Sachverständige in rumänischen (Gerichts-)Verfahren: Fluch und Segen zugleich

Aus komplexen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmen entstehen oft Streitigkeiten, deren Lösung die Klärung von Fragen voraussetzt, die weit über das Kenntnis- oder Verständnisniveau eines oder mehrerer Richter hinausgehen.

Ein klassisches Beispiel sind Streitigkeiten im Bereich des Baurechts, die Planung, Bauausführung usw. betreffen. Dies gilt ebenso (jedoch nicht nur) für Anfechtungen gegen Steuerverwaltungsakte, insbesondere wenn grenzüberschreitende Aspekte bzw. Doppelbesteuerungsabkommen im Raum stehen, sowie für Fragen mit finanziellem Charakter (z. B. Unternehmenswerte).

Damit sich Richter hierüber eine Meinung bilden und letztendlich ein Urteil fällen können, lassen Art. 330 bis Art. 340 der rumänischen Zivilprozessordnung die Bestellung eines oder mehrerer gerichtlichen Sachverständigen zu.

Tätigkeit der Sachverständigen

Die Tätigkeit gerichtlicher und außergerichtlicher Sachverständiger ist durch die Regierungsverordnung 2/2000 geregelt. Gerichtssachverständige dürfen von Gerichten, Strafverfolgungsorganen und Behörden mit gerichtlichen Befugnissen (organe cu atribuţii jurisdicţionale) im Rahmen laufender Verfahren mit der gutachterlichen Prüfung von Sachverhalten beauftragt werden. Hingegen dürfen außergerichtliche Sachverständige die o. g. Tätigkeiten alleine auf Antrag von Personen außerhalb von Verfahren durchführen. Außergerichtliche Gutachten dürfen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens als Beweismittel vorgelegt werden, ihre Beweiskraft entspricht jedoch nicht derjenigen eines gerichtlichen Gutachtens.

Rumänische Gerichtssachverständige werden in eine Tabelle eingetragen, die auf Ebene jedes Kreises für jede Spezialisierung von den Landgerichten (rum. tribunal) geführt wird.

Wichtige verfahrensrechtliche Regelungen

Die Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen erfolgt durch das befugte Organ (Gericht, Strafverfolgungsorgan etc.) auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen. Bei Erforderlichkeit kann ein Labor bzw. ein Institut mit den Prüfungen und der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden. In hochspezialisierten Bereichen, für die keine Sachverständige existieren, kann das befugte Organ die Stellungnahme einer berühmten Persönlichkeit bzw. eines anerkannten Spezialisten einholen.

Die Verfahrensparteien haben dabei das Recht, die Teilnahme eines sog. Partei-Sachverständigen (expert-parte) an den Prüfungen und der Erstellung des Gutachtens zu beantragen. Partei-Sachverständige müssen ebenso als Gerichtssachverständige autorisiert sein, vertreten jedoch die Interessen ihres Auftraggebers. Sie sind befugt, dem neutralen Gerichtssachverständigen Informationen zur Verfügung zu stellen, Fragen und Anmerkungen zu formulieren und, wenn nötig, ein separates Gutachten zu erstellen.
Die Bestellung des gerichtlichen Sachverständigen erfolgt durch Richterbeschluss oder Anordnung des Staatsanwalts und muss den Gegenstand der Begutachtung, die zu beantwortenden Fragen sowie das vorläufige Honorar des Sachverständigen enthalten. Das Honorar des Partei-Sachverständigen wird vertraglich vereinbart.

Begutachtung

Laut den rumänischen Verfahrensregeln muss der durch das befugte Organ bestellte Sachverständige die Parteien sowie die von diesen bestellten Partei-Sachverständigen schriftlich zum Termin für die Prüfungen laden. Die Parteien sind verpflichtet, dem Sachverständigen sämtliche relevanten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Widersetzt sich eine Partei der Begutachtung oder behindert sie diese in einer anderen Weise, kann das Gericht bei der Beweiswürdigung die Aussagen der Gegenpartei bzgl. der Fakten, die zu begutachten sind, als nachgewiesen betrachten.

Verzögerungen

Erfahrungsgemäß stellt der Einsatz von Sachverständigen einen der wichtigsten Gründe für die Verzögerung von Gerichtsverfahren in Rumänien dar. Häufig erfolgt die Begutachtung nicht in dem festgesetzten Zeitraum, was zu Verfahrensverlängerungen um mehr als ein Jahr führen kann. Zur Vermeidung steht den befugten Organen leider nur die Möglichkeit, dem Sachverständigen Geldbußen zu verhängen, zu – was in der Praxis jedoch sehr zurückhaltend geschieht, zumal eine objektive Einschätzung des erforderlichen Zeitaufwands kaum möglich ist. Auch sind die Parteien oft nicht bereit, sich den Sachverständigen infolge der Beantragung von Sanktionen zum Feind zu machen.

Zudem kommt es oft zu Streitigkeiten; nicht selten bereits i.V.m. der anfänglichen Fragestellung an den Sachverständigen und natürlich regelmäßig i.V.m. dem Ergebnis, das anfechtbar ist.

Fazit

Die Tätigkeit der Sachverständigen ist für (Gerichts-)Verfahren oft wesentlich. Die Parteien müssen sich jedoch bewusst sein, dass dies die Verfahrensdauer erheblich verlängert. Maßnahmen zur Reduzierung dieser Dauer sind in der Praxis wegen der subjektiven Faktoren schwer durchzusetzen.


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