Spurensuche nach Carol Benisch

Ein deutscher Architekt prägt das Bukarest des 19. Jahrhunderts

Dr. Oana Marinache spricht über Benisch im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ (Projektkoordinatorin: Aurora Fabritius).
Foto: George Dumitriu

Bukarest in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Ein junger Mann, knapp 25, vermutlich hat er in Wien Architektur studiert, auch wenn sich heute dazu keine Dokumente mehr finden lassen, wie Oana Marinache, Leiterin des Projekts „Das Architekturarchiv“, anlässlich der Konferenzdebatte „Das Bukarest des Architekten Carol Benisch“ im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ erzählt. 1840 wird er vom Prinzen Nicolae Bibescu-Brâncoveanu höchstpersönlich in die Walachei gerufen: An der Seite des Schweizer Architekten Johann Schlatter soll er an den „Restaurierungsarbeiten“ bedeutender Klöster in Oltenien teilnehmen, sozusagen als dessen rechte Hand: Arnota (1851), Tismana (1855), Hurezi und Bistriţa (1855).

Die Arbeit eines Architekten sah im Rumänien des 19. Jahrhunderts völlig anders als heute aus: Die Mannschaft musste er sich selbst rekrutieren, Arbeiter aus dem Dorf anlernen und die Baustelle organisieren, Werkzeuge mussten bestellt oder angefertigt werden. Auch ist der Begriff Restauration nicht dem gleichzusetzen, was wir heutzutage darunter verstehen: die Rettung der alten Bausubstanz mit originalen Materialien. Stattdessen hat man meist einen Nachbau gefertigt, bei dem nicht einmal die Proportionen zwingend eingehalten wurden. 25 Jahre später, 1865, ist der ehemalige Klosterarchitekt Carol Benisch Chefarchitekt von Bukarest – der Stadt, in der er insgesamt 50 Jahre wirken sollte. In einer Zeit, in der nur ausländische Architekten moderne, hohe Gebäude errichten konnten, war Rumänien für ihn das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Erste Aufträge in der Hauptstadt erhielt er 1856, als es modern wurde, auch Privathäuser mit Stockwerk zu bauen – im oberen wohnte die Familie oder man vermietete die Räume. Aus Recherchen der Mitarbeiter des Architekturarchivs im Fundus des heute nicht mehr stehenden Nationaltheaters geht hervor, dass Benisch auch mit der Erhaltung und Modernisierung des vom Wiener Architekten Anton Hefft konzipierten Theatergebäudes beauftragt wurde. Des weiteren war er in die Projektierung des Akademiepalastes (Universität) eingebunden und mit dem Bau des komplizierten säulentragenden Zentralkörpers betraut (1857-1872). Um den Auftrag zu erhalten, musste er allerdings mit seiner eigenen Gartenparzelle in einer gehobenen Wohngegend Bukarests, jenseits des heutigen Boulevards Elisabeta in der Nähe des Cişmigiu-Parks, garantieren.

Noch heute prägen einige der Bauten, an denen Benisch gewirkt oder mitgewirkt hat, das Bild der Stadt. Beispiele seiner Schaffenskraft: das Altersheim und die Kirche „Domniţa Bălaşa“ (1895), das Brâncoveanu-Spital (1881-1885), das Waisenhaus für Mädchen „Elena Doamna“ (1862-1870), die Klosterkirchen Văcăreşti, Cotroceni und Sărindar, die Kirche „Hanul Grecilor“ im Altstadtzentrum, die Gebäude in der Strada Batiştei, das Haus von Iancu Marghilancu auf der Piaţa Amzei und das von Costache Ghica, dem Sohn des walachischen Prinzen Grigore Ghica. Als Krönung führte er schließlich die Baustelle der katholischen Kathedrale zum Heiligen Josef (1873-1884) zu Ende, die von Friedrich Schmidt begonnen und durch den Unabhängigkeitskrieg 1877 unterbrochen worden war. Dafür wurde er vom Vatikan mit dem Ritterorden des Heiligen Gregor ausgezeichnet und erhielt den Beinamen „Carol Vallaquiensi“ (Karl von der Walachei). In Konstanza/Constanţa geht die Peter- und Paulkirche (1883-1885), ein Auftrag des Erzbistums von Tomis, auf seine Hand zurück. Seine eigene Bukarester Villa – ein schönes Haus mit zum Teil runden Wänden – wurde leider 2013 demoliert, bedauert Oana Marinache.

Carol Benisch, der am 30. Oktober 1896 in Bukarest starb, ist auch als Gründungsmitglied und erster Vizevorsitzender der Architektenvereinigung in Rumänien (1891-1892) bekannt. In den Dokumenten findet man verschiedene Schreibweisen für den als Karl Franz Böhnisch in Jägerndorf/Krnov, dem heutigen Tschechien, geborenen Schlesier: Benişu, Beneş, Beniş – obwohl er selbst stets mit Benisch unterzeichnete. Aus unerfindlichen Gründen steht statt dem Vornamen Carol gelegentlich auch Scarlat, es handelt sich jedoch um ein und dieselbe Person. Weitere Details über Leben und Wirken des Architekten kann man in der Monografie von Oana Marinache „Carol Benisch, 50 Jahre Architektur“ nachlesen, die Ende 2015 im Verlag für Kunstgeschichte erschienen ist.