Temeswar hat die einzige Stadträtin mit Behinderung landesweit

Raluca Popescu setzt sich für mehr Barrierefreiheit im Alltag ein

Raluca Popescu ist die einzige Stadträtin mit Behinderung landesweit. Von ihrem Rollstuhl aus möchte die junge Temeswarerin ihre Kollegen im Stadtrat darauf aufmerksam machen, auch auf Leute mit Behinderung Rücksicht zu nehmen.
Foto: privat

Raluca Popescu ist 26. Sie ist eine der jüngsten Stadträte im Temeswarer Kommunalrat und zugleich die einzige Stadträtin mit Behinderung in Temeswar und sogar landesweit. Sie leidet an Tetraplegie - die motorische Lähmung beider Arme und Beine. Von ihrem Rollstuhl aus möchte sie die Welt dazu bewegen, auf mehr Rücksicht Leute mit Behinderung zu nehmen.

Die junge Frau ist im Juni dieses Jahres ihre Amtszeit seitens der Partei Mişcarea Populară (PMP) angetreten. Raluca Popescu reichen die vier Jahre im Amt nicht aus, um die vielen Pläne und Projekte, die sie vor hat, umzusetzen. Als Erstes möchte die junge Stadträtin Wahlstellen und -Kabinen für alle Menschen, auch für solche mit Behinderung, zugänglich machen. Über ihre bisherige Erfahrung im Kommunalrat sowie über künftige Projekte sprach BZ-Redakteurin Andreea Oance mit Raluca Popescu.

 

Was hat Sie dazu bewogen, einer Partei beizutreten und für eine Stelle im Kommunalrat zu kandidieren?

Marius Dugulescu, der Kandidat für die Stelle des Bürgermeisters seitens der PMP in Temeswar, ist zu mir gekommen und hat mir den Vorschlag gemacht. Sein bestes Argument für mich war, dass ich eine Person mit Behinderung bin und wenn nicht ich etwas für Leute wie ich was tue, dann wird es bestimmt niemand anders tun. Ich will Schwachstellen aufdecken und Lösungen finden und das ist der perfekte Ort dazu. Ich muss zugeben, dass ich es gar nicht erwartet hatte, tatsächlich eine Stelle im Stadtrat zu bekommen. Das Ergebnis hat mich überrascht. Dass ich von der Gesellschaft und von den Mitbürgern unterstützt werde, das verpflichtet mich, hundertprozentig engagiert zu sein.

 

Sie sind die einzige Stadträtin mit Behinderung landesweit. Sie waren bis vor Kurzem Vorsitzende des Temeswarer Vereins „Ceva de Spus“ und haben den Kampf für die Rechte der Menschen mit Behinderung vor einiger Zeit begonnen. Was genau könnten Sie nun, als Stadträtin, bewegen?

Man kann jetzt mehr Druck ausüben. Ich hoffe aber, dass ich mit meinen Kollegen im Stadtrat konstruktiv zusammenarbeiten kann. Bisher habe ich keine Zurückhaltung mir gegenüber erlebt. Alle betrachten mich als eine Kollegin und man fragt mich öfters nach meiner Meinung.

Zu Beginn habe ich aber auch eine negative Erfahrung gemacht. Bei der ersten Plenarsitzung funktionierte der Aufzug im Rathaus nicht, so dass ich von Angestellten der Überwachungsfirma bis in den Sitzungsraum im ersten Stock des Rathauses getragen werden musste. Das Problem wurde kurz darauf behoben und auch andere Alternativen sollen demnächst gesucht werden, sodass das Temeswarer Rathaus tatsächlich für alle Bürger zugänglich ist. Dabei machte ich bei der ersten Sitzung auch die Bemerkung, die Wahlweise zu ändern. Bisher haben die Stadträte beim Abstimmen die Hand heben müssen. Für mich wäre das eine Qual gewesen, vor allem, wenn auf der Tagesordnung 30 Themen, über die man abstimmen musste, standen. Nun hat man ein elektronisches Wahlsystem eingeführt.

 

Sie sagen immer wieder, dass vier Jahre zu wenig sind, für alles, was Sie sich vornehmen. Was planen Sie in naher Zukunft umzusetzen?

Schon diese Woche plane ich, in der Kommunalratssitzung das Thema der Zugänglichkeit der Wahlbüros für Personen mit Behinderung anzusprechen, vor allem wegen den anstehenden Parlamentswahlen. Für Leute im Rollstuhl, so wie ich, ist es unmöglich, an die hohen Tische zu gelangen. Den Wahlschein müssen wir auf dem Schoß halten und manchmal brauchen wir sogar die Hilfe einer zweiten Person, um unser Wahlrecht ausüben zu können. Das ist nicht immer erlaubt. Es besteht immer wieder auch die Möglichkeit, von zu Hause aus zu wählen – dafür gibt es die mobilen Wahlurnen. Wir wollen am Alltag teilhaben und die Gesellschaft soll mit der Präsenz von Personen mit Behinderung vertraut gemacht werden. Konkret sieht mein Projektvorschlag vor, in eine Sonderwahlkabine für Menschen im Rollstuhl ein Pult auf der selben Höhe wie der Stuhl einrichten zu lassen und dabei auch mehr Raum in der Kabine anzubieten, damit man sich mühelos mit dem Rollstuhl bewegen kann.

 

Auch wenn Sie als Vorsitzende des Vereins „Ceva de Spus“ zurückgetreten sind, bleiben Sie weiter innerhalb des Vereins engagiert. Die Mitglieder sind bei zahlreichen Veranstaltungen in Temeswar dabei und machen die Bürger darauf aufmerksam, dass Änderungen und Lösungen für mehr Barrierefreiheit im Temeswarer Alltag fällig sind.

Wir sind schon seit mehreren Jahren bei Festivals wie Bega-Boulevard- oder PLAI, beim Großsportevent „Timotion“ sowie beim Weinsalon RoVinHud dabei. PLAI ist das einzige Musikfestival in Temeswar, das auch eine besondere Stelle nur für Menschen im Rollstuhl eingerichtet hat.

Eines ist sicher: Mit kleinen Schritten kann man vieles erreichen. In den letzten Jahren sind wir sichtbarer geworden und konnten mehrere unserer Anliegen Wirklichkeit werden lassen. Meine Kollegin Simona-Maria Smultea, die wegen einer Netzhautablösung zu 90 Prozent blind ist, hat sich sehr gefreut, als alle Ampeln in der Stadt mit Akustik versehen wurden. Das geschah infolge eines offenen Briefs unseres Vereins an das Bürgermeisteramt.