„Schmetterlinge sind frei“ egal ob mit oder ohne Behinderung

Erste Inszenierung für und über Menschen mit Beeinträchtigungen

Jenseits der Bühne sitzt Angela Mate und gibt das Gesprochene für Gehörlose in Gebärdensprache wieder. Foto: Cristian Tzecu

Temeswar - Für Menschen mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen gibt es erstmalig in Temeswar/Timi{oara ein Theaterstück, das für sie zugänglich gemacht wurde. „Schmetterlinge sind frei“ (Originaltitel: Butterflies Are Free) von Leonard Gershe ist eine Komödie mit leicht erziehendem Hintergrund. Sie handelt von einem jungen blinden Mann, der in eine eigene Wohnung zieht, um selbstständiger und in Freiheit zu leben, denn er versucht, einer übersorgsamen Helikoptermutter zu entkommen. Im krassen Kontrast dazu steht die Gleichgültigkeit der Gesellschaft für diese Menschengruppe und ihre Inklusionsbedürfnisse. Diese Bühnenaufführung hat das Basca-Theater in Temeswar für blinde, sehbehinderte und gehörlose Menschen zum echten Theatererlebnis gemacht. Bei der Premiere gab es die „Übersetzung“ in Gebärdensprache mittels Angela Mate, die auch für das Temeswarer Fernsehen und das Bürgermeisteramt dolmetscht, live. Außerdem wurde über einen speziellen Radiokanal die Handlung beschrieben, sodass Personen, die sie nicht sehen, besser verstehen konnten, was vor sich geht.

Die Arbeit dahinter ist umfangreicher als man denkt und von mehreren Hürden geprägt, erklärt Mitinitiatorin des Projekts Simona Smultea, die Co-Vorsitzende des Vereins Ceva De Spus ist: „Ich habe bei zahlreichen Proben dabei gesessen, habe viel mit den Schauspielern gesprochen und erklärt, dass sie an bestimmten Stellen beispielsweise ihren Sprechrhythmus etwas bremsen müssen, damit der ’Erzähler‘ Zeit hat zu schildern, was sich auf der Bühne zuträgt, welche Geste lustig rüber kommt usw. Außerdem stand ich dem Hauptdarsteller, Simion Caragia, beratend zur Seite, um ihm zu zeigen, wie sich Personen, die nicht sehen, bewegen, welche Gesten sie machen und dass sie zum Beispiel beim Sprechen gar nicht gestikulieren, weil sie das, besonders wenn sie von Geburt an blind sind, nie gesehen haben und die Handbewegungen für sie keine Relevanz haben. Und dann habe ich über zwei Tage mit dem Schauspielstudenten Otniel Floruț das Skript durchgenommen und anhand von Filmaufnahmen aus den Proben beschlossen, wo welche Beschreibungen und Hinweise hineinpassen und unbedingt notwendig sind. Schließlich müssen wir ja den Leuten nicht alle Details erklären, sie sollen doch die Freiheit haben, sich das Stück selbst vorzustellen.“ Simona Smultea ist sehbeeinträchtigt und wünscht sich schon seit Jahren ein Theaterstück zu besuchen, bei dem sie die Handlung und Interpretation so umfassend wie möglich verstehen kann, ohne dabei auf eine Begleitperson angewiesen zu sein, die ihr die Handlung ins Ohr flüstert. „Wir (Anm. d. Red. Sehbehinderte) hören sehr viele Hörspiele, möchten aber auch umfassend an den Aufführungen im Theatersaal teilhaben. Dafür brauchen wir dann jemanden, der uns erklärt, was sich auf der Bühne zuträgt und nicht aus den Dialogen zu schließen ist. Es kam schon so oft vor, dass bei Theatervorstellungen die Leute um mich auf einmal lachten, und ich konnte nicht verstehen warum. Sitzt jemand neben Dir und flüstert, was geschieht, stört es die anderen Zuschauer. Meistens räuspern die sich dann oder bewegen sich nervös. Die ideale Lösung wären also Kopfhörer, über die zwischen den Dialogen oder Monologen die Audiodeskription gesprochen wird“. Bei der Adaptation für Sehbehinderte macht man nun den nächsten Schritt, damit für Personen, die noch etwas sehen können, die Audiodeskription direkt auf dem Video zu hören ist. Außerdem gibt es ab Sonntag, dem 28. Februar, die Hörspielvariante des Stücks auf der Facebookseite des Basca-Theaters zu hören. Die Aufnahmen dafür wurden diese Woche gemacht.

Weil es für die Gebärdensprachdolmetscher anstrengend ist, ein Theaterstück von 1 Stunde 40 Minuten zu übersetzen, ist man nun darauf bedacht, die Temeswarer Inszenierung samt Gebärdensprache aufzuzeichnen und so als Video online zur Verfügung zu stellen. Grund dafür ist auch, dass wegen der Coronaschutzmaßnahmen in Temeswar nach wie vor kein Publikum in die Aufführungssäle darf.

Die Regie des Stücks zeichnet Ana Maria Ursu. Es spielen Simion Caragia, Jasmina Mitrici, Alina Ilea und Ioan Codrea. Das Team um Projektleiterin Ana Maria Ursu hatte sich die umfassende kulturelle Teilhabe gehörloser, blinder und sehbehinderter Menschen mit dieser Inszenierung vorgenommen. Das Stück ist Teil des Projekts „Theater für alle“ (Teatru accesibil tuturor) der Vereine Solidart und Ceva de Spus, das mit finanzieller Unterstützung einer deutschen Supermarktkette durch die Temeswarer Stiftung für zivilgesellschaftliche Entwicklung läuft.
Der Verein Ceva de Spus empfiehlt das Theaterstück „Schmetterlinge sind frei“ sowohl Personen mit Behinderungen als auch deren Eltern, zumal mal viel daraus lernen kann und es verschiedenste Botschaften für jeden Beteiligten gibt, egal wie vertraut das Thema einem ist. Inhaltlich hebt das Stück hervor, dass Menschen mit Behinderungen eher anhand ihrer Fähigkeiten und nicht ihrer Einschränkungen behandelt und gesehen werden sollten. „Wir haben auch Gefühle, Träume, Wünsche, Erfolge und Niederlagen, wie jeder andere Mensch auch und brauchen genau wie die anderen Liebe und Freiheit, um neue Erfahrungen machen zu können, um zu erforschen oder um Spaß zu haben“, plädiert Simona Smultea. „Eltern sollten ihren Kindern Flügel geben, um so selbstständig wie möglich leben zu dürfen“, schließt Hauptdarstellerin Alina Ilea vom Rumänischen Staatstheater Temeswar.