Radfahrerstadt Temeswar

Machtvolle Demonstration umweltfreundlicher Verkehrsmittelnutzung

Dass Temeswar eine Radfahrerstadt ist, das bewiesen die 3.000 Teilnehmer an der jüngsten Frühlingsradeltour von „Grün für Fahrräder“. Foto: Zoltán Pázmány

Sonntag, kurz nach halb zehn auf dem Timco-Standort in der Circumvala]iunii-Straße in Temeswar/Timişoara. Etwa zehn junge Leute mit grünen T-Shirts stehen vor dem „Grün für Fahrräder“-Haus.  Auf dem Tisch, der vor dem Eingang steht, liegen Nummernschilder und Plastikstreifen herum, die die Jugendlichen bald an die Fahrräder, die noch kein Kennzeichen haben, anbringen werden. Noch sind die Jugendlichen entspannt, sie unterhalten sich und scherzen miteinander. Kurz vor 10 Uhr, wenn die ersten Radfahrer ankommen, werden sie alle Hände voll zu tun haben. Ihren Auftrag für den sonnigen Aprilsonntag kennen sie ganz genau, denn sie sind die Freiwilligen, die sich im Rahmen der Förderkampagne „Grün für Fahrräder“ engagieren.

„Ich mache seit 2010 bei ´Grün für Fahrräder´ mit. Damals half ich bei der Veranstaltung der ´Cupa Cetăţilor´ – ein Radfahrerwettbewerb, bei dem es darum ging, verschiedene Ziele in der Stadt zu erreichen und Punkte zu sammeln“, sagt Andreea Gaspar (16), Schülerin der Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar.

Sinnvolles Engagement

Durch ihre Klassenkollegin Ioana Cristescu, die Koordinatorin des Freiwilligenteams, erfuhr Andreea von der Initiative. Sie fand, dass es eine gute Sache ist, zumal sie sowieso vorhatte, sich für irgendetwas zu engagieren. „Es gibt kein streng einzuhaltendes Programm und es macht Spaß. Allein vor den Radeltouren gibt es mehr zu tun“, erklärt Andreea, die zum ersten Mal als Dreijährige in den Fahrradsattel gestiegen ist. Die Schülerin muss dann mit den anderen Freiwilligen die Strecke festlegen. Bei den Radtouren heißt es, die Leute über „Grün für Fahrräder“ zu informieren und Kennzeichen für die Velos zu verteilen. 15.000 Fahrräder in Temeswar tragen bereits Nummernschilder. Dadurch möchten die Veranstalter der Kampagne – die Bega-Stiftung unter der Leitung des Geschäftsmanns Emil Cristescu -  erfassen, wie viele Radfahrer es überhaupt in der Stadt an der Bega gibt.

Die jüngste Statistik von „Grün für Fahrräder“ hat gezeigt, dass Temeswar die rumänische Stadt mit den meisten Fahrradfahrern pro Einwohnerkopf ist. Ein erfreuliches Ergebnis, das die Kommunalbehörde dazu veranlassen sollte, noch mehr Radwege in der Stadt an der Bega einrichten zu lassen, wünschen sich die Förderer der Kampagne. In den vergangenen fünf Jahren, seit es die Umweltkampagne gibt, hat sich in Temeswar schon einiges getan.  60 Kilometer Radwege wurden eingerichtet und 200 Parkplätze für Fahrräder stehen an verschiedenen Stellen in der Stadt den Radfahrern zur Verfügung. An die 3000 Radfahrer haben sich am 21. April auf dem Timco-Gelände versammelt, um zusammen in den Frühling zu radeln. Jedes Jahr wird die sogenannte Frühlingsradeltour veranstaltet, um auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel aufmerksam zu machen.

Radfahrerschlange in der Innenstadt

Um 11 Uhr geht´s los! Die Radfahrer starten von der Circumvala]iunii-Straße Richtung Mall, denn die diesjährige Frühlingsradeltour führt durch den nördlichen Teil Temeswars. Kilometer lang ist die Radfahrerkolonne, die mit Polizeieskorte heute die rechte Spur komplett befahren darf. Es ist überall „Grün für Fahrräder“, auch wenn die Ampeln auf Rot zeigen. Die Autos bleiben stehen und die Fahrer gedulden sich, bis die Radler vorbeiziehen.

Seine Pfeife behält er an einer Schnur am Hals, denn man weiß nie, wann er ein Warnsignal abgeben muss. Daniel Dobre (17), Schüler des C.D.Loga-Lyzeums in Temeswar, muss dafür sorgen, dass die Radfahrer schön in der Kolonne bleiben und die mittlere Straßenmarkierung nicht überschreiten. Seit einem Jahr engagiert sich der junge Mann für „Grün für Fahrräder“. Er wirbt aus Überzeugung für die Nutzung des Velos als Fortbewegungsmittel, das er selbst in seiner Freizeit nutzt. Es sei nicht nur entspannend, Rad zu fahren, sondern auch billig und effektiv, denn mit dem Rad könne man viel schneller das gewünschte Ziel erreichen, so Daniel Dobre. Was die Probleme der Radfahrer betrifft, so seien mehr und qualitativ bessere Fahrradwege in Temeswar notwendig. „Auto- und Radfahrer müssten einen Kompromiss schließen und mehr Rücksicht aufeinander nehmen“, kommentiert Daniel Dobre das Verhalten beider Parteien im Verkehr. Der junge Mann fände Verkehrsunterricht in der Schule sinnvoll.

Ziemlich langsam bewegt sich die breite Velo-Schlange durch die Straßen von Temeswar. Gerade durch die engen Straßen in der Innenstadt haben es die Radfahrer schwer, voranzukommen. Schließlich erreichen sie das Ziel – den Platz vor der Staatsoper, wo die Veranstalter ihre ersten Statements zur Frühlingsradeltour abgeben. „Es ist die größte Anzahl an Radfahrern, die je bei einem von uns veranstalteten Event verzeichnet wurde. Das beweist, dass unsere Arbeit nicht umsonst war“, sagt Romina Faur, die das „Grün für Fahrräder“-Projekt koordiniert.

Rumänientraum eines Schweizers

Auf dem Balkon der Staatsoper stehen mehrere Fotografen, darunter auch der 16-jährige Lenau-Schüler Christoph Bucher. Die Radeltour hat Christoph mitgemacht, ist jedoch stets den anderen vorausgefahren, um sie zu fotografieren. Nun schaut sich Christoph Bucher die Szene von oben an. Seit zwei Jahren, seit dem auch seine Schulkollegen dabei sind, engagiert sich der Schüler als Freiwilliger für „Grün für Fahrräder“. Auch er muss dafür sorgen, dass die Radfahrer bei den organisierten Touren in der Kolonne bleiben, er schießt aber nebenbei auch Fotos. Bei „Grün für Fahrräder“ konnte er zwei seiner Leidenschaften miteinander verbinden: das Radfahren und das Fotografieren.

Als Radfahrer würde sich Christoph bessere Radwege für Temeswar wünschen. „Es stehen Bäume oder Maste mitten auf dem Radweg. Oder die Piste endet plötzlich, an einer Haltestelle des Nahverkehrs oder vor einem Zeitungskiosk“, klagt Christoph Bucher. Der gebürtige Schweizer konnte in dem Alpenland beobachten, wie viel Bedeutung dem Radfahren dort beigemessen wird. „Es gibt so viele Radwege wie auch Fahrspuren für Autos. In den Dörfern gibt es Radwege entlang der Hauptstraße, und macherorts sogar Pisten, die zwei Dörfer miteinander verbinden“, schwärmt Christoph, der sich so etwas auch für Temeswar und für ganz Rumänien wünschen würde.

Bis dahin gibt es allerdings noch einen langen Weg. Das wissen Förderer und Freiwillige der Kampagne „Grün für Fahrräder“. Entmutigt sind sie jedoch noch lange nicht. Dass das Velo als Verkehrsmittel für eine umweltfreundliche Zukunft unentbehrlich ist, das erkennen langsam immer mehr Menschen in Temeswar.  Die Kampagne „Grün für Fahrräder“ schaffte es nämlich, von einigen Hundert bekennenden Radfahrern vor fünf Jahren die Rekordzahl von 3.000 Teilnehmern beim diesjährigen Frühlingsradeln zu erreichen. Ein klares Zeichen dafür, dass Bedingungen geschaffen werden müssen, damit die zahlreichen Radler sicher, gemütlich und umweltschonend durch die Straßen von Temeswar fahren können.