„Spitzenreiter in negativer Demografie“

Der Bürgermeister von Reschitza zweifelt die wissenschaftliche Korrektheit der „bizarren“ Zensuserhebungen 2021 an

„Als wir 2016 unsere eigene Volkszählung mit Hilfe der Studierenden an der heutigen Reschitza-Filiale der Klausenburger Babeș-Bólyai-Universität und aufgrund einer von Soziologen und Statistikern ausgearbeiteten Methodik durchgeführt haben, sind die Registrierenden in wahrscheinlich allen der rund 35.000 Wohneinheiten – Wohnhäuser und Appartements - von Reschitza gewesen, ebenso in den eingemeindeten Siedlungen. Wir machten rund 73.500 Einwohner des Munizipiums aus. Mit Argumenten von damals bin ich nicht einverstanden mit der bei der Volkszählung 2021 angewandten Methodologie. 2016 haben wir beispielsweise auch diejenigen Fälle erfasst, wo der Mann, sagen wir `Herr Ionescu`, zeitweilig in, sagen wir Deutschland, als Arbeiter tätig war, die `Frau Ionescu`, irgendwo in Österreich als Pflegekraft, ohne dass sie ihren Wohnort und ihre Staatsbürgerschaft geändert hätten. Solche Fälle – weit über zehn- bis zwölftausend damals – haben unsere Studenten als Reschitzaer registriert. Wir haben also alle zeitweilig von der Stadt Abwesenden zu den hier lebenden Bürgern gerechnet. Nur wenn sie ihren Wohnort gewechselt hatten, oder die Staatsbürgerschaft, sind sie nicht registriert worden. Deswegen scheint es mir auch so bizarr, dass bei der jetzigen Volkszählung alle zeitweilig Abwesenden als nicht existierend angenommen wurden und einfach in der Statistik fehlen. In Umkehrung dieser Logik müssten auch die Inder, die für PORR-Romania am Bau der Reschitzaer Straßenbahn arbeiten und zeitweilig hier wohnen, also anwesend waren im Moment der Volkszählung in der Stadt, als Reschitzaer Bürger registriert werden… Die so angewandte Logik führt eindeutig zu bizarren Ergebnissen, zu Verzerrungen der Realität, weswegen ich die wissenschaftliche Korrektheit der Volkszählung anzweifle.“ So die Spontanreaktion von Ioan Popa, dem Bürgermeister von Reschitza bei Veröffentlichung der „provisorischen“ Erkenntnisse aus dem jüngsten Zensus.

Zensusresultate und Fehlschlusspotenzial

Der „Nebeneffekt“ solcher Volkszählungen kann leicht zu falschen Schlüssen und Folgen führen, etwa in den Zuwendungen für eine Ortschaft, wie sie in mehr zentralistisch verwalteten Staaten wie Rumänien üblich sind und die, neben politischen Zugehörigkeitskriterien der Bürgermeister, manchmal auch die Bevölkerungszahl in Betracht ziehen. Auch daher die Verärgerung vieler Bürgermeister, deren Ortschaften durch die Volkszählung, zu Recht oder zu Unrecht, „zurückgestuft“ wurden.

Bürgermeister Ioan Popa hatte nach Bekanntwerden der vorläufigen Ergebnisse der jüngsten Volkszählung überraschend sachlich argumentiert und gespielt bescheiden letztendlich erklärt, er persönlich kapiere einfach nicht, wie das Statistikamt zu solchen Ergebnissen kommen konnte. Hingegen habe er sehr wohl verstanden, dass es sich „um ein Alarmsignal handelt, das sehr ernstgenommen werden muss: das Schwinden der Bevölkerung in ganzen Landstrichen ist eine Realität, die die Politik zum Handeln zwingen müsste.“
Reschitza hatte bei der letzten kommunistischen Volkszählung in den 1970er Jahren rund 125.000 Einwohner. Dass solche Ziffern in der Regel aufgeplustert waren, wissen alle beim damaligen Zensus eingesetzten Volkszähler (es war vor der Wende vorwiegend die dafür unbezahlte Lehrerschaft, in ihren Winterferien), doch darf man in Falle Reschitza ruhig auch von 100.000 Einwohnern im Wendejahr 1989 ausgehen – was mit den korrelierten Daten des Standesamtes und der Polizeidienststelle für das Bevölkerungsregister aus jenem Jahr am verlässlichsten zu belegen ist.
Methodikfehler und Politikerschuld

Bei der Bevölkerungszählung vor dem EU-Beitritt hatte Reschitza rund 73.000 Einwohner (der Hauptgrund des Rückgangs: die radikale Deindustrialisierung durch staatliches Abwürgen der Schwerindustrie und des Maschinenbaus nach 1990). 2016 dann die vom Bürgermeister angegebene Zahl aufgrund der eigenen Volkszählung der Stadt, die wahrscheinlich die gründlichste und genaueste von allen bisherigen war, auch, weil sie als Grundlage für die damals gestartete umfassende Stadterneuerung diente. 

Dass das Statistikamt jetzt „provisorisch“ 58.303 Bewohner von Reschitza angibt, dürfte seinen Grund in der Vorgangsweise beim jüngsten Zensus haben: freiwilliges Melden der Bürger, Aufsuchen der (wenigen) öffentlichen Registrierstellen oder – ganz selten – zuhause von den Registrierern Aufgesuchtwerden.

Doch allein die Methodik kann nicht zur Gänze den Rückgang der Bevölkerung um 14.889 Einwohner in Reschitza erklären, also um 20,3 Prozent oder ein Fünftel. Man muss zustimmen, wenn der Bürgermeister der Stadt von einem „bizarren“ Ergebnis spricht. Popa: „Nun bleibt uns nichts Besseres übrig, als das Ergebnis so anzuerkennen, wie es uns vorgelegt wird und als offiziell gilt, aber auch, zuzugeben, dass eine Schuld für den reellen Bevölkerungsrückgang nicht ausschließlich der Methodik des Zensus zuzuschreiben ist, sondern auch uns, den Politikern. Ob uns das gefällt oder nicht: die Bevölkerung des Banater Berglands sank in den vergangenen zehn Jahren mehr als in jedem anderen Landeskreis Rumäniens. Unglücklicherweise sind wir zu Spitzenreitern in negativer Demografie geworden. 

Und offensichtlich ist Reschitza keine Ausnahme. In dieser Geschichte nehmen wir aber die Position des Schlusslichts ein.“

Laut den provisorischen Ergebnissen der Volkszählung 2021 hatte das Banater Bergland 246.588 Einwohner, um 48.991 weniger als bei der Volkszählung vom Oktober 2011. Nach wie vor überwiegen die Stadtbewohner (129.485 Personen oder 52,5 Prozent, gibt das Statistikamt an) und das weibliche Geschlecht (127.118 - 51,6 Prozent). Der Landeskreis Karasch-Severin liegt auf Rang 38, also unter den letzten vier bevölkerungsärmsten Landeskreisen. Allerdings wiesen 39 der 42 Landeskreise (Bukarest mitgezählt) Rumäniens bei der Volkszählung 2021 eine geringere Bevölkerungszahl auf als 2011.

Bizarre Bevölkerungszu- und -abnahmen

Im Banater Bergland haben bloß drei Ortschaften einen Bevölkerungszuwachs erlebt: das ist paradoxerweise die Gemeinde Weidenthal/Brebu Nou, die bevölkerungsärmste des Banats (hier leben jetzt 166 Bürger, um 39,6 Prozent mehr als 2011), Ezeri{ (Anstieg um 19,9 Prozent auf 1505 Personen) und Rumänisch-Tschiklowa (plus 2,7 Prozent, hauptsächlich hierher gezogene Rentner aus Reschitza und Temeswar). Die bevölkerungsreichste Gemeinde des Banater Berglands ist Zăvoi bei Ferdinandsberg/O]elu Ro{u, die trotz einer Abwanderungsquote von 432 Personen noch 3514 Einwohner hat. Bei ihr dürfte die unmittelbare Nähe zu Ferdindsberg zu einer Art Zwitterstellung geführt haben. 

Die massivsten Abwanderungen gab es in der Gemeinde Ciudanovi]a bei Orawitza (minus 444 Personen oder 32,4 Prozent weniger als 2011) und in der Gemeinde Mehadia (minus 601 Personen oder 30,9 Prozent).

Reschitza soll also jetzt 58.393 Bewohner haben. Auch Herkulesbad, immer schon die kleinste der acht Städte des Banater Berglands, hat eine massive Abwanderung erlebt, was hier bestimmt mit der katastrophalen Privatisierung und dem Niedergang des Kurbetriebs ab 2003 (PSD-Regierungszeit unter Adrian N²stase, Tourismusminister Dan Matei Agathon) zusammenhängt: die Stadt hat jetzt noch 3787 Einwohner (2011: 5008). Bokschan liegt jetzt auf Rang eins der Städte, die keine Munizipien sind (Munizipienrang haben nur Reschitza und Karansebesch) und hat 12.949 Einwohner (um 2893 weniger als 2011), während die zweitgrößte urbane Niederlassung des Banater Berglands das Munizipium Karansebesch ist, mit 21.714 Einwohnern (um 12 Prozent oder 2975 Personen weniger als 2011). Orawitza hat 9346 Einwohner (minus 2036 oder 17,9 Prozent weniger), Neumoldowa/Moldova Nouă hat 9278 Einwohner (minus 24,4 Prozent oder 3072 Personen), Ferdinandsberg/Oțelu Roșu 8497 (minus 19,2 Prozent oder 2013 Personen weniger als 2011) und Anina/Steierdorf 5521 Einwohner (ein Verlust von 26,2 Prozent oder 1964 Einwohnern).

Noch 1364 Deutsche im Bergland


Das Durchschnittsalter der Bewohner des Banater Berglands erhöht sich weiterhin, d.h. der Überalterungsprozess geht immer rascher voran: gegenwärtig liegt der Altersdurchschnitt bei 44,9 Jahren (2011 lag er bei 41,9) und überschreitet den Landesdurchschnitt Rumäniens um 2,5 Jahre. Das Banater Bergland hat die drittälteste Bevölkerung unter allen Landeskreisen Rumäniens. Im Bergland entfallen auf 165,1 Personen über 65 Jahren 100 Personen unter 15 Jahren, was man den Index der demographischen Alterung nennt. 

Der Landesdurchschnitt liegt bei 121,2 Personen über 65 Jahre zu 100 Personen bis 15 Jahre.

Im Banater Bergland haben beim jüngsten Zensus 214.500 Personen auf die Frage nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit geantwortet. 195.700 Personen (91,2 Prozent) haben sich zu Rumänen erklärt, 5311 als Roma (2,5 Prozent), 4567 als Kroaten (2,1 Prozent), 3408 als Serben (1,6 Prozent), 1502 als  Ukrainer (0,7 Prozent), 1424 als Ungarn/Magyaren (0,7 Prozent), 1364 als Deutsche (0,6 Prozent), 909 als Tschechen (0,4 Prozent), usw. Die ethnische Zugehörigkeit ist in Rumänien gesetzlich als eine Art Gewissensfrage definiert und darf nicht nachgeprüft werden. Ähnlich steht es mit der Muttersprache: 93 Prozent erklärten das Rumänische als ihre Muttersprache, 2,1 Prozent das Kroatische, 1,5 Prozent das Serbische, 1,4 Prozent die Zigeunersprache Romani/Romanes, 0,6 Prozent ungarisch, 0,5 Prozent ukrainisch und 0,4 Prozent tschechisch. 83,1 Prozent der Bewohner des Banater Berglands sind rumänisch-orthodox, 5,9 Prozent römisch-katholisch, 3,9 Prozent Pfingstler, 3,7 Prozent Baptisten und 1,6 Prozent serbisch-orthodox.

Im Banater Bergland gibt es 2661 Witwer und 12.324 Witwen. Insgesamt sind 6,1 Prozent der Gesamtbevölkerung von Karasch-Severin verwitwet. 50,5 Prozent aller Bewohner des Berglands sind legal verheiratet. 61,1 Prozent der Männer und 63,4 Prozent der Frauen gaben an, verheiratet zu sein. Nie einem Lebensbund zugehörig waren 36,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, 47.500 Männer und 43.100 Frauen.

43,5 Prozent der Bewohner des Banater Berglands haben eine mittlere Bildung hinter sich (Lyzeum, postlyzeale Ausbildung, Berufsschule, Formen des Komplementärunterrichts u.Ä.). 44 Prozent der Bevölkerung haben ein niedrigeres Ausbildungsniveau (z.B. nur Vorschul- oder Grundschulunterricht, oder ohne schulische Ausbildung) und 12,5 Prozent haben Hochschulbildung.

 Es gibt im Banater Bergland 14.697 Männer und 16.002 Frauen mit Hochschulbildung, 58.533 Männer und 48.827 Frauen mit mittlerer und 46.240 Männer und 62.289 Frauen mit unzureichender Ausbildung.

Die aktive Bevölkerung des Banater Berglands besteht aus 93.100 Personen (87.500 in einem Arbeitsverhältnis Stehende und 5600 Arbeitslose). 153.400 Personen gelten als inaktive Bevölkerung (darunter 42,9 Prozent Rentner und 26,3 Prozent Schüler und Studenten).