahl der Sprecher ergibt sich wie folgt: 1. Rumänisch, 2. Ungarisch, 3. Romani  – mit einem Schwund von fast 19 Prozent und einer bemerkenswert kleinen Sprechergruppe von knapp 200.000 unter fast 570.000 Roma, 4. Ukrainisch, 5. Türkisch, 6. Deutsch,  7. Lipowaner-Russisch, 8. Tatarisch, 9. Serbisch, 10. Slowakisch, 11. Kroatisch, 12. Bulgarisch, 13. Italienisch  – mit einem Zuwachs von 39,2 Prozent, 14. Polnisch , 15. Tschechisch, 16. Griechisch, 17. Jiddisch, 18. Ruthenisch, Platz 19.  teilen sich Armenisch und Albanisch, 20. Makedonisch.

Die wenigsten Muttersprachler im Vergleich zur Volksgruppe verzeichnen die Makedonier und Juden:  201 Personen sprechen Makedonisch, davon nur 96 Makedonier; insgesamt gibt es 1089 Makedonier; der Sprachschwund in den letzten zehn Jahren beträgt 73,8 Prozent. Jiddisch sprechen 597 Personen, davon 338 Juden, insgesamt gibt es 2378 Juden, aber einen Jiddisch-Sprachschwund von nur 7,1 Prozent seit 2011.

Bildungschampions: Juden, Griechen, Armenier

Insgesamt hat sich der Bildungsstand in den letzten zehn Jahren verbessert: Waren es im Jahr 2011 noch 12,9 Prozent, die eine höhere Bildung genossen haben und 50 Prozent mit niedriger Bildung, liegt der Landesdurchschnitt für höhere Bildung jetzt bei 16Prozent, der für niedrige Bildung bei 40,5 Prozent (Rest: mittleres Bildungsniveau).

Die Zahlen zu den einzelnen Ethnien und ihrer Bildung müssen mit Vorsicht interpretiert werden, denn viele Faktoren beeinflussen den Zugang zu Bildung: Etwa die finanzielle Kraft (Familieneinkommen, Förderprogramme aus dem Inland oder Ausland), regionale Aspekte (Stadt/Land, Entwicklung der Regionen), die Altersstruktur der Minderheit (der Zugang zu Bildung oder der Brauch, Kindern bzw. Jungen und Mädchen höhere Bildung angedeihen zu lassen, mag früher anders gewesen sein als heute), die Bildungstradition der verschiedenen Ethnien, das Vorhandensein ausreichender Schulen mit Unterricht in der Muttersprache etc.

Auffallend ist, dass die Top-Liste  zur Bildung von drei schwindend kleinen Minderheiten angeführt wird: den Juden, den Griechen und den Armeniern. So haben 61 Prozent der Juden, 52,2 Prozent der Griechen und 48,8 Prozent der Armenier höheres Bildungsniveau. Schlusslicht dieser Liste sind die Roma mit nur 2 Prozent (das sind allerdings 569.477 Menschen mit höherer Bildung, also zahlenmäßig mehr als die drei Vorgenannten zusammen).

Betrachtet man die Prozentzahlen für das niedrigste Bildungsniveau, führen die Roma mit 82,7 Prozent (bzw. 5.246.798 Personen), gefolgt von den Türken mit 56,4 Prozent und den Kroaten mit 53 Prozent. Die wenigsten Personen niedrigen Bildungsniveaus verzeichnen die Armenier (14,7 Prozent), Griechen (14 Prozent) und Juden (9,9 Prozent).

Deutsche führend unter großen Minderheiten

Von den 22.907 gezählten ethnisch Deutschen verfügen 6202 Personen beziehungsweise 27 Prozent über ein höheres Bildungsniveau, 10.389 Personen über ein mittleres (Lyzeum und darüber, Meister oder Lehre) und 6316 über ein niedriges (Vorschule, Grund- oder Mittelschule, bzw. ohne jeglichen Schulabschluss).

In der Top-Liste der höheren Bildung liegen wir auf dem fünten Platz, die Reihung gestaltet sich folgendermaßen: 1. Juden: 61 Prozent, 2. Griechen: 52,2 Prozent, 3. Armenier: 48,8 Prozent, 4. Mazedonier: 28,8 Prozent, 5. Deutsche: 27,1 Prozent, 6. Serben: 21,4 Prozent, 7. Bulgaren: 21,3 Prozent, 8. Albaner: 20,6 Prozent, 9. Italiener: 20 Prozent, 10. Polen: 17,8 Prozent, 11. Rumänen: 17,5 Prozent, 12. Lipowaner: 15,4 Prozent, 13. Ruthenen: 14,7 Prozent, 14. Tschechen: 13,9 Prozent, 15. Ungarn: 12,9 Prozent, 16. Slowaken: 12,1 Prozent, 17. Türken: 11,5 Prozent, 18. Kroaten: 8,7 Prozent, 19. Ukrainer: 7,3 Prozent,  20. Tataren: 2,4 Prozent und 21. Roma mit 2 Prozent.

Die Reihung für den niedrigstem Bildungsstand in Prozent sieht wie folgt aus: Roma: 82,7 Prozent, Türken: 56,4 Prozent, Kroaten: 53 Prozent, Ukrainer: 50,6 Prozent, Ruthenen: 49,4 Prozent, Tschechen: 46,6 Prozent, Slowaken: 41,4 Prozent, Lipowaner: 40,2 Prozent, Ungarn: 37 Prozent, Rumänen: 35,4 Prozent, Polen: 34 Prozent, Serben: 33,6 Prozent, Bulgaren: 32,2 Prozent, Tataren: 29,8 Prozent, Deutsche: 27,6 Prozent, Albaner: 26 Prozent, Mazedonier: 24,1 Prozent, Italiener: 23,8 Prozent, Armenier: 14,7 Prozent, Griechen: 14 Prozent und Juden: 9,9 Prozent.

Betrachten wir jedoch nur die sechs großen Ethniengruppen mit mehr als 20.000 Mitgliedern, führen im Bereich höhere Bildung die Deutschen, gefolgt von den Rumänen, Ungarn, Türken, Ukrainern und Roma. Den größten Prozentanteil an niedrigem Bildungsstand bringen Roma ein, gefolgt von Türken, Ukrainern, Ungarn, Rumänen und den Deutschen als Schlusslicht (im positiven Sinne).

In der Gruppe der fünf großen Minderheiten führen die Deutschen, was vermutlich die traditionelle Bildungskultur und das stetige Bemühen des DFDR – u.a. auch mit Bundesdeutscher Hilfe – um den Erhalt des deutschen Schulsystems hierzulande widerspiegelt.