Sebastian Kräuter – kam vor 100 Jahren zur Welt

Gedenkkonzert fand in der Piaristenkirche Temeswar statt

Bischof Sebastian Kräuter | Foto: Pressebüro der Diözese Temeswar

Ein Bild von Anfang der 1970er Jahre zeigt den damaligen Dechant Sebastian Kräuter mit seiner Mutter Katharina vor dem Pfarrhaus in Jahrmarkt. | Foto: HOG Jahrmarkt

„Jubiläen sind Denkpausen... und wir haben zu danken!“ Mit diesen Worten wandte sich 1996 Bischof Sebastian Kräuter an die Gemeinschaft der Priester und Gläubigen, die in den übervollen Dom zu Temeswar mit ihm sein 50. Priesterjubiläum zu feiern gekommen waren. Die Römisch-Katholische Diözese Temeswar veranstaltete am Montag, dem 19. Dezember, ein Gedenkkonzert für Bischof Sebastian Kräuter. Er wäre am 22. Dezember 100 Jahre alt geworden. Die Musiker Andreea Ciobotă (Sopran), Iustin Călin (Bariton), Augustin Vitan (Tenor), Antonio Leonard Agigheoleanu (Violine), Cristian Roșoagă (Orgel) und Denis Moldovan (Orgel) bestritten ein bewegendes Programm an kirchenmusikalischen Werken und Weihnachtsliedern aus Klassik, Romantik und Moderne. Zur Einführung sprach der Rektor der Piaristenkirche und Leiter des römisch-katholischen Gerhardinum-Gymnasiums Zoltán Kocsik auf Deutsch, Ungarisch und Rumänisch über die Bedeutung von Bischof Kräuter und wie er ihn auch persönlich erlebt hatte und übergab Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin das Wort, der genauer auf die Vita des Geehrten einging. Er hatte bereits in der Dezemberausgabe der Diözesanzeitschrift Vita Catholica Banatus folgenden Artikel über Sebastian Kräuter veröffentlicht:

Viele von denen, die die Zeiten vor 1989 erlebt haben, heute verschiedensten Alters sind und ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen gesammelt haben, besonders aber ihren christlichen Glauben in einer katholischen Kirche untrennbar von ihrer Identität gemacht haben, wissen, dass es viele Jahrzehnte lang in der kommunistischen Ära der Katholischen Kirche in Rumänien untersagt worden war, Diözesanbischöfe in den Bistümern rechtens einzusetzen. Nach dem Tod von Bischof Augustin Pacha, im Jahre 1954, und die Einkerkerung des im Geheimen geweihten Bischofs Dr. Adalbert Boros, hat die Temeswarer Diözese nur durch Ordinarii substituti geleitet werden können. Das waren damals Kleriker mit eingeschränkten kanonischen Rechten und Zuständigkeiten, die sowohl die geistlichen als auch die weltlichen Angelegenheiten des Temeswarer Bistums leiten mussten. Die Diözese selbst wurde einseitig von der rumänischen Staatsgewalt zu einem Dekanat, „protopopiat“, herabgestuft.

Ein solcher Ordinarius Substitutus war auch Sebastian Kräuter. Er trat im Jahr 1983 die Nachfolge von Monsignore Ferdinand Hauptmann an, der seinerzeit als Ordinarius noch von Bekenner-Bischof Augustin Pacha als sein Nachfolger nominiert gewesen war (zwischen 1954 und 1981 leitete die Diözese Msgr. Konrad Kernweisz, ebenfalls auf die von Bischof Pacha vorgegebene Nachfolge die Diözese). Im Unterschied zu Hauptmann und dank einer leichten Tauwetterzeit in den Beziehungen des rumänischen Staates zur Katholischen Kirche, bekam Pfarrer Sebastian Kräuter vom Heiligen Papst Johannes Paul II. den Auftrag, als Ordinarius Substitutus ad nutum Sanctae Sedis zu dienen, also auf Geheiß des Heiligen Stuhls sei ihm diese Leitungsaufgabe bis zum Widerruf übertragen.

Wer war jedoch Pfarrer Sebastian Kräuter? Und was machte ihn zu etwas Besonderem? Der spätere Pfarrer und Bischof Sebastian Kräuter kam am 22. Dezember im Banater Schwabendorf Nitzkydorf/ Nițchidorf (Kreis Temesch/Timiș), in einer Familie zur Welt, die mit vier Söhnen gesegnet worden war. Sein Vater Balthasar Kräuter war Handelsmann und verstarb früh, seine Mutter hieß Katharina, geborene Nasz. Die zwei ältesten Söhne der Familie nahmen ihre Berufung zum Priesterleben wahr: Franz und Sebastian, während die beiden anderen weltlichen Berufen nachgingen. Franz Kräuter war der letzte Bischofssekretär von Augustin Pacha, wurde später Pfarrer und Dechant aber auch ein hochgeschätzter Archivar und promovierter Historiker für die Diözese Temeswar. Sebastian Kräuter hat so wie seine Brüder die Hauptschule in ihrem Geburtsort besucht und später das deutsche, römisch-katholische Knabenlyzeum der „Banatia“ in Temeswar. Nach dem Baccalaureat, 1942, folgte das Studium der Philosophie und Theologie am Priesterseminar, das er 1946 erfolgreich beendete. Bischof Pacha erreichte durch die Nuntiatur, dass die Ordensleute und die Priester Januar 1945 nicht in die damalige Sowjetunion zur Wiederaufbauarbeit verschleppt wurden, was auch den Seminaristen Kräuter vor diesem Schicksal bewahrt hatte. Noch im gleichen Jahr empfing er die Priesterweihe am 2. Juni 1946 in seinem Heimatort durch Bischof Augustin Pacha. Seine erste Einsatzstelle war als Kaplan in Jahrmarkt/Giarmata. Er sollte diese Gemeinde und katholische Gemeinschaft sein ganzes priesterliches Wirken über prägen, zumal er hier sein halbes Leben als Seelsorger verbrachte. Bis 1964 diente er als Kaplan mit Pfarrer Nikolaus Anton und übernahm dessen Stelle bis ins Jahr 1983, als er zum Ordinarius berufen wurde. Zur damaligen Zeit zählte diese Kirchengemeinde fast 5000 Seelen und rühmte sich mit einigen der besten Blaskapellen im ganzen Banat. Die berüchtigte Loris-Blaskapelle soll sogar in jener kommunistischen Zeit die Pilger auf dem Weg nach Maria Radna bis zu Tränen gerührt haben, wenn man in Prozession sich auf Wallfahrt dahin begab und dabei Marienlieder angestimmt wurden. Und Pfarrer Kräuter lebte mitten in dieser Gemeinschaft und für sie. „Er war es, der in Jahrmarkt ein ganzes Dorf begeisterte, den Glauben in die Herzen wissbegieriger Kinder einprägte, den Erwachsenen mit beispielhaften Predigten das christliche Leben vor Augen führte sowie Alte und Kranke tröstete“, schrieb die Jahrmarkter HOG-Vorsitzende Helene Eichinger zum 85. Geburtstag von Bischof Kräuter.

Als guter Kenner des Kirchenrechts und der lateinischen Sprache, als gewandter Redner und mit einer imposanten Persönlichkeit leitete er die Diözese sieben Jahre lang unter dem kommunistischen Regime von 1983 bis 1990. Die Wende 1989 erlebte er in Temeswar. Der Heilige Vater Papst Johannes Paul II. ernannte ihn zum Bischof der Stadt, die die antikommunistische Revolution losgetreten hatte, sobald die diplomatischen Verhältnisse zu Rumänien und die Hierarchien der beiden katholischen Riten hierzulande wieder hergestellt worden waren. Als Zeichen der unablässigen, engen Verbindung zum Heiligen Stuhl fand die Bischofsweihe am 28. April 1990 im Sankt-Georgs-Dom durch den päpstlichen Gesandten Erzbischof Staatssekretär Angelo Sodano statt. Es folgte eine Zeit schwerer Arbeit und des Umbruchs, mit Erfolgen, aber auch vielen Sorgen. Die Massenauswanderung der Banater Deutschen sowie vieler Priester, die schon vor 1989 begonnen hatte, erzwang die Auflösung vieler Pfarreien und Pfarrgemeinden. Die mit Blut und Schweiß errungene neue Freiheit gab jedoch auch die Möglichkeit, die Diözesanstrukturen wieder aufzubauen: Das alte Bischofspalais wurde restauriert und wiedereröffnet, das katholische Gerhardinum-Gymnasium wurde gegründet (1992/1993), die verschiedenen Ordensgemeinschaften konnten wiederbelebt oder neu angesiedelt werden und der Caritas-Verband der Diözese Temeswar wurde gegründet. In all diesen Bestrebungen hatte Bischof Kräuter Pfr. Martin Roos zur Seite: Als treibende Kraft zahlreicher Projekte wurde er zum Kanzleidirektor ernannt. Des Weiteren unterstützten ihn tatkräftig Bischofssekretär László Böcskei und Pfarrer Josef Csaba Pál, Pfarrer in Reschitza und Karascher Dechant, aber auch viele weitere Priester, von denen manche der Herrgott zu sich berufen hat, andere jedoch auch weiterhin ihren Dienst in der Diözese verrichten. Auch die Gründung und Benennung der Diözesanzeitschrift, Vita Catholica Banatus, ist auf Bischof Sebastian Kräuter zurückzuführen, der die Redaktion in Reschitza unter der Leitung vom damaligen Pfr. Josef Csaba Pál unterstützte.

Mit seiner sehr mitteilungsfreudigen Persönlichkeit, seiner lebensbejahenden Einstellung, doch besonders durch sein Einfühlungsvermögen ist Bischof Kräuter vielen als Wohltäter in Erinnerung geblieben. Er war den Ärmsten unter den Armen eine Stütze, teilte jedoch mit seinen Mitmenschen nicht nur materielle Güter, sondern säte in ihre Herzen spirituelle Werte. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren durften sich seiner Gutherzigkeit und Großzügigkeit erfreuen, wenn sie mal an seinem Fenster vorbeigingen oder über seine Türschwelle traten. Nachdem er sein Amt 1999 niedergelegt hatte, half er seinem Nachfolger, Bischof Martin Roos, noch eine kurze Zeit, die es ihm sein Gesundheitszustand erlaubte. Er bewohnte sodann bis kurz vor seinem Ableben das Kanonikerhaus am Domplatz gemeinsam mit Weihbischof Dr. Adalbert Boros († 2003) und Domherr Dr. Lorenz Zirenner († 2005), unter der fürsorglichen Obhut der Franziskaner-Schwestern, in deren Hospiz, in der Memorandului-Straße in Temeswar, er am 29. Januar 2008 im Herrn entschlafen ist. Begleitet haben ihn bis zu seinem letzen Atemzug Generalvikar László Böcskei, sein Nachfolger Martin Roos und die Schwestern. Er wurde in der Krypta des Doms an der Seite seines Vorgängers, Bischof Augustin Pacha, sowie des Weihbischofs Boros, beigesetzt.

„Libertas filiorum Dei!“ (Latein für „Freiheit der Kinder Gottes!“) hieß das Motto der Bischofsweihe von Bischof Sebastian Kräuter und sollte perfekt in die Zeiten, den Ort und zu den Menschen seines Wirkens passen. Durch diese Losung hat er wie ein Hirte seine Herde geführt und zum Weitergehen ermutigt, indem er auf die unwiderrufliche Verbindung zwischen Freiheit und der Eigenschaft authentischer Christen hinwies, Kinder Gottes zu sein. In diesen Tagen, da wir zum 100. Geburtstag des Bischofs Sebastian Kräuter gedenken, sollten wir uns dieses Motto vergegenwärtigen und darüber nachdenken, die von Bischof Kräuter in uns gesäten Werte und Tugenden pflegen und ihn zugleich in unsere Gebete mit einschließen, denn der Apostel Paulus mahnt: „Gedenkt eurer Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach.“ (Hebräer 13,7)

Das Demokratische Forum der Banater Berglanddeutschen und der Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ gaben am 22. Dezember einen Sonderbriefumschlag und einem Sonderstempel heraus, zum 100. Geburtstag von Bischof Sebastian Kräuter. Die gesamte Post, die am 22. Dezember vom Postamt Reschitza 1 ausging, wurde mit diesem Sonderstempel, genehmigt durch die Rumänische Post AG und durch den Philatelistischen Verband Rumäniens, versehen. Bischof Sebastian Kräuter war Ehrenmitglied des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ ab dem 19. November 1997, Ehrenmitgliedschaft die ihm damals anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Reschitzaer Kulturvereins, in der „Maria Schnee”-Pfarrkirche verliehen wurde.