Ungarische Fußball-Expansion nach Siebenbürgen

Mit finanzieller Unterstützung aus Ungarn zum fußballerischen Erfolg in Rumänien

Ebenso beständig wie sich der FK Csíkszereda sportlich in Richtung erste Liga entwickelt, wird auch das Stadion ausgebaut. Die Haupttribüne der Eross Zsolt Arèna wurde bereits 2016 fertiggestellt, als der Club noch in der dritten Liga spielte, aktuell ist eine zweite Tribüne auf der Gegengeraden in Bau.
Foto: der Verfasser

Im September 2013 wurde der Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen der Puskás Akadémia in Ungarn und der Fußballakademie des Szeklerlandes durch Zoltán Szondy (l.) und Lorinc Mészáros (r.) unterzeichnet. Mészáros gilt als „Strohmann“ von Viktor Orbán, der als ungarischer Ministerpräsident keinen wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen darf. Sein Vermögen soll sich auf sagenhafte 1,1 Milliarden Euro belaufen.
Foto: Puskás Akadémia/pfla.hu

Seit 2013 hat die ungarische Regierung rund 100 Millionen Euro in den Bau von Fußballstadien und Jugendakademien außerhalb der Landesgrenzen investiert. Diese Expansion begann 2013 mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Puskás Akadémia in Felcsút und der Székelyföldi Labdarúgó Akadémia (Fußballakademie des Szeklerlandes) in Miercurea Ciuc. Ein Aushängeschild der ungarischen Fußball-Expansion ist Sepsi OSK Sfântu Gheorghe: Die Mannschaft aus dem Landkreis Covasna konnte sich Ende Mai zum ersten Mal für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren. Eine erstaunliche Leistung für einen Club, der erst vor zehn Jahren gegründet wurde.

Eine Fußball-Hochburg waren die Landkreise Covasna und Harghita bisher nicht. Erst im Jahr 2017 gelang Sepsi OSK Sfântu Gheorghe als erster Mannschaft der Aufstieg in die höchste rumänische Spielklasse. Im Szeklerland sagt man, dass sich nur die Kinder für Fußball entscheiden, die für Eishockey zu schlecht sind. Indessen stellten Szekler bei der letzten Weltmeisterschaft fast den kompletten Kader der rumänischen Nationalmannschaft.

Dass Fußball für die Kinder und Jugendlichen im Szeklerland heute eine attraktive Alternative ist, hängt insbesondere mit der 2013 gegründeten Akademie zusammen. Diese hat ihr Leistungszentrum in Miercurea Ciuc und unterhält Trainingsgruppen in weiteren Orten der Region und ganz Siebenbürgen. Laut eigener Angabe trainieren rund 4500 Kinder und Jugendliche im Rahmen der Akademie.
Zur Reorganisation des Leistungssportes gründete der Stadtrat von Miercurea Ciuc schon 2010 einen städtischen Sportverein. Dessen Fußballabteilung wurde zwei Jahre später in den privat-rechtlichen FK Csíkszereda ausgegliedert, welcher als Herren-Mannschaft der Akademie funktioniert. Doch während Sepsi OSK Sfântu Gheorghe in den vergangenen Jahren innerhalb kürzester Zeit das rumänische Ligensystem hochkletterte, verlief die Entwicklung in Miercurea Ciuc schleppender. Erst am Ende der Saison 2018/19 gelang der ersehnte Aufstieg in die zweite Liga.

Der Gewinn der rumänischen U-19-Meisterschaft vor wenigen Wochen zeigt gleichwohl, dass der FK Csíkszereda bereits gut gerüstet ist für den nächsten Entwicklungsschritt. Mit 2:1 wurde im Finale der FC Viitorul besiegt. Doch während das Aushängeschild der rumänischen Nachwuchsförderung aus dem ganzen Land talentierte Nachwuchsspieler in seine Akademie nach Konstanza holen kann, beschränkt sich die Auswahl für den FK Csíkszereda auf die ungarische Bevölkerung. „Für uns ist es wichtig, dass im Training Ungarisch gesprochen wird, denn wir definieren uns als ungarischer Club“, erklärt Präsident Zoltán Szondy die Prinzipien der Akademie.

Einen pragmatischeren Ansatz verfolgen hingegen die Verantwortlichen bei Sepsi OSK Sfântu Gheorghe, wo die Qualität der Spieler wichtiger ist als Ethnie und Sprache. Zu den Leistungsträgern der abgelaufenen Spielzeit gehörten dann auch der algerische Innenverteidiger Rachid Bouhenna sowie der slowakische Mittelstürmer Pavol Safranko. Der einzige Stammspieler, der im Szeklerland geboren ist, war Torwart Roland Niczuly. Doch auch in Sfântu Gheorghe pflegt man enge Beziehungen nach Ungarn: Zu den Sponsoren gehören unter anderem die OTP Bank und der Mineralölkonzern MOL. Außerdem erhielt der Club sowohl 2017 als auch 2018 rund 200.000 Euro vom ungarischen Fußballverband für den Ausbau der eigenen Infrastruktur.

Ein undurchsichtiger Kooperationspartner in der ungarischen Provinz

Die Puskás Akadémia, der Kooperationspartner des FK Csíkszereda, hat ihren Sitz im 1800 Einwohner zählenden Felcsút, einige Kilometer westlich von Budapest. Mit Ferenc Puskás, dem größten Spieler des Landes, hat der Ort allerdings nichts gemeinsam. Vielmehr steht Felcsút für Korruption, Ineffizienz und die Plünderung des ungarischen Staates. Berühmtester Sohn der Gemeinde ist Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Im Garten seines Wochenendhauses steht das 3400 Zuschauer fassende Stadion der Akademie.

In der vergangen Dekade wurden in ganz Ungarn neue Stadien und Sportanlagen gebaut. Über zwei Milliarden Euro sind in den Fußball geflossen. Um dies zu ermöglichen, wurde 2011 ein Steuergesetz verabschiedet, welches es Unternehmen ermöglicht, Spenden für die Sportförderung sowohl von ihrem steuerpflichtigen Einkommen als auch von ihrer Steuerpflicht abzuziehen. 2017 entschied das Oberste Gericht in letzter Instanz, dass es sich bei diesen Geldern um öffentliche Mittel handele – die also letztlich dem Staat entgehen. Sie ließen sich auch als Tributzahlungen der Unternehmen für die niedrigen Steuern und der schwache Arbeitnehmerschutz bezeichnen.

Größter Nutznießer der Reform ist die Puskás Akadémia und der Puskás FC. Sie erhielten in den vergangenen zehn Jahren zusammen etwa 220 Millionen Euro. Dem Club gelang zwar schon 2013 der Aufstieg in die erste Liga, aber trotz der enormen finanziellen Unterstützung blieb der sportliche Erfolg daraufhin aus. In den vergangenen beiden Spielzeiten erreichte Puskás FC zwar vordere Plätze in der Meisterschaft, doch gelang dies insbesondere durch ausländische Legionäre, die nun vermehrt für in der Akademie ausgebildete Spieler zum Einsatz kamen.

Noch 2013 hatte Viktor Orbán erklärt, dass die Akademie jedes Jahr zwei bis drei Spieler in die großen europäischen Ligen bringen werde. Tatsächlich ist László Kleinheisler der einzige ungarische Nationalspieler, den die Puskás Akadémia hervorgebracht hat. Der 27-Jährige konnte sich aller-dings in der deutschen Bundesliga nicht durchsetzen und spielt heute beim NK Osijek in Kroatien. Der ungarisch-deutsche Fußball-Trainer János Radoki, der 2019 vier Monate für den Club tätig war, fasste es folgendermaßen zusammen: „Infrastruktur hundert Prozent, Munkastruktur zero Prozent“. Das Vereinsgelände und die Trainingsbedingungen sind zwar überragend, aber die Mentalität der Spieler und Trainer sowie folglich auch die Qualität der fußballerischen Ausbildung passen nicht zu den formulierten Ansprüchen.

Ungarische Investitionen im Karpatenbecken

In den vergangenen Jahren haben der ungarische Staat und Fußballverband die sportliche Infrastruktur nicht nur im eigenen Land ausgebaut, sondern auch in fast alle Nachbarstaaten exportiert: Über 75 Millionen Euro sind zum Bau von Jugendakademien nach Dunajská Streda (Slowakei), Backa Topola (Serbien), Lendava (Slowenien), Mukatschewo (Ukraine), Osijek (Kroatien), Sfântu Gheorghe und Miercurea Ciuc geflossen, die jeweiligen Zentren der ungarischen Minderheiten.

Ein Profiteur der Nachwuchsförderung im Ausland – auf Kosten des ungarischen Staates – ist Puskás FC, denn Spieler von den Kooperationspartnern können ohne Ablösezahlung nach Felcsút wechseln und eigene Spieler zum Sammeln von Spielpraxis wieder-um an diese verleiht werden. Leihgeschäfte sind zwar integraler Bestandteil des modernen Fußballs, aber Puskás FC profitiert auch hier von öffentlichen Mittel – zusätzlich zu den Zuschüssen der Regierung im Rahmen der Sportförderung und der Spenden von Unternehmen.

Die zentrale Stellung bei der Durchführung von Investitionen im Ausland nimmt die Gábor-Bethlen-Stiftung ein, welche von der ungarischen Regierung gegründet wurde, um die Unterstützung und Finanzierung kultureller, sportlicher, pädagogischer und wirtschaftlicher Aktivitäten zu zentralisieren. „Doch diese finanzielle Unterstützung ist alles andere als transparent“, konstatierten die Journalisten des länderübergreifenden investigativen Rechercheprojekts „Hungarian Money“: „Die öffentlichen Informationen des Fonds zu Förderentscheidungen und deren Auszahlungen sind ein Labyrinth aus verwirrenden und oft widersprüchlichen Informationen.“

Insgesamt dürfte die Fußballakademie des Szeklerlandes und der FK Csíkszereda bisher über 15 Millionen Euro für die sportliche Infrastruktur in Miercurea Ciuc sowie Trainingsplätze in anderen Ortschaften erhalten haben. In Sfântu Gheorghe entstanden ebenfalls Trainingsplätze und Bürogebäude für mehrere Millionen Euro. Darüber hinaus soll das kurz vor der Fertigstellung stehende neue Stadion laut Präsident László Diószegi letztlich rund 25 Millionen Euro kosten.

Doch der ungarische Staat unterstützt nicht nur den Bau von Fußball-Akademien, und die Gábor-Bethlen-Stiftung ist auch nicht die einzige Akteurin, die ungarische Gemeinschaften im Ausland unterstützt. Nach Recherchen der investigativ arbeitende Online-Zeitung „Átlátszó“ gibt es eine Reihe weiterer staatlicher Akteure und Unternehmen im Besitz der ungarischen Regierung, die Zuschüsse an ungarische Organisationen im Ausland vergeben. Allein die Reformierte Kirche in Siebenbürgen soll in den vergangenen zehn Jahren über 130 Millionen Euro erhalten haben.

Und auch die Eishockey-Akademie des Szeklerlandes erhielt bisher rund 15 Millionen Euro. Denn zu den förderungswürdigen Sportarten zählt die ungarische Regierung neben Fußball, Handball, Wasserball, Basketball und Volleyball auch den Nationalsport der Szekler. Erst im April hat der HC Csíkszereda zum dritten Mal die internationale ungarische Meisterschaft gewonnen.

Ungarische Unterstützung für Vereine im Ausland:
   
• Munkács Futball Akadémia (Ukraine)
• FC Dunajská Streda (Slowakei)
• KFC Komárno (Slowakei)
• NK Nafta 1903 (Slowenien)
• NK Osijek (Kroatien)
• NK Vardarac (Kroatien)
• TSC Backa Topola (Serbien)
• FK Csíkszereda (Rumänien)
• Sepsi OSK Sfântu Gheorghe (Rumänien)
• Marosvásárhelyi SE 1898 (Rumänien)
• Partiumi Labdarúgó Akadémia (Rumänien)

Die finanzielle Unterstützung wird durch verschiedenste Stellen getätigt bspw. den ungarischen Fußballverband, die Gábor-Bethlen-Stiftung, aber auch durch Kooperation mit ungarischen Mannschaften wie im Falle der Jugendakademie in Mukatschewo (Munkács). Sie umfasst in der Regel den Bau von Stadien, Trainingsplätzen und Verwaltungsgebäuden – in einigen Orten in finanzieller Kooperation mit den lokalen Behörden vor Ort.