Tête-à-Tête mit hochberühmten Köpfen

Wertvolle Sonderausstellung „Schatz aus dem Brukenthal-Museum“ bei „Art Safari“

„Mann mit der blauen Sendelbinde“ (1430), Öl auf Eichenholzplatte von Jan van Eyck

„Art Safari“, die größte Kunstveranstaltung in Rumänien, welche ab diesem Jahr zu einem saisonalen Ereignis wird, bietet nun eine Sonderausstellung mit raren Werken aus dem Bestand des Brukenthal-Museums in Hermannstadt/Sibiu, die von dessen Interimsgeschäftsführer Dr. Alexandru Constantin Chitu]˛ kuratiert wird. Die Blitz-Ausstellung „Der Schatz aus dem Brukenthal-Museum. Brukenthal exklusiv“ kann aber, wegen der hohen Versicherungskosten von 75 Millionen Euro, nur noch bis zum 30. April bei „Art Safari“ in der Bukarester Altstadt besucht werden.

Neben den vier Ausstellungen, die dem rumänischen Maler Ion Theodorescu-Sion, 42 spanischen Meistern der Kunst des 19. Jahrhunderts, den Gewinnern des französischen Kunstpreises „Marcel Duchamp“ und der ultrazeitgenössischen rumänischen Kunstszene gewidmet sind, können Kunstliebhaber nun auch fünf makellos erhaltene 600-jährige Werke der Meister der Renaissance-Kunst Jan van Eyck, Tizian, Paolo Veronese und Hans Memling bewundern. Die fünf wertvollen Bilder stammen aus der Dauerausstellung „Meisterwerke“ des Brukenthal-Museums, die insgesamt 40 Werke umfasst, welche immer wieder den wichtigsten Kunstmuseen aus dem Ausland für Wechselausstellungen ausgeliehen werden. Im Vergleich zu den großen europäischen Kunstmuseen erlaubt „Art Safari“ die Annäherung an die Meisterwerke „von Angesicht zu Angesicht“: auf  50 Zentimeter. QR-Codes neben den Bildern verraten zusätzliche Informationen.  

Baron Brukenthals Sammelleidenschaft

Der aus dem siebenbürgischen Kleinadel stammende Baron Samuel von Brukenthal (1721-1803), ein ausgezeichneter Hofpolitiker unter Kaiserin Maria Theresia von Habsburg und der Gouverneur von Siebenbürgen zwischen 1777-1787, war nicht nur als Aufklärer, politischer Reformator, Förderer der Wissenschaft, Kultur, Bildung und Landwirtschaft, sondern auch als Kunstenthusiast und -sammler bekannt. Nachdem er sich aus dem Amt zurück gezogen hatte, öffnete der Baron 1790 seine Bibliothek und das gesamte zweite Stockwerk mit 800, in 13 Sälen ausgestellten Gemälden des von ihm erbauten Brukenthal-Palastes in Hermannstadt für die Öffentlichkeit. Nach seinem Tod wurde der Palast gemäß dem Testament des Barons als Museum – das erste auf dem heutigen Territorium Rumäniens und das dritte europaweit, nach dem British Museum in London und dem Louvre in Paris – betrieben. 

Der Bestand des Museums umfasst 1200 Bilder sowie Mineralien, Bücher, 420 Inkunabeln oder Frühdrucke, die vor 1500 entstanden sind, historische Exponate und Münzen. Das Brukenthal-Museum ist das einzige Kunstmuseum in der ganzen Region von Wien bis Sankt Petersburg, das ein von Jan van Eyck signiertes Bild und die größte Sammlung flämischer und niederländischer Gemälde besitzt.

Fragende, unschuldige Augen

Der „Kopf eines Kindes“(1555/1556), signiert vom italienischen Renaissance-Künstler Paolo Veronese (1528-1588), zeigt Adriano, den Sohn des italienischen Politikers Giuseppe da Porto. Das vollständig fertiggestellte kleine Porträt des Kindes mit fragenden, unschuldigen Augen ist eine Art vorbereitende „Skizze“ für ein größeres Werk, das sich in den Uffzi-Galerien in Florenz befindet.

Die Schönheit steckt im Detail

Der deutschstämmige Künstler Hans Memling (1430-1494) war der beliebteste Maler, der in den Niederlanden im 15. Jahrhundert geschaffen hat. Von ihm sind hundert Tafeln zu geistlichen  Themen und nur 30 Porträts erhalten. Dies macht die beiden Porträts aus der Sonderausstellung zu seltenen Kostbarkeiten. 

„Bildnis eines lesenden Mannes“ und „Bildnis einer betenden Frau“, beide auf 1470 datiert, lenken die Aufmerksamkeit auf die Details: die feinen Haare der mit Pelz besetzten Cuffs und Kragen des Mantels des lesenden Mannes, die sorgfältig wiedergegebenen Zeilen und die Muster, die sein Buch zieren, bis hin zur Durchsichtigkeit des Kopftuches der betenden Frau oder das weiße Hündchen im Hintergrund, das als Symbol der ehelichen Treue zu verstehen ist.

Gestohlen und wiedergefunden

Tiziano Vecellios (1488/90-1576) „Ecce Homo“ (Siehe, der Mensch), das einzige vom italienischen Meister der Renaissance signierte Werk in Rumänien, hat eine bewegte Geschichte: Die ausdrucksstarke Darstellung des blutenden Christus mit rotem Mantel, Dornenkrone und gefesselten Händen wurde 1968 zusammen mit sieben weiteren Gemälden aus dem Brukenthal-Museum gestohlen. Vier sind bald darauf in Wien aufgetaucht und wurden für 1200 Dollar von einem Rumänen namens Mike Opri{i, der um die Zeit des Diebstahls ins Ausland geflüchtet war, gekauft. Dieser hinterfragte ihren Ursprung erst 30 Jahre später in den USA, als er den Stempel des Rumänischen Königlichen Hauses auf der Rückseite eines der Bilder entdeckte. So gelang es Interpol, die vier gestohlenen Bilder, darunter auch „Ecce Homo“ (1560), aufzuspüren. 

Die wiedergefundenen Bilder wurden 1998 anlässlich des Besuchs des damaligen rumänischen Präsidenten Emil Constantinescu in den Vereinigten Staaten am Sitz der Weltbank in Wa-shington ausgestellt und sind anschließend im Präsidentenflugzeug nach Rumänien zurückgekehrt.

Ein gemalter Heiratsantrag

Jan van Eycks Porträt „Mann mit der blauen Sendelbinde“ ist ein geheimnisvolles Werk und eine absolute Rarität (siehe auch ADZ, 19. März 2021: „Monolog mit dem Bildnis ‘Mann mit der blauen Sendelbinde’“). Das Porträt in überraschend kleinem Format wurde von einem jungen Adligen als gemalter Heiratsantrag bei dem flämischen Meister bestellt, deshalb hält der por-trätierte Mann einen Verlobungsring in der Hand. Sein enthülltes, im Vordergrund dargestelltes Ohr, weist da-rauf hin, dass er die (hoffentlich positive) Antwort seiner Geliebten ablauscht. Ob sie „ja“ gesagt und ob der gemalte Heiratsantrag die Geliebte überhaupt erreicht hat, ist nicht bekannt. 

Gewiss ist nur, dass Baron von Brukenthal im 18. Jahrhundert in den Besitz des Porträts gekommen ist. Dieser glaubte, ein damals viel höher als van Eyck geschätztes Dürer-Werk gekauft zu haben, da es sein Monogramm trug. Das gefälschte Dürer-Monogramm ist auch heute in der oberen rechten Ecke des Gemäldes sichtbar. 

Van Eycks Werk wurde schließlich 1990 in Europa als solches authentifiziert. Die Entstehung des Gemäldes wurde aufgrund der Sendelbinde, welche Teil einer nur zwei Jahre andauernden Modeströmung war, auf 1430 datiert. Niederländischen Experten zufolge macht dies das Bild zum frühesten oder ältesten seiner bekannten Werke. Die Skizze dazu befindet sich im Louvre in Paris und ein ähnliches Werk, „Der Mann mit rotem Turban“, ist in der Nationalgalerie der Königlichen Museen der Schönen Künste in Belgien zu sehen.

Der Kauf des Porträts stellt sich heute als viel bessere Investition als ursprünglich gedacht heraus, zumal van Eycks Werke höher geschätzt werden als jene von Dürer, weil sie seltener sind. Weltweit sind nur 20 von Jan van Eyck signierte Werke bekannt. Davon gastiert eines nur noch dieses Wochenende bei „Art Safari“! 


Die erste diesjährige Saison von „Art Safari“ dauert bis zum 14. Mai. Die Ausstellungen können täglich donnerstags bis sonntags, von 12 bis 21 Uhr, sowie freitags und samstags auf nächtlichen Führungen jeweils von 22 bis 1 Uhr im Bukarester Dacia-România-Palast (Str. Lipscani Nr. 18-20) besucht werden. Tickets sind am Eingang oder unter tickets.artsafari.ro/e verfügbar.

Für die diesjährige Sommersaison arbeitet „Art Safari“ mit der National Gallery in London zusammen, um dem rumänischen Publikum Werke des barocken flämischen Malers und Grafikers Antoon van Dyck, der schweizerischen neoklassischen Malerin Angelica Kauffman und des berühmten jüdisch-amerikanischen Fotokünstlers Man Ray zur Schau zu stellen. 

Für den Herbst kündigen die Veranstalter eine erneute Kollaboration mit der Royal Victoria and Albert Gallery in London und eine Ausstellung, die Taschen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart gewidmet ist, an.