„Rechte“ für Ungerechte

Die (populistische, aber als Erfüllung eines Wahlversprechens getroffene) Entscheidung des Parlaments von Februar 2021, die Sonderrenten der Parlamentarier zu streichen, die diese sich, in souveräner Missachtung einer elementaren Anständigkeit, vor ein paar Jahren zugeschanzt haben, wird eine Sturzflut von gerichtlichen Nachspielen haben: Die Betroffenen, die zwischen (versteuerbaren) 4000 bis 12.000 Lei monatlich (um genau zu sein: 2131 als Minimum für ein „unvollständiges“ und 14.930 Lei als Maximum für drei „komplette Mandate“) „verloren“ haben (für welche sie aber keinen Bani in die Rentenversicherungskasse eingezahlt hatten), gehen landesweit vor Gericht und verklagen das Parlament (das im Februar mit 357 Ja-Stimmen und 30 Stimmenthaltungen – denjenigen der Parlamentarier des Ungarnverbands UDMR – für die Streichung der parlamentarischen Sonderrenten stimmten).

In der Vorgeschichte dieses Gangs vor den Kadi hatten die „Geschädigten“ zuerst versucht, mittels des Ombudsmanns das Verfassungsgericht anzurufen, indem sie ihre „Diskriminierung vor dem Gesetz“ reklamierten – als ob sie selber beim Abstimmen für ihre Privilegierung – lies: Fürs Schaufeln in die eigene Tasche von unverdient erzielten finanziellen Privilegien, einfach so, weil sie es als Legislative konnten – nicht ein ganzes Volk diskriminiert hätten (das die unverdienten Parlamentarierrenten erst mal finanzieren muss...). 

Da Ombudsfrau Renate Weber diesmal (recht außergewöhnlich für ihre sonstigen offen parteiischen Vorgehensweisen...) nicht reagierte, sind in den letzten zwei Wochen vor den orthodoxen Ostern landesweit den Arbeitsgerichten mehrere hundert Klagen von Parlaments-Rentnern eingereicht worden, die alle dasselbe fordern (eine landesweite Koordinierung des Vorgehens ist nicht auszuschließen, die Ähnlichkeiten sind zu groß...): Die „Geschädigten“ wollen ihre „Rechte“ zurück. 

Bis zu den orthodoxen Ostern am vergangenen Wochenende sollen rund die Hälfte der 827 in Rente befindlichen ehemaligen Senatoren und Abgeordneten sich an die Arbeitsgerichte gewandt haben, die zuständig sind für solcherlei Rechtsstreitigkeiten. Im Dezember 2020 kassierten sie rund eine Million Euro (genau 4.748.547 Lei) monatlich in Form ihrer Sonderrente.

Unter „Sonderrenten“ versteht man in Rumänien jedwede Rente, für die der Nutznießer nie einen Beitrag zur Rentenversicherungskasse geleistet hat; insgesamt machten die Sonderrenten 2020 im Jahreshaushalt Rumäniens fast zehn Milliarden Euro aus, wobei das Hauptgewicht, gut 90 Prozent der Gesamtsumme, mit rund 150.000 Nutznießern auf die Militärs, Polizisten und Rentner der Sicherheitsdienste entfällt – die zudem mit 45 (oder nach 20 Dienstjahren) schon in Rente gehen können. Durchschnittlich kassierten die 827 Ex-Senatoren und -Abgeordneten monatlich netto 5741 Lei als Sonderrenten, ist bei economica.net zu erfahren.

Die sechs Parlamentsrentner des Banater Berglands, die vor zehn Tagen das Arbeitsgericht in Reschitza angerufen haben, sind: Mihai Radan, Ex-Abgeordneter der Union der Kroaten (drei Mandate, das letzte wegen Problemen mit der Integritätsbehörde um vier Monate verkürzt), der als Einzelkläger auftritt, sowie der Ex-Abgeordnete und Ex-Senator Gheorghe P. Bălan, die Abgeordneten Gheorghe Hogea, Ioan Benga, Ion Simeon Purec sowie Ex-Senator Aurel Duru], die als Fünfergruppe klagen. 

Interessant die Statistik der „Parlamentsaktivitäten“ dieser sechs. Radan hat in zwölf Parlamentsjahren 17 Mal das Wort ergriffen, 32 Gesetzesvorlagen mitunterzeichnet (14 wurden Gesetze), stellte drei Fragen und hatte eine Interpellation. Auch die anderen fünf Ex-Volksvertreter haben – urteilt man nach den öffentlich einsehbaren Parlamentsstatistiken – ihre Mandate im Gesundheitsschlaf durchgebracht und haben kaum etwas bewegt – bis auf das Stimmen für ihre Sonderrenten...