Über die Psychologie der Rumänen

Klausenburger Psychologie-Professor Daniel David stellte sein Buch vor

Univ.-Prof. Dr. Daniel David von der Babeş-Bolyai-Universität Klausenburg

Die Temeswarer Hörer ließen sich von dem Vortrag überzeugen.
Fotos: Zoltán Pázmány

Donnerstagnachmittag an der West-Universität Temeswar. Sommerlicher Nachmittag. Feiertag. Und trotzdem ein voller Hörsaal: A01.  Erwartet wird der Klausenburger Psychologe und Universitätsprofessor Daniel David, der in den Medien mit der von ihm verfassten Studie über „Psihologia poporului român“ (Die Psychologie des rumänischen Volkes) noch vor ihrem Erscheinen für viele Kontroversen gesorgt hat.

Daniel David schaut schon seit einigen Tagen von den Posters, die die Debatte ankündigen und an der er sich beteiligen soll, auf die Studenten und Professoren der West-Universität. Und die E-Mails an der Uni kündigen schon seit über einer Woche seine Präsenz an. Dieses Event geht schließlich alle etwas an.

Wer ist Daniel David?

43 Jahre junger Professor. „Aaron T. Beck“-Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Babeş-Bolyai-Universität in Klausenburg. Gründungsdirektor des Departements für klinische Psychologie an derselben Universität. Außerordentlicher Professor an der „Icahn School of Medicine at Mount Sinai“ (USA) und Leiter des Forschungsprogramms am Albert-Ellis-Institut in New York. Mitglied in zahlreichen Vereinen. Im Top, wenn es um „Die erwartete Generation“ („Cotidianul“), „Die schönsten Rumänen“ („Adevărul“) und „Menschen, die das Land in die richtige Richtung hin bewegen“ („Foreign Policy Romania“) geht. Träger des Verdienstordens im Grad eines Ritters.

Das ist das minimale Profil eines Forschers und Professors, dessen Vita eigentlich nicht in gekürzter Form dargestellt werden sollte und der sich als Motto „Sapere aude!“ (Habe Mut, weise zu sein!“) ausgewählt und als Lebensphilosophie Rudyard Kiplings „If“ und Frank Sinatras „My Way“ angibt.

Es war die Neugier, die die Temeswarer Akademiker an diesem Nachmittag von den Terrassen weg und in den Hörsaal A01 gelockt hat. Denn Daniel David macht seit einiger Zeit wieder Schlagzeilen: gute und schlechte, aber wie es heute so schön heißt: „Schlimmer als die negativen Schlagzeilen ist die Stille!“ So wird es als positiv beurteilt, dass sein Name wieder in den Medien präsent ist.

Im Hinblick auf eine noch gar nicht erschienene Studie, die erst im Juni gedruckt werden soll. So hat es der Jassyer Verlag „Polirom“ versprochen. „Psihologia poporului român“ (Die Psychologie des rumänischen Volkes) hatte allein schon mit dem Titel die Aufmerksamkeit an sich gerissen. Dazu kamen ein paar „Hints“, die ihr Autor, Daniel David, in der Presse gelüftet hat: Die Rumänen seien „warm, aber nicht so warm, wie sie sich selber einschätzen“, sie haben ein großes Potenzial an Intelligenz und Kreativität, verfügen über einen „gregären Geist“ und „einen stärkeren Neurotizismus (Labilität) als die Amerikaner“.

Das gefällt manchen, anderen gar nicht, manche beglückwünschen den Autor im Voraus für eine Studie, „die an Constantin Rădulescu-Motrus Werk von vor über 100 Jahren anknüpft“ (HotNews), aber die Vision von uns erneuert, andere wiederum beschimpfen ihn (erneut ohne das Werk gelesen zu haben), sein Buch sei „nur eine akademische Betrügerei“ (CriticAtac). Eines muss man aber Daniel David (und dem Verlag „Polirom“) lassen: Wir erleben die beste Werbekampagne für ein akademisches Buch seit Jahren. Ob es sich gelohnt hat, kann man erst im Nachhinein sagen, wenn das Buch schon vorliegt.

Zunächst musste Daniel David den Studenten und Lehrkräften an der West-Universität Temeswar Frage und Antwort stehen. Er gestikulierte, punktierte, redete beflügelt, aber vor allem erklärte er, denn darum ging es Daniel David schließlich: seine Vorgehensweise darzustellen und mit seiner Methodik und der Bibliografie für die Analyse und deren Ergebnissen zu überzeugen. Praktisch wollte er das Publikum davon überzeugen, dass sein Buch auf handfesten Daten fußt und durchaus ernsthafte Arbeit bedeutet.

Und dass die Missverständnisse in der Presse auf Unwissenheit beruhen. Schließlich hatte die Psychologie bei uns einen Hiatus von mehreren Jahrzehnten aufzuholen, „dank“ den Kommunisten, die die Psychologen wegen „Mystizismus“ und „Betrügerei“ angeprangert und schließlich aus den Lehrsälen verbannt hatten. Diesen Hiatus galt es zu überbrücken. „Es fehlte auch nach der Wende jahrelang an Instrumenten, wir mussten zuerst verschiedene Tests anpassen“.

Was in der westlichen Welt in der Psychologie als neu gilt, ist Daniel David bekannt. Sein Buch lasse sich in eine „interkulturelle Psychologie“ einfügen, ein relativ neuer Begriff für die hiesige Psychologie.

Wie sind die Rumänen eigentlich?

Das Buch, das nun erwartet wird, hatte schon im Titel Kontroversen ausgelöst: „Psihologia poporului român“ (Die Psychologie des rumänischen Volkes) – „die Wortwahl wurde von den Historikern begrüßt, aber die Vertreter der Gesellschaftswissenschaften konnten damit nichts anfangen“, so Daniel David. Da musste er eingreifen, erklären, mit vielen handfesten Studien aus namhaften akademischen Zeitschriften aufwarten, um sich zu rechtfertigen. Es ist eine Metapher, um an Rădulescu-Motru, Vulcănescu oder Ralea anzuknüpfen. Man solle den Untertitel beachten: „Profilul psihologic al românilor“ (Das psychologische Profil der Rumänen). Und bei den „Rumänen“ handele es sich um die Bewohner Rumäniens, nicht um eine Ethnie.

Das Buch, das gab der Autor seinem Publikum kund, birgt drei Teile: einen Teil, in dem schon veröffentlichte Daten aus Studien zusammengetragen und zusammenfassend vorgestellt werden, es sind vorwiegend ausländische Studien, die auch von Rumänen handeln, Studien, die bei uns weitgehend unbekannt sind und so popularisiert werden. Zweitens geht es um die Sekundäranalyse dieser Daten und Daniel David erklärte akribisch genau, wie er vorgegangen ist. Drittens umfasst das Buch drei Studien, die brandneu und originell sind: In der ersten steht im Mittelpunkt das Konzept des Vertrauens und sie misst das Vertrauen mit Hilfe der Proxemik, auf gut Deutsch beschäftigt sie sich mit der Frage: Wie nahe darf jemand an mich herantreten, sodass ich mich wohl fühle in dessen Anwesenheit. Die Ergebnisse fielen schockierend aus, wie der Psychologieprofessor angab: „Die Rumänen messen den Familienmitgliedern ein sehr großes Vertrauen zu, sie werden in der Intimsphäre aufgenommen. Eine fremde Person halten wir weiter von uns entfernt, als etwa ein Amerikaner, das heißt, wir messen ihr vorab weniger Vertrauen zu“. Interessant ist aber zu verstehen, warum das so ist.

Nach der Auswertung hieß es für den Psychologieprofessor, der in Rumänien eher für seine Studien zur klinischen Psychologie bekannt ist, im Ausland aber für seinen Schwerpunkt in der kognitiven Psychologie für Aufsehen sorgt, dass die „kollektivistische Struktur bei Rumänen weder genetisch noch patogen hervorgerufen wurde. Die jungen Probanden haben auch eher ein autonomes, individualistisches Profil gezeigt als die älteren. Das bedeutet, dass sich das Profil ändern wird“.

Die Vergleiche wurden mit den Amerikanern gezogen, aber auch mit den Deutschen, den Nachbarn aus Bulgarien und der Ukraine u. a. Im Vergleich zu den Amerikanern verfügen die Rumänen über einen größeren Neurotizismus, aber das soll man als ein Konzept aus der Psychologie verstehen und das birgt Positives und Negatives: Es stimmt zwar, dass die Rumänen demnach eher Gefühlsschwankungen ausgesetzt sind, aber andererseits sind sie im Vergleich zu den Amerikanern „affektiv flexibler“, was positiv ist. „Diese Unterschiede muss man nicht als gut oder schlecht abstempeln, wichtig ist, was man daraus macht!“ so Daniel David.

Und als bei einer Studie herauskam, dass die amerikanischen Leader zum Beispiel die leistungsstarken Angestellten belohnen, die rumänischen Führer diese aber bestenfalls genauso wie die weniger leistungsfähigen behandeln oder sogar bestrafen, dann sollte man sich doch über diese Ergebnisse Gedanken machen: „Der Schlüssel liegt darin, kulturelle Muster zu ändern“.

Wie schätzen sich die Rumänen ein?

Daniel Davids zweite originelle Studie handelt davon, wie die Rumänen sich selbst bewerten, ein Thema, das immer wieder in der Fachliteratur aufgegriffen wurde, das Neue daran sei die Art der Datenerhebung. „Dass die Rumänen ein gemischtes Selbststereotyp haben, ist nicht neu: Wir halten uns einerseits für gastfreundlich, andererseits für undiszipliniert“. Die Ehrlichkeit, die zu dem rumänischen Selbststereotyp gehörte, erwähnen die Rumänen nur noch am Rande.

Drittens hat der Autor eine Studie in das Buch aufgenommen, in der er die Antworten auf die Fragen „Wie sind wir?“ und „Wie bewerten wir uns?“ gegenüberstellt. Da war das Ergebnis noch schockierender: „Die Unterschiede sind hier sehr groß, die Tendenz zur Übertreibung ist sehr groß.“ Das schlägt sich dann in der geringen Zufriedenheit und im Stress nieder.

Mit Krawatte, in Jackett und Jeanshosen, aber vor allem mit einem gut fundierten Diskurs – er hielt das Auditorium fast zwei Stunden lang mit seinem Vortrag in Atem – verkörpert Daniel David eine neue Generation von Professoren an den rumänischen Universitäten.