Strandgeschichten aus Konstanza

Der Charme der Schwarzmeerküste in der Nebensaison

Die bunte Mauer am Hafen

Spaziergänger am Strand | Fotos: die Verfasserin

Mamaia in der Nebensaison

Im Restaurant „Janet by Chevalet“ wird direkt vor den Gästen gekocht.

Ein Strand bei Einbruch der Nacht, irgendwo an der Schwarzmeerküste. Nur noch die Buchstaben am Kiosk der „arroganten Lili“, wo man sich anschreiben lassen kann, um „Tanita“-Schokoladenlikör zu kaufen, leuchten in der Dunkelheit. Fünf schwarz gekleidete Rockerinnen sitzen im Sand und singen „About a girl“ von Nirvana. Die „arrogante Lili“, eine kokette Dame um die 60, das Haar zu einer Minnie-Mouse-Schleife geflochten, schaut ihnen zu. Wenn sie sich nicht gerade mit ihren Kunden unterhält, geht sie auch an den Strand, mit ihrem riesigen rosafarbenen Schwimmring. Es ist das Jahr 2001 und Tudorels Vater ist gerade mit seinem Flugzeug verunglückt. Abends treibt sich der Teenager am Strand herum und verliebt sich zum ersten Mal. Es ist die Geschichte des an der Schwarzmeerküste geborenen Autors Tudor Ganea, die den Abend im Staatstheater Konstanza eröffnet. 

Acht Kurzgeschichten zeitgenössischer Rumänischer Autoren und ein Gedicht von Nina Cassian, die alle an der Schwarzmeerküste spielen, hat Regisseur Radu Afrim in „Seaside Stories” zusammengetragen. Viele Leute im Publikum kommen aus anderen Städten. Und wenn man schon da ist, um gutes Theater zu sehen, sollte man sich die Stadt, wo diese Bühnengeschichten spielen, nicht entgehen lassen. Besonders in der Nebensaison. 

Im Staatstheater von Konstanza, wo übrigens auch viele andere gute Aufführungen zu sehen sind, scheint man zu verstehen, was Kultur-Tourismus bedeutet. 

Jedes Mal, wenn „Seaside Stories“ zu sehen ist, wird ein Tagesausflug aus Bukarest organisiert. Die Zuschauer machen eine Stadtführung, essen frischen Fisch, gehen am Strand spazieren und abends ins Theater. Danach bringt sie der Bus wieder in die Hauptstadt. Doch wenn man schon bis nach Konstanza kommt, sollte man mehr als nur einen Tag dort verbringen. Ein Wochenende ist ideal, besonders dann, wenn das Wetter gut ist. 

Möwengeschrei, pastellfarbene Villen und ein Dichter 

Genau vier Stunden braucht der Intercity „Tomis Expres“ von Kronstadt nach Konstanza. Er verbindet das Gebirge mit der Schwarzmeerküste – um 7 Uhr vormittags fährt er aus der Zinnenstadt ab, um 11.30 ist man schon am Strand. Es gibt ein Bordrestaurant, wo man Kaffee trinken kann und jeder Reisende bekommt ein Gratis-Croissant. Die Busverbindungen vom Bahnhof in die Altstadt funktionieren gut, aber für Fahrten innerhalb der Stadt oder nach Mamaia sind auch Uber und Bolt zu empfehlen. 

Ende Februar ist die Altstadt mit ihren pastellfarbenen Villen verschlafen und ruhig. Ab und zu bricht Möwengeschrei die Stille. Auf dem Tomis-Boulevard, einer Fußgängerzone mit vielen kleinen Läden, Restaurants und türkischen Cafes, riecht es nach frischer Fischsuppe. Im Kulturhaus am Ende der Straße kann man in der Dobrudscha angefertigtes Kunsthandwerk kaufen, im griechischen Lokal finden regelmäßig Bouzouki-Konzerte statt, im Laden gegenüber gibt es frischen Börek und Ayran und in einem schicken Modegeschäft wird Kleidung von rumänischen Designern verkauft. Die Straße mündet in den Ovid-Platz, in dessen Zentrum die Statue des Dichters steht. Kaiser Augustus schickte Ovid auf Lebenszeit in die Verbannung nach Konstanza. Immerhin verfasste Ovid in den letzten acht Jahren seines Lebens, fern von Rom, am Schwarzen Meer noch fünf Bücher. Es muss schon damals eine anregende Gegend gewesen sein.

Das Lokal mit dem glitzernden Hirsch

Ein glitzernder Hirsch empfängt uns in dem kleinen Restaurant „Janet by Chevalet“. Für genau vier Tische ist hier Platz. An den Wänden hängen Bilder, die der Inhaber selbst gemalt hat. Zeichnen und Kochen sind seine Leidenschaft, erzählt er.

Dann zeigt er uns einen Barsch, der einige Stunden zuvor aus dem Meer gefischt wurde. Diesen wird er zubereiten. Doch erstmals gibt es selbstgebackenes Brot mit Gewürzen und marinierte Muscheln aus dem Schwarzen Meer, dazu ein Glas Weißwein. Der Fisch mit gegrilltem Gemüse und auch die Portion Tagliatelle mit Meeresfrüchten (die Muscheln sind frisch) sind riesig und schmecken fabelhaft. Gerne hätten wir auch die flambierten Kirschen ausprobiert, aber es geht nicht mehr. Für zwei Personen hat dieses Mittagsessen knapp 200 Lei gekostet (Wasser und Cappucino inklusive). Ein besseres Preis-Leistungsverhältnis werden wir in Konstanza nicht mehr finden. 

Der Verdauungsspaziergang führt uns an der Strandpromenade entlang bis zum Casino, einem wundervollen Jugendstil-Gebäude, das zurzeit renoviert wird. Im Hafen bewundern wir, neben den vielen Booten, auch eine mit Katzen im Raumschiff und riesigen Walfischen bemalte Mauer. Im Hafen werden regelmäßig an Wochenendvormittagen Schatzsuchen organisiert, anhand derer man die Stadt besser kennenlernen kann.

Vom Turm der großen Moschee 

Der nächste Tag ist sonnig. Eine gute Gelegenheit, die große Moschee zu besuchen, die 1913 errichtet wurde. Der Eintrittspreis beträgt sechs Lei und man kann auch auf den Turm steigen und die Stadt von oben bewundern: der Hafen mit bunten Schiffen, die Altstadt mit den engen Gassen, Straßen, die Shanghai oder Yokohama heißen, die Küste, die von oben wie ein goldener Streifen aussieht. 

Am schönsten in der Nebensaison sind die Spaziergänge am Strand, besonders an Tagen, wo kein Wind bläst. Auf der Mircea-cel-Bătrân-Staße steigt man die Betonstufen zum Modern-Strand hinunter. Leute mit Hunden, Pärchen, Kinder und Touristen gehen spazieren, sammeln Muscheln, fotografieren sich gegenseitig und klettern auf die roten, verrosteten Türme, wo im Sommer die Rettungsschwimmer auf das Meer blicken. Es ist ein Tag, an dem man einfach nur im Sand liegen will und den Möwen am Himmel zuschauen. Ein langer Spaziergang führt bis nach Mamaia und anschließend Mamaia Nord, Orte, die in der Nebensaison geisterhaft erscheinen. Die Hotels und Restaurants sind geschlossen, nur auf der Strandpromenade ist etwas Leben. Ein Mann verkauft rosafarbene Zuckerwatte, junge Männer fahren auf Elektrorollern vorbei.

Nur noch zwei Monate und die Ortschaft wird aus dem Winterschlaf aufwachen. Die wenigen Restaurants sind rammelvoll und die Bedienung ist nicht gerade freundlich mit den Touristen. In Konstanza war es anders. Mit einem Uber-Fahrer haben wir uns über Finanzerziehung unterhalten, ein anderer, der in Saudi Arabien aufgewachsen ist und dessen Vater Seefahrer ist, erzählt uns über das Leben in der Stadt und die Frau, die uns neben dem Casino fotografiert, lächelt uns zu. 

Bald wird man kaum noch zwischen den Liegestühlen und Sonnenschirmen gehen können, laute Musik wird aus den Lautsprechern ertönen und in glitzernden Strandbars wird man Mojito-to-go verkaufen. 

Jetzt, Ende Februar, gehört der Strand noch den Möwen und den Winterspaziergängern. 

„Die interessantesten Menschen kommen in der Nebensaison an die Schwarzmeerküste“, heißt es in der Theateraufführung „Seaside Stories“. Vielleicht, weil dieser Ort im Winter auf eine geheimnisvolle Art schön ist. 


Kultur & Freizeit-Tipps: 

Theater 
„Seaside Stories“ (nach Kurzgeschichten rumänischer Autoren), Regie Radu Afrim 
„8 Väter“ von Tina Müller, Regie Irisz Kovacs 
„Die Schaukel“ von Edna Mazya, Regie Diana Mititelu 
www.teatruldestatconstanta.ro 

Literatur  
„Cântecul păsării de plajă“ von Tudor Ganea 
„Sfârșit de sezon“ von Marius Chivu 

Restaurants 
„Janet by Chevalet“, Str. Sulmona 26 (für Mittag- und Abendessen)
„Irish Pub“, Stefan cel Mare Nr.1 (für Frühstück)

Wohnen
„Vila Anticus“, Bd. Tomis 23