„Unsere Musik wird von jedem verstanden, der das Herz öffnet“

Gespräch mit Mani Neumann, dem Frontmann der Musikband Trio Farfarello

Mani Neumann, der Frontmann des Trio Farfarello wird auch der Teufelsgeiger genannt. Foto: László Ilyés

Mani Neumann ist in Rumänien vor allem als der Geiger der berühmten rumänischen Rockband Phoenix bekannt. Doch der Musiker aus Deutschland, der sowohl die Geige als auch die Blockflöte meisterhaft beherrscht, ist seit über 40 Jahren auch Frontmann der von ihm und dem Gitarristen Ulli Brand gegründeten Band Trio Farfarello, die mittlerweile europaweit bekannt geworden ist. Seit 28 Jahren ist der Bassist Urs Fuchs ebenfalls Teil von Trio Farfarello. In ihrer Musik, die archaisch, rau und romantisch ist, verbindet Trio Farfarello osteuropäische Folklore mit zeitgenössischen Einflüssen aus traditioneller Musik, Rock und Klassik. Seit 1982 hat Trio Farfarello achtzehn Alben und vier DVDs veröffentlicht und rund 4000 Konzerte weltweit gegeben. Im Laufe seiner Karriere hat Mani Neumann den MTV-Lifetime-Award erhalten und wurde vom rumänischen Präsidenten für herausragende kulturelle Leistungen, die er zusammen mit der Band Phoenix in Rumänien erbracht hat, mit dem Orden für Kulturverdienste ausgezeichnet. Derzeit befindet sich das Trio auf einer Tournee in Rumänien. Vor seinem Konzert in Sathmar/Satu Mare sprach ADZ-Redakteurin Gabriela Rist mit Mani Neumann.

Herr Neumann, Sie spielen mit dem Trio Farfarello eine einzigartige, authentische und sehr komplexe Musik, die Folklore mit Rock- und klassischer Musik vereint. Haben Sie jemals rein klassische Musik gespielt?

Ja, ich habe Musik studiert und daher viel rein klassische Musik gespielt. Meine gesamte Jugend habe ich damit verbracht, Geige zu lernen. Ich begann sehr früh, im Alter von fünf Jahren, und hätte mit achtzehn Jahren eine klassische Karriere beginnen können. Stattdessen habe ich mich jedoch durch Zufälle für die sogenannte U-Musik entschieden, und seitdem mache ich meine eigene Musik.

Wie ist die Geige Ihr Lieblingsinstrument geworden?

Ich habe das damals im Fernsehen gesehen, als ich ganz klein war und habe meinem Vater gesagt „Guck mal, das wäre mal was für mich“. Weil ich aus einer musikalischen Familie komme, konnte sich jeder ein Instrument aussuchen und so bin ich bei der Geige gelandet. Das war, glaube ich, die richtige Entscheidung, weil ich das heute auch berufsmäßig mache. Ich spiele natürlich nebenbei noch Klavier und verschiedene andere Instrumente, aber Geige ist mein Hauptinstrument.

Wann und wie haben Sie den endgültigen Beschluss gefasst, Musiker zu werden? 

Im September 1979 habe ich den Nicu Covaci in Deutschland getroffen, und die Musik von Phoenix hat mich inspiriert. Ich wollte in dem Moment auch eigentlich was anderes machen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, noch Volkswirtschaft zu studieren oder in die Politik zu gehen. Dann hatte ich noch den Beruf eines Schauspielers im Blick. 
Aber an dem Tag, an dem ich Nicu Covaci in Deutschland in einem Keller von einem Musikladen getroffen habe, da war es um mich geschehen, und seitdem bin ich Berufsmusiker.

Und wie ging es mit dem Trio Farfarello los?

Am Anfang war ich noch mit Phoenix in Deutschland und Holland unterwegs. Währenddessen habe ich schon gelegentlich kleine Sessions mit Ulli gespielt. 1982 habe ich dann zu Ulli gesagt: „Ich glaube, jetzt ist die Zeit gekommen für uns beide.“ Wir haben nach einem Bassisten gesucht und Farfarello gegründet. Innerhalb weniger Jahre sind wir dann in die absolute Spitze aufgestiegen, und eine Zeit lang waren wir die populärste Band in Deutschland.

Dann kam die Revolution...

Dann kam es zur Revolution, zuerst in Deutschland mit der Wiedervereinigung im Oktober 1989 und zwei Monate später hier in Rumänien. Ich habe das natürlich wie alle anderen mitbekommen. Phoenix hat sich reformiert und Nicu hat mich angerufen und gesagt: „Da ist was los, wir müssen zurück!“ So bin ich 1990 und 1991 mit Nicu, Joshi und }˛nd˛rica nach Rumänien zurückgekehrt. Mircea kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, da er in Rumänien geblieben war. Bis zum Jahr 2008 war ich immer 50 Prozent der Zeit mit Phoenix auf Tour in Rumänien und die anderen 50 Prozent mit Farfarello in Deutschland. Ich war also mehr im Flugzeug als alles andere.

Wo spielen Sie lieber: Auf einer großen Bühne oder in einem Club?

Ich spiele gerne an beiden Orten. Auch in kleinen Clubs mag ich die enge und nahe Atmosphäre. Es ist aber nicht so, dass ich es lieber mag als in einem großen Saal oder auf einer Open-Air-Bühne. Aber es ist einfach eine andere Erfahrung, die ich schätze. In diesem Jahr haben wir uns in Rumänien entschieden, in kleinen Clubs zu spielen. Wir waren vorletzten Monat hier und hatten ausnahmslos volle Häuser mit 120 Leuten. Es war eine großartige Stimmung, und ich denke, dass es für uns als Einstieg in Rumänien das richtige Konzept ist. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt. Wir sind heute zum ersten Mal hier in Sathmar. Es ist ein toller Start. Vielleicht spielen wir im Oktober hier im Theater.

Die Pandemie hat 2020 alles verändert. Auch Ihre Band war davon betroffen, da Sie sich auf das 40. Jubiläumsjahr vorbereitet hatten...

Die Pandemie war eine große Katastrophe für alle, nicht nur für uns. Während dieser Zeit haben wir die Chance genutzt, um ein neues Album namens „Krönung“ aufzunehmen und einen Film über unsere Erfahrungen im Lockdown zu drehen. Trotz des Riesendesasters waren wir Optimisten und haben uns als Glückssucher bezeichnet. In den Jahren 2020 und 2021 hatten wir geplant, 130 Konzerte zu spielen, darunter auch im Atheneum in Bukarest mit einem kleinen Kammerorchester. Leider ist alles ausgefallen. 

Sie spielen außerhalb des deutschsprachigen Raumes sehr oft in Rumänien. Warum?

Wir spielen gerne hier, denn ich habe hier in Rumänien mehr Freunde als in Deutschland. Wenn sich also eine Gelegenheit ergibt, auf einem Festival zu spielen oder wenn wir eingeladen werden, dann sage ich sofort zu. Aber jetzt haben wir auch vor, längerfristig hier zu planen und eine Tournee durchzuführen. Heute beginnen wir mit dem zweiten Teil unserer Tournee, und Anfang Mai werden wir den dritten Teil in Deva spielen und wahrscheinlich auch in Temeswar. An einem wunderschönen Ort in Socolari, nahe der serbischen Grenze, hat ein Freund von uns ein Refugium gebaut, wo ein herrliches Festival stattfinden wird. Außerdem haben wir unser eigenes Festival in Altringen geplant. Im Juni ist Festivalzeit, und wir werden sicherlich auf dem einen oder anderen Festival auftreten. Im Sommer geht es dann ans Schwarze Meer nach Vama Veche, wo ich auch ein bisschen Urlaub machen werde, aber wir werden natürlich weiterhin spielen.

Sie sind von Rumänien fasziniert...

Ja, ich finde Rumänien super. Ich bin ein großer Fan von Rumänien und ich erzähle das auch jedem. Für mich ist Rumänien das Land der Zukunft. Im Gegensatz zum Westen ist hier noch nicht alles durchorganisiert. Hier kann man noch wirklich individuell spontan Dinge planen, was in Deutschland gar nicht möglich ist. Dort braucht man oft zwei Jahre Vorlaufzeit. In Rumänien kann ich spontan entscheiden: „Hey, ich komme in zwei Wochen hierher“. Das finde ich super. Und ich hoffe, dass dies auch in Zukunft so bleibt und nicht alles zu stark strukturiert wird. 

Wie war das Konzert im Fe-bruar in Rumänien und wie war das Publikum?

Ach, das war toll. Die Veranstalter haben nicht damit gerechnet, dass so viele Leute ins Konzert kommen wollen. Obwohl mich einige Leute kennen, ist Farfarello noch kein bekannter Name in Rumänien. Über 50 Prozent der Tickets waren verkauft. Es war ein tolles Gefühl, wir haben es wirklich genossen. Unser Bassist, der Urs, hat zum ersten Mal Rumänien erlebt und wollte gar nicht mehr weg.

Sie werden bei der Solinger Kulturnacht in einem fahrenden Bus spielen? 

Ja, das haben wir noch nie gemacht. Ein Freund von mir, der auch unser Grafiker ist, organisiert das und er hat mir gesagt, dass es schön wäre, wenn wir den Abend mit Ulli eröffnen würden. Also es wird für uns auch das erste Mal sein. Ich war zwar als Gast schon mehrmals bei solchen Aktionen und bin dann auch immer im Bus mitgefahren und hab mir die Band dann auch angehört. Das fand ich immer ganz lustig und toll. Am 22. April eröffnen wir also die Kulturnacht in Solingen, das wird bestimmt eine lustige Geschichte. 

Obwohl Sie ein Trio sind, haben viele Musiker schon mit Ihnen zusammen gespielt. Mit wem haben Sie besonders gerne konzertiert?

Ja wir haben bereits mit vielen Musikern zusammengearbeitet, auf die wir besonders stolz sind. Einer davon ist Chris Thompson, der Sänger von Manfred Mann’s Earth Band. Er hat mit uns an unserem Album „Sea of Emotion““ gearbeitet und war ein Weltstar zu der Zeit. Die Plattenfirma fand unser Stück schön und hat gesagt, Chris könnte das singen. Er wollte sowieso ein Soloalbum machen. Ich habe gesagt: Er kann singen, aber den Song kriegt er nicht. Letztendlich wurde das Lied auf beiden Alben, sowohl auf seinem Soloalbum als auch auf unserem Album „Saravah“, veröffentlicht. Nippy Noya ist ein Weltklasse-Perkussionist, der mit vielen bekannten Musikern zusammengearbeitet hat. Er hat fünfzehn Jahre lang mit uns gespielt, weil er unsere Musik so toll findet. 

Das dritte Highlight ist, wenn wir mit einem Orchester spielen. Wir haben unsere Musik für großes Sinfonieorchester arrangiert und haben bereits drei- bis viermal in Deutschland mit einem Orchester gespielt. 

Wird es in Zukunft noch Auftritte mit Phoenix geben?

Im Phoenix sind mittlerweile junge Musiker, und wenn Nicu in Form ist, ist er auch dabei. Wir sind nach wie vor befreundet und ich bin zu seinem Geburtstagskonzert am 19. April in Bukarest eingeladen und werde auch drei, vier Stücke spielen. Letztes Jahr war ich als Gast bei einem großen Konzert in Temeswar/Timișoara dabei. Aber die Zeit, die wir in den 90er Jahren mit Phoenix erlebt haben, ist vorbei. Die sogenannte goldene Generation mit Mircea Baniciu, Nicu und der Originalbesetzung gibt es nicht mehr. Doch die Legende lebt weiter. Phoenix ist für Rumänien eine wahnsinnig wichtige und große Nummer, und dass ich Teil davon sein durfte, da kann ich nur sagen – der liebe Gott hat es gut mit mir gemeint.

Welche Pläne haben Sie mit Trio Farfarello für die nächsten zehn Jahre?

Ja, also zehn Jahre sollen es tatsächlich noch sein. Unsere Energie ist nach wie vor hundertprozentig vorhanden. Ich würde mir wünschen, dass wir eigentlich europaweit noch mal einen großen Schritt machen und ich glaube, wenn wir hier in Rumänien damit beginnen, könnte es sein, dass das ausstrahlt. Und unsere Musik ist zeitlos. Sie wird von jedem verstanden, sofern er sein Herz öffnet, und wir haben diese Reaktionen ganz besonders hier in Rumänien zu spüren bekommen. Ich denke, da ist noch viel Luft nach oben.

Vielen Dank für das Gespräch!