Teures Porzellan für Langzeitnutzen

Keramikhersteller aus Rumänien und Ungarn hoben Niveau des Hermannstädter Töpfermarktes an

Immobilienkauf für bescheidene Brieftaschen und kulturbewusstes Wohnen daheim: bei Töpfer Florin Dumitru aus Târgoviște kostet ein Hermannstädter Häuschen 10 Lei, der Ratsturm 20 Lei. Foto: der Verfasser

Rumäniens Alltag rauscht derzeit wie ein schlechter Film über Bild- und Buchstabenflächen nationaler wie internationaler Medienberichterstattungen. Berufstätige jungen bis mittleren Erwachsenenalters und zahllose Studienanwärter nehmen Reißaus vor klaffenden Mangelerscheinungen ihres Geburtslandes, geben sich fern der Heimat erleichtert, einem Alptraum entkommen zu sein. Die Schnittmenge von Diaspora und rumänischem Bildungsbürgertum wächst von Tag zu Tag. Ein paar wenige zielstrebige Träumer jedoch scheinen darauf zu bestehen, ihre beispielhaften Kulturbedürfnisse auch unter widrigsten Umständen befriedigen zu können. Mit bereitwilliger Unterstützung elterlicher Portemonnaies haben kleine Nachwuchsleserinnen und -leser sämtliche mit dem „Kleinen Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry hellblau bemalten Teebecher der Keramikwerkstatt des Pfadfinder-Zentrums Leschkirch/Nocrich (Harbachtal/Valea Hârtibaciului im Kreis Hermannstadt/Sibiu) während der 53. Auflage des Hermannstädter Töpfermarktes beschlagnahmt. Obwohl das junge Rumänien verstärkt auswandern will, mag der blond-kurzhaarige Weltentdecker, der „nur mit dem Herzen gut sieht“, seinen Standort in vereinzelten Familienbibliotheken und Küchenregalen zwischen Maramuresch und Donau nicht aufgeben.

Ausverkauft waren Sonntagnachmittag, am 1. September, alle Tassen des Leschkircher Ateliers, die das berühmte Motiv zeigten. Tags davor, am 31. August, hatten knapp hundert Tonhandwerker ihre Drehscheiben und Keramikprodukte auf dem Großen Ring/Piața Mare zum zwei Tage lang anhaltenden Handel aufgereiht. Einheimische und Gäste flanierten bei Kaiserwetter von Angebot zu Angebot, während manch ein Hersteller von früh bis abends in der prallen Sonne achtgab, Kunden und unentschlossenen Nichtkäufern gleichermaßen sein vornehmstes Lächeln zu zeigen. Etliche auf der Fleischergasse/Mitropoliei geparkte Großraum-PKWs mit den Kennzeichen der Verwaltungskreise Harghita und Covasna waren eindeutig der gewohnt hohen Beteiligung ethnisch ungarischer Keramikhandwerker aus Korund/Corund/Korond und dem Szeklerland/}inutul Secuiesc/Székelyföld zuzuordnen. Ihre handfesten und in bäuerlicher Einfachheit gearbeiteten Gegenstände zählen als Kulturvisitenkarte Rumäniens. Genauso auch der Haus- und Hofhahn aus Horezu, der überall auf dem Großen Ring Marktschreier-Haltung einnahm.

Instrumentenbauer Nicolae Sava aus Bistritz ist um ein weiteres Jahr gealtert. Wegen brütender Mittagshitze ließ sich der virtuos Okarina spielende Stammgast des Hermannstädter Töpfermarktes aus dem Nösnerland/Țara Năsăudului nicht davon abhalten, einige Hemdknöpfe zusätzlich zu öffnen, was zeitweilig Blicke auf seinen stolzen Rentnerbauch freigab. Mit der vom Kopfsteinpflaster Hermannstadts reflektierten Sommerglut haben mitunter auch die eigens aus Ungarn angereisten Ehepaare Farkas Gábor und Forró István gekämpft, doch waren keine Anzeichen von Ermüdung auf ihren Gesichtern zu erkennen. Die Preise ihrer Erzeugnisse sind pfeffrig, lohnen aber allemal ein Zugreifen, da beileibe nicht jede Töpferhand derart originelle Muster auf den Tellerrand zu malen vermag.

Ebenso einmalig im Jahreskalender Hermannstadts war und ist die begleitende Volksmesse auf dem Kleinen Ring/Piața Mică mitsamt Trödelmarkt, Antiquitätenhandel und Schnapsbrennkesseln. Das Sekundärangebot des Töpfermarktes wurde heuer auf dem Huetplatz/Piața Huet ausgetragen und stellte sich Groß und Klein als illustre Augenweide entgegen. Verwundert lachen konnte man beispielsweise über eine Schachtel voll Zuckerstückchen der Fabrik Heldsdorf/Hălchiu im Burzenland, die in den späten 1970ern gedruckt worden war, anno dazumal nur auf Lebensmittelkarten-Basis erstanden werden konnte und vom Händler des 21. Jahrhunderts für 100 rumänische Lei zum Kauf angeboten wurde. Delikatesse damals, Nostalgie-Futter heute.

Stark hervortretende Farbtupfer auf dem Großen Ring hielt der Verkaufsstand des Ateliers D&D Temeswar bereit. Ion und Nicoleta Mitroi aus Măldăieni im Kreis Teleorman warteten mit antik nachgebildeten Blumenvasen und Tellern der Cucuteni-Stilrichtung auf. Erwartet großen Zulauf erhielt der Tisch von Ilona und József Tóth aus dem Dorf Zoltan in der Gemeinde Ghidfalău/Gidófalva (Kreis Covasna). Wer eine von den schönsten ihrer handgemalten Teetassen weißer, grüner oder blauer Grundfarbe kaufen wollte, musste sich bereits Samstag sputen, oder ersatzweise am Nachbartisch von Tamás Mezei (Sâncraiu/Sepsiszentkirály, Covasna) fündig werden, der dieselbe dünnwandige Machart für sich entdeckt hat.

Stammgäste des Hermannstädter Töpfermarktes halten jährlich unverkennbar gerne an ein und demselben Verkaufsplatz auf dem Großen Ring fest. Einige von ihnen bringen nicht nur hauseigene Produkte, sondern auch die Einladung zur Unterstützung von Bildung und öffentlicher Gesundheit mit. Der Verein „Tonal“ Hermannstadt schreibt sich Hilfestellung zugunsten geisteskranker Patienten und Personen in seelischer Grenzbelastung und hohen Existenzschwierigkeiten auf die Karte. An seinem Regal war es möglich, durch Kauf einer oder zwei Kaffeetassen zur Behandlung einer der tiefsten Wunden Rumäniens beizutragen. Unzweideutig auch die Aufforderung „Donate for Education“ an einem Spendenkörbchen der Keramikwerkstatt des Pfadfinder-Zentrums Leschkirch. Hermannstadts teurer Töpfermarkt ist sich zu billig für individualistische Raffgier.