Schmuck für die Seele

Ein Streifzug durch die Welt des erzählenden Körperdekors

In ihrer Kollektion „Coffee Dreams“ verwendet Laura Buzia verbrauchte Nespresso-Kapseln, die mit anderen recycelten Materialien verziert sind.
Foto: dautor.ro

In der „Incipit“-Kollektion von Cleopatra Co{ule] entdeckt man Harzschmuck, der mit schwarzer Farbe beschichtet ist.
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Die Stücke aus der Kollektion „My World“ von Alona Levder aus der Ukraine folgen der Form von Korallen und haben natürliche Perlen auf ihrer Oberfläche.
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Vintage-Dosen mit versteckten Collagen im Inneren als Statement-Halsketten bilden Victoria Kings Schmuckkollektion „London Lockets“.
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Die Kollektion „Marble Dreams“ von Irina Amza umfasst marmorhänliche Porzellanringe, Ohrringe und Colliers.
Foto: die Verfasserin

Das Schmuckstudio The Light Factory aus Athen präsentiert Schmuckstücke, die von gebackenem Gemüse in dem lokalen Gericht Briam inspiriert sind.
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In der Welt des Schmucks, in der der Konsum im Mittelpunkt steht, entscheiden sich viele zeitgenössische Künstler für unkonventionelle Modelle, die jedoch eine Geschichte erzählen. Solche findet man auf der 2009 gegründeten Online-Plattform Autor - ein Raum, in dem das Funktionale und das Konzeptionelle verschmelzen und der eine neue Art, Schmuck zu verstehen und zu tragen, entstehen lässt. Die hierzu am 28. und 29. Mai stattgefundene Messe in Bukarest erlaubte kreativen Schmuckherstellern, ihre Schöpfungen auch live zu präsentieren.

Irina Amza von der 2020 in Șotrile,  Prahova, gegründeten Werkstatt „Îngeri si Zmei“ präsentiert die Kollektion „Marble Dreams“, die marmorähnliche Porzellanringe, Ohrringe und Colliers umfasst. „Inspiriert wurde ich von der Veränderung des Aggregatzustandes von Kalkstein in Marmor unter sehr hohem Druck und hoher Temperatur. Porzellan, das Material, mit dem ich normalerweise arbeite, hat eine ähnliche Geschichte, seine Transformation wird mit viel Hitze vollzogen“. Während die unterschiedlichen Farben des Marmors auf Verunreinigungen zurückzuführen sind - Rot durch Eisensalze, Manganbraun, Graphitgrau usw. - wird bei Porzellan das marmorierte Aussehen durch Einfärben mit Pigmenten erzielt. Irina Amza, die von 2016 bis 2020 als Innenarchitektin bei Ikea Rumänien arbeitete, hat in der Vergangenheit ungewöhnliche und dekorative Objekte hergestellt. Erst in letzter Zeit konzentriert sie sich auf Schmuck. Die Schmuckstücke sind zwar recht groß, aber leicht zu tragen und langlebig. „Das Porzellan ist zerbrechlich, hat aber eine Härte von 7 auf einer Skala von 1 bis 10. Sie wurden zweimal gebrannt und bei 1250 Grad verglast“.

Victoria King aus London stellte ihre neueste Schmuckkollektion „London Lockets“ aus: Vintage-Dosen mit versteckten Collagen im Inneren als Statement-Halsketten. Victoria, Absolventin der Cass Business School mit Bachelor in Silberschmiede- und Metallarbeiten bringt moderne Techniken ins Spiel – sie fertigt Bilder von Berglandschaften mit Ruinen und deplatzierten prähistorischen Kreaturen digital an und druckt sie in Aluminiumdosen. „Die Zeichnungen schaffen eine alternative Realität zu den kommerziellen Gegenständen, die einst darin enthalten waren“. Die Medaillons wurden aus Dosen hergestellt, die sie auf Märkten und in Trödelläden in ganz London gefunden hat.  

Cleopatra Co{ule] stellt in ihrer Kollektion „Incipit“ Harzschmuck aus. Die schwarze Schicht, die sie bedeckt, verleiht ihnen eine geheimnisvolle Aura. Cleopatras Interesse an der Herstellung von Schmuck begann mit einer unerwarteten Erfahrung. Als ihrer Tochter ihre Lieblingshalskette zerbrach, versuchte Cleopatra, eine neue, haltbarere herzustellen. „Ich entdeckte die Leidenschaft des Schmuckschaffens und entschied mich für Kurse in Metallverarbeitung“. Ihre Aufmerksamkeit wandte sie bald unkonventionellen Materialien wie Harz zu. Da die Künstlerin keine Formen verwendet, ist jedes geschaffene Schmuckstück ein Unikat.

Die Kollektion „My World“ von Alona Levder aus Lwiw, Ukraine, ist von der Meereswelt inspiriert. Ihre Stücke folgen der Form von Korallen und haben natürliche Perlen auf ihrer Oberfläche. Durch ihre Kollektion möchte sie das Bewusstsein für Umweltschutz schärfen, denn Natur kann so viel positive Energie ausstrahlen. Daneben stellte sie auch die Kollektion „The Language of War“ vor, die ein Manifest über den russischen Einmarsch in die Ukraine darstellt. Ihre Leidenschaft für Schmuck entdeckte Alona Levder an der Kunstakademie in Lwiw, wo sie von 1999 bis 2005 studierte.  

In ihrer Kollektion „Coffee Dreams“ verwendet Laura Buzia Nespresso-Kapseln, die mit anderen recycelten Materialien wie Metall, Glas, Keramikperlen, Kupfer, Messingdrähten, Vintage-Uhrwerkstücken und Ketten verziert sind. Die in Kronstadt/Bra{ov geborene Künstlerin, die jetzt in New York lebt, ist der Meinung, dass Kleidung und Schmuck nicht auf Mülldeponien landen sollten. „Eine Freundin von mir wollte die verbrauchten Kaffeekapseln wegwerfen. Ich habe sie dazu gebracht, welche für mich aufzuheben und habe angefangen, damit herumzuspielen“. Die Kapseln wurden mit einem Hammer gepresst und haben eine detaillierte Struktur. Die Schmuckstücke wiegen trotzdem sehr wenig. Laura denkt, dass das Tragen von handgefertigtem, nachhaltigem Schmuck eine „Erforschung von Wachstum und Erneuerung“ ist.

Auch Studios für Schmuckherstellung gibt es in der Gemeinschaft Autor: Die Künstlerin Niki Stylianou ist Coach bei The Light Factory, eine Privatinitiative in den Räumlichkeiten ihrer Werkstatt in Athen. „Zu mir kommen Menschen, die daran interessiert sind, ihre Kreativität zu finden und verschiedene Arten der Kunst auszuprobieren. Ich helfe ihnen, ihr Material zu finden, das sie inspiriert, wir arbeiten zusammen an der Erstellung einer Sammlung, stellen ein Portfolio zusammen“. Viele der während der Kurse entstandenen Arbeiten stellte Stylianou in der Galerie Uni.Versus in der griechischen Hauptstadt aus.

Einige Werke der Kursteilnehmer von The Light Factory erkunden die Schönheit gebackener Gemüsesorten, die im lokalen Gericht Briam verwendet werden. Aus Küchenpapier und Metall konstruierte Dora Haralambaki Stücke, die an Zwiebeln denken lassen. Elli Xippa kreierte Schmuck aus getrockneten Kartoffeln. Die Teile werden mit Mehl und Wasser verklebt. Mohn und Chiasamen wurden auf die Oberfläche aufgetragen, um Struktur zu erzeugen. Angeliki Madi kombinierte Holz und handgemachtes japanisches Papier in Stücken,  die Zucchinis oder Auberginen ähneln, für die Stickereien wurden bemalte Leinenfäden benutzt. Mit Brokkoli als Vorbild schuf Anastasia Gemeliari Keramikstücke und zeichnete sie von Hand. Auch Pfeffer diente als Modell - Aggelika Diplari ließ sich davon inspirieren und schuf Objekte aus Harz und handgezeichnetem Metall.

Der der aus Târgu Jiu stammende Multimedia-Künstler und Gründer der Plattform Autor, Dan Pier{inaru, legte den Fokus stets auf die Kreativität der Schmuckstücke. „Wir sind nicht für den edlen Schmuck, der an jeder Ecke zu sehen ist.“ Darauf stützt sich die Jury, wenn sie die Portfolios der Bewerber für die Aufnahme in die Autor-Community analysiert. Der von Autor beworbene Schmuck verkörpert die Vision eines Künstlers und die  Stücke sind einzigartig, auch weil sie mit ganz verschiedenen Techniken hergestellt werden. „Wir versuchen, aufzuklären und geduldig durchzusetzen, dass Schmuck eine Kunstform, ein kreatives Objekt sein kann, das in Beziehung zum menschlichen Körper steht. Viele im materialistischen Bereich werden fragen: Und - leben Sie davon? Hauptsache, man kann Kunst unterstützen, solange man sie versteht“, erklärt Pierșinaru.