„Schneeflöckchen tanze...“

Symbolfoto: sxc.hu

Das Warten hat ein Ende, auch hier in Rumänien. Das Land liegt nun komplett unter einer konsistenten Schneedecke. Im Süden des Landes misst die Schneedecke mehr als einen halben Meter. Bei Schneeverwehungen am äußeren Rand des Karpatenbogens, ist sie stellenweise auf über zwei Meter gewachsen.

Ich erinnere mich an den Wintereinbruch vor zwei Jahren. Es muss auch um diese Zeit gewesen sein. Abends fing es schon an zu schneien und als ich morgens erwachte, blickte ich aus dem Fenster und sah eine dünne Schneedecke im Nebel. Im Nebel, dachte ich sofort? Nein, das war kein Nebel, es war der berüchtigte „crivăţ“, ein starker Schneesturm, welcher aus dem Nordosten weht und bis hinunter zur Donauebene zieht. Sogar mein Vater, der in Bukarest seinen dreijährigen Militärdienst machte, erzählte uns davon.

In diesem besagten Winter kam man mit dem Schneeschaufeln kaum nach. Sobald ich den kurzen und engen Steg von der Eingangstür bis zum Gehweg frei hatte, und mich umdrehte, um schleunigst in das warme Haus zu kommen, lag schon wieder dieses nasse Weiß auf dem eben blankgeputzten Asphalt. „Ja dann soll’s eben liegen bleiben“, dachte ich und kapitulierte, das erste Mal in meinem Leben, vor den Schneemassen. Es schneite aber immer weiter, tagelang. Ortschaften wurden in den Schneemassen begraben und das Menschenleid nahm kein Ende. Erst Mitte März schmolzen die letzten Schneehäufchen, die vormals meterhohe Schneeberge waren. Damals sagte mir ein älterer Mann, solch ein lang anhaltender und strenger Winter hätte auch seine Vorteile. Er bezog sich auf die Grippeviren und das Ungeziefer, die keine Verbreitungschance hätten. Und so war es auch.

Nun scheinen sich die Verhältnisse zu wiederholen. Man hört erneut von geschlossenen Dörfern und von Menschen, die in letzter Minute gerettet wurden. In der Großstadt wird ununterbrochen darum gekämpft, der Schneemassen Herr zu werden, sei es mit Räumfahrzeugen, Baggern oder Schneeschaufeln. Viele fragen sich jedoch, „wohin damit?“. Die meisten Berufspendler haben ihr Fahrzeug stehen gelassen und sind auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen. Sie werden erst beim Einsetzen der Schneeschmelze ihr Fahrzeug wieder in Gang bringen. Die Einzigen, die sich freuen, sind die Kinder, die diese Tage „schneefrei“ hatten. Glücklich sind sie, wenn sie mit dem Schlitten zum nahe gelegenen Hang stampfen und „pârtie“-schreiend, die Rodelbahn hinuntersausen.

Bei der morgendlichen Fahrt durch Bukarest flogen mir einige kleine Flöckchen entgegen. Mir fiel das schöne Kinderlied „Schneeflöckchen tanze, tanze auf und nieder“ ein, welches wir im Kindergarten gelernt hatten, oder „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wie kommst du geschneit“. Alle Kinder gingen raus und bewunderten die Schneeflocken, die auf den gestrickten Handschuhen liegen blieben. Jeder wollte die schönste Schneeflocke unserer Inge-Tante zeigen. Auch heutzutage wollen die Kinder den Erwachsenen die schönen Schneeflocken zeigen, es sind aber selten die wahren Schneekristalle. Eher sind es ihre eigenen Kreationen aus Papier.

Das quadratische Blatt wird mehrmals gefaltet, mit der Schere gelöchert und am Rande nach eigener Fantasie zackig geschnitten. Wir jedenfalls durften erst in der Schule mit der Schere umgehen, da die Gefahr groß war, sich und andere zu verletzen. Vom Aussehen her kommen gebastelte Schneeflocken den echten nie in die Nähe, und strengt man sich auch noch so sehr an.
Wie wäre es, mal wieder eine zu bewundern und sich an der Vielfalt dieser zu erfreuen? Und falls das Schneetreiben zum besorgniserregenden Gestöber wird, sollte man sich an die schönste Schneeflocke erinnern, die viel zu schnell schmolz. Das Gleiche wird auch mit diesem Schnee geschehen.