Über den maßgeschneiderten Tourismus in Rumänien

Ramona Lambing, deutsche Tourismus-Unternehmerin: Ein Standbein in Deutschland, eines in Rumänien

Ramona Lambing

Sie erzählen weiterhin Geschichten aus der Geschichte: Auch die prächtigen Jugendstil-Paläste im historischen Stadtkern Temeswars bleiben eine wahre Attraktion für Touristen aus aller Welt. Foto: Zoltán Pázmány

Es ist heute nach wie vor ein schwieriges Unterfangen, jemand im Westen für Südosteuropa, speziell für Rumänien zu interessieren oder gar für eine Reise nach Rumänien zu begeistern. Es ist gar keine Übertreibung: Das Land „da unten“ gehört wohl zur EU, vielen EU-Bürgern, darunter auch den ansonsten an der ganzen Welt interessierten und reiselustigen Deutschen, ist es jedoch leider weiterhin weniger bekannt als Amerika, Australien oder Asien. Es ist kein Wunder, dass manche Westler Rumänien mit der als lustige Karikatur präsentierten Republik Moldau oder gar mit dem malerischen Land der  schlitzohrigen Schlawiner und korrupten Bojaren, Gregor von Rezzoris Maghrebinien, jüngere Semester ganz einfach mit dem düster-unheimlichen Land des Dracula, gemäß der Informationen aus Hollywood, verwechseln.

Und das derzeitige Rumänien-Image, das wegen des Gerangels in der Politik-Szene wieder mal ein historisches Tief erreicht hat, tut dem Tourismus im „Karpatengarten“, so die nicht gerade glückliche offizielle Werbung, kaum gut, ja es birgt die Gefahr, Land und Leute, aus touristischer Sicht gesehen, gar von der großen Landkarte wegzuwischen.
Es gehört demnach eine gewisse Portion Mut, auch Vision dazu, mit diesen Handicaps, unter diesen schwierigen Bedingungen, unter wenig hoffnungsvollen Zeichen für die nächste Zukunft, sich hier und jetzt mit Tourismus zu beschäftigen und hauptsächlich als Reiseveranstalter für ausländische Touristen, vornehmlich aus Deutschland und dem restlichen deutschen Sprachraum zu wirken.

Dieses Wagnis ist Ramona Lambing, eine junge deutsche Tourismus-Unternehmerin in Rumänien, genauer im Banat, noch genauer in Temeswar, eingegangen. Mit den Wurzeln im Banat, einer schulischen und modernen Fachausbildung in Deutschland, hat die als Reiseverkehrskaufmann Ausgebildete sich mit ihrer Firma „Passage“ in der Banater Tourismus-Branche und mit guten Erfolgen in einer Nische des rumänischen Tourismus etabliert. Mit Ramona Lambing sprach ADZ- Redakteur Balthasar Waitz.

Sie sind Banater Schwäbin, deutsche Staatsbürgerin, in Rumänien aber auch sogenannte Rückkehrerin. Viele sagen, dass gehörig Mut dazu gehört, heute ein Unternehmen in Rumänien und erst recht eines in der Tourismusbranche aufzuziehen...

Zu allem gehört auch eine Portion Mut, auch zum Leben, nicht wahr, sowohl hier als auch in Deutschland. Wenn man jedoch einmal weiß, wer man ist, wohin man gehört, wird alles einfacher. Dann weiß man auch genau, was man in diesem Leben eigentlich will.

Zu meiner Herkunft: Ich bin sozusagen Rückkehrerin und auch nicht. Ich stamme aus der banatschwäbischen Gemeinde Orzydorf, 25 Kilometer von Temeswar und von Arad entfernt, wo ich auch die Volksschule bis zur fünften Klasse besucht habe. Die 5. bis 7. Klasse besuchte ich im Neuarader deutschen Lyzeum. Nach der Auswanderung 1976 nach Deutschland machte ich in Saarbrücken Abitur, Studium und eine berufliche Ausbildung als Reiseverkehrskaufmann. Ich bin schon seit 1986 im Tourismus-Bereich tätig und machte seither alle Facetten dieser Branche durch. Plötzlich war dann die Zeit dazu reif, auch Rumänien mit einzubeziehen. Es war mein Wunsch, immer schon etwas daheim, im Banat zu machen. 2005-2006 war ich in Saarbrücken als Organisatorin von Veranstaltungen in einem Tourismus-Unternehmen mit zwei deutschen Kollegen beteiligt.

So kam der Beschluss hier, in Temeswar, ein Büro zu eröffnen. 2010 habe ich mich dann selbstständig gemacht. Es war mir auf einmal sonnenklar: Um meine Pläne, die auch meine alte Heimat Rumänien miteinbezogen haben,  verwirklichen zu können, durfte ich demnach nichts von dem Erreichten und Aufgebauten in Deutschland aufgeben, musste aber auch bewusst und gezielt diesen neuen Standpunkt in Temeswar aufbauen. Daraus entstand die Firma „Passage“ mit einem Standbein in Saarbrücken, Deutschland und einem Standbein in Temeswar, Rumänien.

Ihr einladendes, modernes Büro im Stadtzentrum der Begastadt spricht schon mehr als Worte. Funktioniert denn diese Doppelfirma heute so wie das Firmenimage es ahnen lässt?

Ich habe eigentlich zwei Firmen, eine funktioniert nach deutschem Recht als Passage Travel Concepts GmbH in Saarbrücken, die andere als SC Passage F&T SRL in Temeswar, Alba-Iulia-Gasse Nr. 5. Das funktioniert heute, aber glauben Sie mir, es steckt ein ungeheuerliches Abenteuer dahinter. Obwohl ich als gebürtige Banaterin Rumänien, das heißt Land, Leute, Geschichte, Sitten und Mentalitäten besser kannte als andere deutsche Unternehmer, hat es mir letztlich dann nur wenig genützt. Ich musste den gleichen, stressigen Weg von einem Beamten zum anderen begehen. Ich kannte hier niemand, die Teilnahme an Veranstaltungen und Treffen des Forums, des Deutschen Wirtschaftsklubs, persönliche Kontakte brachten mich langsam dieser Gesellschaft näher. Es waren  auch Jahre der Recherche, um dieses neue Rumänienbild aufzunehmen und zu verstehen. Es hat geklappt, da ich von Anfang an mit gut durchdachten deutschen Konzepten ans Werk gegangen bin.

Auf der Internetseite Ihrer Firma steht als Motto der Satz „Jeder Mensch und jede Reise sind einzigartig“ und als Schwerpunkt Ihres Angebots werden weltweite Gruppenreisen und maßgeschneiderte Reisen angeführt. Was steckt alles in der Praxis dahinter?

Passage baut fest und bewusst auf den deutschen Markt mit seinem Besonderen und Einzigartigen in Sachen Tourismus. Ad literam: Unsere Kundschaft sind Deutsche sowie Personen aus dem ganzen deutschen Sprachraum, also auch Österreicher und Schweizer, von Einzelpersonen bis zu kleinen und großen Reisegruppen. Das Reisen war und ist des Deutschen Lust! Die Deutschen sind die wahren Reise-Weltmeister. Meine Firma baut auf den deutschen Markt, und der ist bekanntlich der größte Herkunftsmarkt. Die Deutschen waren doch schon überall, sagen viele. Ja, aber sie reisen weiterhin gern und viel und lassen sich das auch was kosten. Und Rumänien, das vielen Deutschen weiterhin unbekannt, nur vage oder gar mit falschem Image bekannt ist, reizt unsere deutsche Kundschaft zu einer Reise. Es gibt da auch für meine Firma in dieser Nische ein enormes Potenzial.

Selbst die vielen rumänischen Probleme schrecken die deutschen Kunden, ob Individualreisende oder Reisegruppen, nicht vor einer Reise nach Rumänien ab. Da gibt es allerhand Altlasten, große Umwelt- und Infrastrukturprobleme, das schlechte Image in allen Medien, die deutschen Reisenden sind jedoch auch an einen herausragenden Service, an eine perfekte Reiseabwicklung usw. gewöhnt. Wie kann man das zufriedenstellend lösen? Es klappt, denn Rumänien bietet einem deutschen Touristen viel Neues oder Unbekanntes, fremde und doch neue Erlebnisse aus Traditionen, Sitten, Bräuche, Kultur und Kunst, aber auch viel Gemeinsames aus der Geschichte. Was dann bei vielen mehr als Interesse für Rumänien erweckt, ist der enge Kontakt, den wir unseren Kunden mit Land und Leuten ermöglichen. Es gibt ja eine Menge Gastfreundschaft hierzulande, das ist nicht nur so gesagt, und fast keine Sprachbarrieren. Das Erfolgsrezept sind maßgeschneiderte Reisen für alle, von Individualreisenden bis Gruppen, ob es nun um Urlaubs- oder Themenreisen, Studienreisen oder Belohnungsreisen geht. Gleichzeitig fungiert Passage auch als Incoming-agent für deutsche Reisebüros und Reiseveranstalter.

Leider ist in Rumänien in dieser Branche noch viel dem Zufall überlassen. Wie reagieren die allgemein verwöhnten deutschen Touristen auf eventuelle böse Überraschungen auf Rumänienreisen?

Jede Reise ist einzigartig, im Guten und auch im Schlechten ist das möglich. Trotz unserer Erfahrung mit längeren Reisen durch Rumänien, vor allem größeren Gruppenreisen, die durch das Banat, durch Oltenien, an der Donau entlang, nach Bukarest, durch das Prahova-Tal, nach Hermannstadt und Siebenbürgen, zu den Klöstern der Nordmoldau führen, gibt es immer wieder auch Pannen und unliebsame Überraschungen. So begleiteten wir im Sommer eine Gruppe Österreicher an die Donau und durch Südrumänien. Es gab unliebsame Sperren wegen Straßenreparaturen, das Ganze wurde zu einer stressigen Improvisation auf holprigen Nebenstraßen. Wir versuchen, es unseren Kunden zu erklären. Das heutige Rumänien ist ein Land mit Ecken und Kanten, auch die alten Mentalitäten der Menschen können nicht so schnell ausgemerzt werden. Wir zeigen den Leuten, wie es ist, für das Schlechte gibt es auch viel Gutes und Interessantes. Toll, sagen die Leute, was es da doch alles gibt!

Wie stehen Sie zu dem „way of Prince Charles“, also dem von Prinz Charles in Siebenbürgen promovierten sanften Tourismus? Wäre das nicht auch eine Zukunftslösung für die Wiederbelebung des rumänischen Tourismus?

Der Tourismus hat viele Formen und Aspekte. Der sanfte, die von Prinz Charles geförderte Art von Agrotourismus, hat nicht nur hierzulande viel Zulauf. Es ist aber nur eine der Möglichkeiten. Der von Prinz Charles finanzierte Eminescu-Trust hat Häuser und Dörfer in Siebenbürgen saniert und restauriert, das allein war schon ein großer Erfolg. Der sanfte Tourismus ist da eher für Individualsachen, er gehört nicht zum Massentourismus. Er fördert keinen größeren Umsatz und noch keinen breiteren dringend benötigten wirtschaftlichen Effekt. Im modernen Tourismus ist jedoch ein komplexes Angebot erforderlich, von reibungslosem Transport zu herausragendem Service und von hochwertigen Unterkünften bis zu thematischen Reiseprogrammen. Und nicht zuletzt, das, was man hierzulande in Hermannstadt im Tourismus erreicht hat – Sanierungen, komplexe Programme, gute Werbung für Land und Leute, permanente Vermarktung.

Wie ist es um die Tourismuswerbung in der Westregion und speziell in Temeswar bestellt?

Nun, der Optimist würde sich hinter dem Ohr kratzen und sagen: Leute, es gibt noch Hoffnung! Es geht um ein ständig angesprochenes und schon ganz zerredetes Thema. Vor allem jetzt, da sich die Stadt als künftige europäische Kulturhauptstadt bewirbt. Die Westregion und Temeswar speziell haben ein großes Manko. Leider promovieren sie sich nicht selbst. In der gesamten Westregion wird weiterhin der Anschluss verschlafen. Das trotz des stets als Trumpfass angeführten großen Potenzials: die Stadt als Gateway zu Rumänien, aus deutscher Sicht zweitwichtigster Zielflughafen nach Bukarest, der historische Hintergrund als Klein-Wien, der Zugang zur Donau oder zur Arader Weinstraße.

Temeswar und Umgebung steht eigentlich aus touristischer Sicht besser da als etliche andere Regionen des Landes.Trotzdem fehlen Temeswar und die Region seit fünf Jahren völlig auf allen Messen. Es wird selbst an Ort und Stelle nicht gezielt für den Standort geworben. Ein touristisches Informationsbüro als Anlaufstelle genügt nicht. Die Gründung eines Messe- und Werbebüros wäre ein erster erforderlicher Schritt. In der Begastadt hat sich ein starker Geschäftsreiseverkehr herausgebildet, der sich selbst zu genügen scheint. Damit allein ist dem Tourismus nicht geholfen. Und den deutschen Kunden, die an Qualitätstourismus interessiert sind, genügen allein Hotels und Gaststätten nicht.
Nun in Sachen Zukunft des Banater und Temeswarer Tourismus: Bleiben wir trotz allem im Lager der Optimisten. Es könnte ja auch gutgehen.