Samuel von Brukenthal (1721-1803) – ein früher Europäer

Musik und Gedanken zur Ausstellung / Von

Samuel von Brukenthal im Ornat des St.-Stephans-Ordens. Portrait von Georg Weikert

Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens, hielt anlässlich der Ausstellungseröffnung am 15. Juni einen Vortrag über Brukenthal, aus dem im Beitrag zitiert wird. | Foto: privat

Joseph Haydn. Gemälde von Ludwig Guttenbrunn, um 1770

Gerade steige ich gedanklich die Treppe herauf in die Oberstadt, komme an der Lügenbrücke am Kleinen Ring, heraus. Rechts steht die gewaltige Stadtpfarrkirche der Protestanten und vor mir der Ratturm. Man kann ihn besteigen und hat eine einmalige Sicht auf die Dächer der Altstadt und die Karpaten. Durch das Tor komme ich auf den Großen Ring, sehe am Ende das Rathausgebäude aus dem 20. Jahrhundert und gegenüber das berühmte Palais Brukenthal, das Haus des Baron von Brukenthal, der Reichsfreiherr wurde und Gouverneur von Siebenbürgen am Hofe Maria Theresias.  

Im feinsten Barock wurde das Palais gebaut und ausgestattet. Brukenthal lebte im 18. Jahrhundert, wurde in Leschkirch/Nocric im Harbachtal, 30 km östlich von Hermannstadt, 1721 geboren, protestantisch getauft und starb 1803 in Hermannstadt. Wohlhabend wird Brukenthal in der Zeit seines Tuns am Wiener Hof, ein großer Sammler wird er, seine Kunstsammlung, seine überdimensionale Bibliothek, die sehr beachtliche Münzsammlung und andere Sammlungen sind noch heute in dem Palais, das als Museum hergerichtet wurde, zu sehen. Nun biege ich um die Gassenecke zum Haus zu den Steinernen Jungfrauen. Man verzeihe mir den Umweg, den ich bewusst täglich so gehe.

Das Palais Brukenthal am Großen Ring ist ein Juwel in der Hermannstädter Geschichte. Das Brukenthal-Gymnasium gegen-über der Stadtkirche wird jahraus, jahrein von Bischof Teutsch vom Podest herab begrüßt. So befinde ich mich mental mitten in Hermannstadt, in der Stadt, in der ich mich gut fühle, in der ich gerne zu Hause bin. 

Bereits der Vater von Samuel von Brukenthal bekommt den Adelstitel: Aus Breckner wird von Brukenthal, Großvater und Vater waren Bürgermeister. Jura studiert Samuel in Halle an der Saale, in verschiedene Freimaurerlogen wird er aufgenommen. Halle ist seinerzeit ein führendes Zentrum der Aufklärung. 

Wir hörten ein erstes Stück dieses Muskigenres von Naumann, es folgte die feierliche Johannisloge von Mozart. Wunderbare Musik durchzieht den gesamten Vortrag von Thomas Șindilariu. Das Collegium Musicum Brukenthal aus Hermannstadt mit den Musikerinnen und Musikern Elisa Gunesch, Iuliana Cotirlea, Gabriel Silisteanu, Brita Falch Leutert und Jürg Leutert begleiten uns mit ihrer Musik per Video auf den Spuren des frühen Europäers.

Seine Studien beendet Samuel von Brukenthal ohne Abschluss, kommt zurück nach Siebenbürgen und heiratet die Hermannstädterin Sophie Katharina von Klockner. Das einzige Kind des Paares, Elisabeth, stirbt mit vier Jahren. Verschiedene Ämter werden Brukenthal übertragen, geringere und höhere, Kaiserin Maria Theresia ernennt ihn 1762 zum Provinzialkanzler, zur gleichen Zeit wird er zum Reichsfreiherrn ernannt und 1777 zum Gubernator/Gouverneur von Siebenbürgen mit dem Sitz in Hermannstadt. 

Sein prunkvolles Palais am Großen Ring erbaut er in diesen Jahren für große Empfänge und seine umfangreiche Kunstsammlung in den Jahren 1777-1787. Seine Sommerresidenz in Freck, 20 km südlich von Hermannstadt, hat den einzigen Barockpark Rumäniens. Als Siebenbürgisches Eden wird es auch bezeichnet. Seine Heirat mit der Tochter vom Bürgermeister Daniel von Klockner beschert ihm ebenfalls Wohlstand.

Die Kunstsammlung zeigt die Sammlerleidenschaft von Brukenthal und den guten Geschmack des Sammlers. Einzigartig für Siebenbürgen ist diese Sammlung, für die Brukenthal, wie Thomas Șindilariu betont, ein Vermögen ausgegeben hat.

Meine Gedanken sind mit Brukenthal und Thomas Șindilariu herumgeeilt und so komme ich erst jetzt, ein wenig verspätet, aus Hermannstadt in der Rumänischen Botschaft in Berlin-Mitte an. 

Der große Saal ist zu einem historischen geworden. Große aufgestellte Plakatwände zeigen Bilder von damals und Texte zum Leben Samuel von Brukenthals, dem frühen Europäer, anlässlich seines 300. Geburtstages. Thomas Șindilariu erkenne ich trotz Maske inmitten der Gäste, die ihn belagern und begrüßen. Lange habe ich ihn nicht gesehen, vor Jahren im Kirchenarchiv in Kronstadt. Inzwischen ist er Unterstaatssekretär im Departement für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens in Bukarest. Thomas Șindilariu ist nach Berlin gekommen, um über den besagten frühen Europäer zu erzählen. Eingeladen hat das Deutsche KULTURFORUM östliches Europa in Potsdam gemeinsam mit der Botschaft Rumäniens in Berlin. Die Botschafterin von Rumänien in Berlin, I.E. Adriana-Loreta Stanescu, und Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa, empfangen die Gäste mit freundlichen kurzen Worten.

Thomas Șindilariu nimmt uns Gäste mit in die Karpatenlandschaft, nimmt uns mit nach Leschkirch und Hermannstadt, nach Halle an der Saale und Wien. Mit Spannung und Interesse gehen wir mit dem Historiker auf den Spuren des wichtigen Mannes, der für Siebenbürgen Erneuerungen und Modernität erstritt. Die Steuerreform war seine bedeutendste. Kaiserin Maria Theresia ließ ihn, den Protestanten aus einer kargen Gegend, gewähren und zu Amt und Würden kommen. 

Den Sound der Zeit traf damals wohl am besten Joseph Haydn, erzählt Thomas Șindilariu. Das Collegium Musicum Brukenthal spielt uns am Abend einige Stücke. In Hermannstadt werden die Musikstücke unter der Leitung des Musikerehepaars Brita Falch Leutert und Jürg Leutert zuvor aufgenommen und uns Zuhörern in Berlin auf der Leinwand vorgespielt. 1732 wird Joseph Haydn im Burgenland geboren, später ist er Hofmusiker bei der ungarischen Familie Esterhazy, stirbt 1809 in Wien. Das siebenbürgische Wiegenlied, das Spinnlied aus Henndorf und das Hochzeitslied aus Wurmloch passen in die siebenbürgische Geschichte, ebenso der Sterbechoral – wer den lieben Gott lässt walten von Carl Philipp Emanuel Bach. Die gesamten Musikstücke sind hervorragend und feinfühlig in die spannend zu hörenden Texte eingefügt und haben in der Gesamtheit eine wunderbare Fügung. Haydn bekommt das letzte Wort an diesem Abend mit „die Himmel erzählen“. 


Zitate: Thomas Șindilariu

Das Wiegenlied in sächsischer Mundart, das im Harbachtal recht verbreitet war, hat Samuel von Brukenthals Mutter, Susanna, gewiss oft angestimmt. Sie war die Tochter des Mediascher Bürgermeisters und Gubernialrates Samuel Conrad von Heydendorf.

Brukenthals Lebensweg ist die exemplarische Demonstration des ungeheuren Potentials, das von einem großflächigen europäischen Rahmen geboten wird, sofern Frieden herrscht und man persönlichen Fleiß und Arbeitskraft mitbringt, um die Bildungsmöglichkeiten zu nutzen und sie danach in Regierungshandeln umzusetzen. Diesen Aspekt müssen heute auch die Fähigsten der nachrückenden Generationen verstehen und sich zu eigen machen, damit unsere europäische Option erneut dieselben starken Wurzeln von einst entfalten kann! Wenn möglich auch stärkere!

Ab 1774 leitete Brukenthal das Gubernium, die höchste Zivilbehörde Siebenbürgens, in der Zeitspanne 1777-1787 auch förmlich als Gubernator. Es gelang ihm, die Verwaltung Siebenbürgens durch Beharrlichkeit in den Zustand reibungslosen Funktionierens zu verwandeln. Das hat Seltenheitswert, damals, aber auch heute!
 
„Die Breckners wurden 1724 als „von Brukenthal“ nobilitiert. Diesen Schritt strebten die meisten Sachsen an, die der Führungsschicht zuzurechnen waren. Worum es bei der Nobilitierung ging, war Sozialprestige, um überhaupt in einem damals vom Adel geprägten Europa wahrgenommen zu werden, um die Anliegen der eigenen Gruppe überhaupt vertreten zu können. Brukenthal war also alles andre als ein Aristokrat, wie jüngst immer wieder zu lesen war. Der alte Hochadel blickte auf ihn oft mit Geringschätzung/Verachtung, sie sahen in ihm einen Emporkömmling/homo novus.

Das Herrschaftsverständnis Josephs II. (1780-1790) unterschied sich in wesentlichen Punkten von dem seiner Mutter, Maria Theresia. Mit ihrer Unterstützung hatte es Brukenthal geschafft, ohne Brüche die Verwaltungsstrukturen herbeizuführen, diese zu modernisieren. Joseph II. versuchte hingegen auf breiter Front und in rascher Folge, ja Hast, einheitliche Regeln für die gesamte Monarchie einzuführen, und hörte nicht auf die zahlreichen Warnungen, wie sie auch Brukenthal äußerte. Seine Flut von Verordnungen hatte die Überforderung der bestehenden Strukturen und Verwaltungschaos zur Folge, so dass der Kaiser auf seinem Totenbett 1790 fast alle Reformen zurücknehmen musste... Aufgrund dieser Umstände ist leicht erkennbar, wieso das politische Gewicht Brukenthals seit dem Regierungsantritt Josephs II. kontinuierlich gesunken war.